Mozarts Doppelkonzerte als „Musikalischer Dialog“ des Theater Orchester Biel Solothurn

Sinfonie Orchester Biel Solothurn/7. Sinfoniekonzert: Musikalische Dialoge
Foto: Sabine Burger

Schon zweimal hat DAS OPERNMAGAZIN über das Schweizer Städtebundtheater „Theater Orchester Biel Solothurn“ berichtet: Im Frühjahr 2019 über die Aufführung von Henry Purcells „Dido and Aeneas“ an der Spielstätte in Solothurn sowie über die kürzlich zur Premiere gebrachte Oper „Herzog Blaubarts Burg“ an der zweiten Spielstätte, dem Stadttheater Biel. Beide Werke haben es gemeinsam, mit wenigen Solisten auszukommen. Denn das markanteste Merkmal des TOBS (geläufige Kurzform für das Theater Orchester Biel Solothurn) ist, dass beide Häuser die mitunter kleinsten Theaterbauten mit regulärem Opernbetrieb der Schweizer Kulturlandschaft bilden. Die Bühnen, die Zuschauersäle und insbesondere die Orchestergräben fallen nicht üppig aus, und doch beweist sich das TOBS als wahres Kleinod. Denn das künstlerische Niveau in der szenischen, aber auch der musikalischen Umsetzung der Aufführungen überzeugt stets aufs Neue! (Konzert v. 11.3.2020 im Kongresshaus Biel

 

Wer den Klangkörper der Häuser, das Sinfonie Orchester Biel Solothurn, jedoch in voller Stärke erleben möchte – im Theater ist zumeist nur eine Kammerbesetzung der Musiker zu hören – dem seien die beiden Aufführungsstätten der Sinfoniekonzerte zu empfehlen: Dem im 19. Jahrhundert entstandenen Konzertsaal Solothurn oder dem 1966 erbauten Kongresshaus Biel, ein Mehrzweckgebäude mit integriertem Schwimmbad und Bürokomplex. DAS OPERNMAGAZIN wurde wenige Tage nach der Aufführung von Herzog Blaubarts Burg erneut nach Biel eingeladen, diesmal zum Siebten Sinfoniekonzert unter dem Titel „