Oper Bonn: Märchenhafte Inszenierung von Rossinis „La Cenerentola“ mit Spitzenleistungen aller Beteiligten

Oper Bonn/LA CENERENTOLA/Charlotte Quadt (Tisbe), Martin Tzonev (Don Magnifico), Marie Heeschen (Clorinde)/Foto © Thilo Beu

Der Schlussapplaus am 7. November 2021 will nicht enden. Es gibt zu Recht Standing Ovations für Rossinis Dramma Giocoso vom Aschenputtel in zwei Akten. Die nahezu ausverkaufte Oper Bonn (3G) bringt das Märchen nach dem Libretto von Jacopo Ferretti mit Francisco Brito als Don Ramiro und Luciana Mancini als Angelina auf die aufwändig gestaltete Bühne. „La Cenerentola“ von Rossini in der Inszenierung von Leo Muscato garantiert Opernglück. Im Bühnenbild von Andrea Belli – ein etwas runtergekommenes Schloss mit einem imposanten Treppenhaus – entfaltet das Ensemble mit Ruben Dubrovsky am Pult ein Feuerwerk von Einfällen.

 

 

Das allgemein bekannte Märchen vom Aschenputtel wird hier als Lehrstück vom „Triumph des Guten“ akzentuiert. Die Version des Märchens von Perrault stand Pate, aber in Rossinis Oper ist der Berater des Prinzen, Alidoro, der Lenker der Handlung. Keine Tauben, keine Fee! Und alles wird gut. Rossini hatte sehr mit der Zensur zu kämpfen, und da kam ihm das Märchen vom Aschenputtel gerade recht. Er verlieh den Protagonisten Namen, und der niedere Adel, verkörpert durch Don Magnifico und seine eitlen Töchter wurde mit beißendem Spott dargestellt, während der Prinz, Don Ramiro, seine Sehnsucht nach dem einfachen Leben auslebt, indem er mit seinem Kammerdiener die Rollen tauscht, was auch dem die Chance gibt, Unarten des Adels gehörig auf die Schippe zu nehmen.

Don Magnifico, der Vater der drei Töchter, wird sogar als Betrüger dargestellt. Er habe Angelinas Mitgift unterschlagen und behandelt sie mit Clorinda und Tisbe als Dienstbotin. Er bedroht Angelina und wird auch noch handgreiflich. Erzkomödiant Martin Tzonev, seit 19 Jahren Ensemblemitglied, hat diese Rolle bereits in seiner ersten Bonner Spielzeit gestaltet und verleiht ihr augenzwinkernd Kontur.

Clorinda (Marie Heeschen) und Tisbe (Charlotte Quadt) stellen die Schwestern herrlich zickig, oberflächlich und egozentrisch dar. In der Umbaupause vor dem Finale singen sie Rossinis Katzenduett, am Hammerflügel begleitet von Elia Tagliavia, das sagt alles über ihr Verhältnis zueinander.

Oper Bonn/LA CENERENTOLA/Martin Tzonev (Don Magnifico), Chor/Foto © Thilo Beu

Bestens aufgelegt ist der Herrenchor unter der Leitung von Marco Medved, der in einer Choreographie als Reiter auftritt. Der Bonner Karneval lässt grüßen!

Das aufwändige Bühnenbild von Andrea Belli mit einer raumfüllenden halbrunden Treppe auf der Drehbühne und einer Galerie, die von oben heruntergefahren werden kann, ermöglicht, dass man ohne Umbaupausen spielen kann. Die Bühne umrahmt eine Art Bilderrahmen, und es kann eine Zwischenwand heruntergelassen werden, vor der sich Szenen abspielen können, während die Drehbühne sich dreht oder die Treppe weggeräumt wird.

Die fantasievollen Kostüme, die die Handlung in der Entstehungszeit ansiedeln, gestaltete Margherita Baldoni. Sie stattet die Schwestern mit üppigen Reifröcken aus, den Vater mit einer Allongeperücke als Zeichen, dass die nicht arbeiten müssen.

Besondere Sorgfalt verwendete Regisseur Leo Muscato auf die Lichtregie (Beleuchtung: Max Karbe) und auf die Personenführung, die perfekt choreographiert wirkt. Die allenthalben auftretenden Engel bringen Abwechslung in die Szene.

Das Beethoven-Orchester, bestens aufgelegt unter der musikalischen Leitung von Ruben Dubrovsky schlägt Funken aus der Partitur und bekam schon nach der quirligen Ouvertüre lang anhaltenden Applaus.

Oper Bonn/LA CENERENTOLA/Francisco Brito (Don Ramiro), Luciana Mancini (Angelina), Lisandro Abadie (Alidoro), Statisterie/Foto © Thilo Beu

Gastsänger Lisandro Abadie als Alidoro, der als Bettler verkleidet die drei Schwestern auf die Probe stellt, als Vertreter der Staatsmacht mit dem Einwohner-Melderegister in der Hand darauf besteht, dass Don Magnifico seine Tochter Angelina präsentiert und am Ende den Triumph von Cenerentolas Güte verkündet, ist auf die speziellen Anforderungen Rossinis spezialisiert. Ebenso Carl Rumstadt als Dandini, der es trefflich versteht, als Kammerdiener, der den Prinzen spielt, die Attitüden des Adels zu persiflieren.

Mit Francisco Brito als Prinz Don Ramiro hat man einen auf Belcanto-Opern von Rossini und Donizetti spezialisierten Tenor aufgeboten, der die schwere mit Spitzentönen und halsbrecherischen Koloraturen gespickte Partie souverän bewältigte. Seine große Arie im 2. Akt wurde mit lebhaftem Szenenapplaus bedacht.

Oper Bonn/LA CENERENTOLA/Francisco Brito (Don Ramiro), Luciana Mancini (Angelina), Carl Rumstadt (Dandini), Marie Heeschen (Clorinde), Charlotte Quadt (Tisbe), Chor/Foto © Thilo Beu

Das letzte Wort hatte allerdings Luciana Mancini, die ähnliche technische Anforderungen mit ihrem warm timbrierten Mezzosopran mit Bravour meisterte und am Ende auch noch als Cenerentola allen verzieh. Es war ein Triumph von Luciana Mancini in einer unfassbar wundervollen Ensembleleistung.

Dr. Bernd Helmich, Intendant der Oper Bonn, hat immer die Philosophie vertreten, dass man an Bühnenbild, Kostümen und an der Personenführung erkennen soll, wie Librettist und Komponist das Stück gemeint haben. Dazu kommt noch, dass man exponierte Partien gerne mit Gästen besetzt, die auf internationalem Niveau singen. Das Konzept geht hier voll auf, zumal die überbordende Spiellaune des hervorragenden Ensembles für eine Bombenstimmung im Publikum sorgte. Rossini macht einfach gute Laune!

Die Oper dauert mit einer Pause nach dem 1. Akt 180 Minuten. Besucher*innen, die ab 2022 ein Fest-Abonnement haben, erhalten für alle bis zum 30.12.2021 stattfindenden Vorstellungen 40% Rabatt.

 

  • Rezension der Premiere v. 7.11.2021 von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Bonn / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Bonn/LA CENERENTOLA/Francisco Brito (Don Ramiro), Luciana Mancini (Angelina), Carl Rumstadt (Dandini), Marie Heeschen (Clorinde), Charlotte Quadt (Tisbe), Chor/Foto © Thilo Beu
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