Mit großem Selbstvertrauen eröffnete die Oper Dortmund am gestrigen Sonntag die Saison 2015/2016 mit Wagners TRISTAN UND ISOLDE. Und um es kurz zu fassen: Das Selbstvertrauen war berechtigt. Ein großer Wagnerabend in Dortmund !
Der Geschichtenerzähler
Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, meine Berichte und Kritiken über Opernaufführungen künftig mit denen zu beginnen, die das eigentliche Werk dem Komponisten getreu gestalten, den Musikern und Sängern/-innen.
Aber nach der gestrigen Tristan-Premiere ist es für mich äußerst schwierig, dies umzusetzen. Immerhin verfügt doch die Dortmunder Oper über hervorragende Wagnerdarsteller/-innen, denen neben ihren immens anspruchsvollen und komplexen Gesangspartien auch die gleichzeitige Vermittlung der Geschichte um Tristan und Isolde sehr bedeutsam und wichtig ist. Diese Bühnenkünstler treffen auf Jens- Daniel Herzog und seine Form der szenischen Umsetzung des Werkes. Wie sehr er selbst von dieser Sage emotional erfasst ist, ließ sich seinen eigenen Worten auf der anschließenden Premierenfeier überzeugend entnehmen.
Herzog hat eine Geschichte erzählt. Und er hat sie gut erzählt. Mehr kann ein Geschichtenerzähler nicht leisten. Eine Geschichte von einem sich findenden Liebespaar und seiner unglücklich glücklichen Liebe. Einer Liebe, die im Dunkel der Nacht ihre erfüllenden Höhepunkte findet und die bei Tag zerbricht. Denn der Tag zeigt dem Paar auch die Wirklichkeit aus der sie nur und unbeabsichtigt durch einen Liebestrank entrissen wurden. Bei Tag kann ihre Liebe nicht bestehen. Selbst nicht mit verbundenen Augen zum Schutz vor dem Tageslicht. Die sie umgebende Realität mit all ihren Konventionen, Unmenschlichkeiten und Zwängen lässt ein Glück nicht zu. Sie streben hin zu der ewigen Nacht, dem schützenden Dunkel, dem gemeinsamen Tod.
Nacht allenthalben – im Leben und im Tod.
Regisseur Herzog versetzte die Protagonisten und die Handlung in eine unwirtliche Umgebung, in der ein unbarmherziges Militärregime das Leben und Überleben bestimmte. Isolde soll dort dem Chef der Junta (König Marke) als Frau zugeführt werden. Auf dem Weg dorthin trifft sie auf Tristan, der hier als Militärangehöriger agiert. Keine Schiffe, keine Küsten von Kornwall, keine Hirten und Matrosen. Eine zu Beginn zugegebenermaßen befremdlich wirkende Kulisse zur Sage von Tristan und Isolde. Aber von Akt zu Akt doch immer schlüssiger herüberkommend und am Ende sogar überzeugend. Leider sahen das nicht alle Premierenbesucher so. Aber Herzog hat eines doch geschafft: dieses fast 5-Stunden-Werk mit so viel Dramatik und Spannung zu versehen, dass mir die Pausenzeiten länger vorkamen als die einzelnen Akte der Oper. Dabei hatte er ein Ensemble zur Hand, welches voll auf sein Konzept einzugehen vermochte und vermutlich sogar noch darüber hinaus. Das Bühnenbild (Bühne: Mathis Neidhardt / Kostüme: Sibylle Gädeke u. Agnes Langenbucher) mit seiner großen drehbaren Kulisse erschien wie ein Planet um den die zentralen Figuren der Tristan-Sage scheinbar endlos wie Satelliten kreisten . In ständiger Bewegung ohne festes Ziel. Besonders beeindruckend in der großen Tristan-Szene des dritten Akts.
Eine, wie ich finde, sehenswerte Inszenierung des Stückes. Mit brutalen, aber auch mitreißenden und fein gewebten Momenten gespickte Regie. Bestimmt auch kontrovers und zur weitergehenden Diskussion geeignet. Aber dies ist auch sicher im Sinne des Regisseurs. Reingehen und sich selbst sein eigenes Bild und Erleben machen.
Welch eine Musik! Welch Isolde!
Einstimmig bejubelt wurden zu recht die Dortmunder Philharmoniker und ihr GMD Gabriel Feltz. Es war Feltz‘ großer Wunsch diese Wagneroper in Dortmund einzustudieren. Und auch bei ihm, ähnlich wie bei Regisseur Herzog, war die Leidenschaft für dieses großartige Musikwerk mit jedem Takt spürbar. Feltz hat die wunderbaren Tristan-Motive ebenso fein herausgearbeitet wie er auch die Wagnerischen Klangtürme mit seinen Dortmunder Philharmonikern aus dem Graben erschaffen hat. Wieder mal eine große Leistung von Orchester und Dirigent.
Der Opernchor (Männerchor) der Oper Dortmund wieder sicher und präzise einstudiert vom neuen Chorchef Manuel Pujol.
Die Solisten auf der Bühne überzeugten durchweg. In den kleineren Rollen Blazej Grek als Steuermann und der Dortmunder Tenor Lucian Krasznec, der den jungen Seemann und den Hirt stilsicher und kultiviert gab.
Die Rolle des Melot wurde mit Gerardo Garciacano eindrucksvoll besetzt. Viel Applaus auch für ihn.
Martina Dike als Dortmunder Brangäne ist ein Glücksfall. Präsent von der ersten Minute an und sängerisch auf höchstem internationalen Niveau. Ihre „Habet acht“-Rufe im zweiten Akt hatten hohes Gänsehaut-Potential. Viele Bravorufe für eine großartige Leistung!
Sangmin Lee als Kurwenal und Karl-Heinz Lehner als König Marke, beide fest engagiert im Ensemble der Oper Dortmund, gaben ihren jeweiligen Rollen großes Profil. Gesanglich, als auch darstellerisch (großartig Sangmin Lee im dritten Akt!), absolut überzeugend und damit starke Säulen dieses Dortmunder Tristans. Besonders sei bei beiden die vorbildliche Textverständlichkeit lobend zu erwähnen.
Lance Ryan, als Gast der Oper Dortmund, gab den Tristan. Eine wahrlich mörderische Partie, die dem Tenor sehr viel abverlangt. Der kanadische Sänger kniete sich tief in diese Rolle und spielte und sang einen überzeugenden Tristan. Besonders gelang im dies in der großen Fieberwahn-Szene im dritten Akt. Hier hatte er besonders gute gesangliche Momente und Höhepunkte, wie auch im Duett mit Isolde („Sink hernieder…“) im zweiten Akt.
Die Britin Allison Oakes, gab ihr Dortmunder Isolde-Debüt. Jens Daniel Herzog sagte im Anschluss an die Premiere über die Dortmunder Gastsängerin, dass sie wohl auf dem besten Wege sei, eine der großen Isoldes unserer Zeit zu werden. Recht hat er!
Das, was Frau Oakes gestern auf der Bühne der Oper Dortmund geleistet hat, darf mit Fug und Recht als internationale Spitzenklasse bezeichnet werden. Wie sie ihren dramatischen Sopran in allen Lagen souverän einsetzt und führt, wie sie die dramatischen Spitzentöne setzt aber auch die innigen Momente der Partie förmlich durchlebt, machte sie zum Ereignis der gestrigen Premiere. Isoldes‘ Liebestod war einfach phänomenal! Verdienter Jubel und Bravochöre für diese außergewöhnlich exzellente Leistung als Isolde.
Fazit:
Wagneroper in Dortmund. Immer wieder ein Ereignis. Auch diesmal!
Immer wieder auch Stoff für Diskussionen und Meinungen. Auch diesmal!
Immer wieder zu empfehlen. Auch diesmal!
*Info:
Stückeseite des Theater Dortmund/Kartenvorverkauf
*Fotos:
Titelfoto: Allison Oakes als Isolde / Theater Dortmund-Opernhaus Dortmund/ Tristan und Isolde – Foto @ Thomas Jauk
alle weiteren Fotos Opernhaus Dortmund @ Fotograf Thomas Jauk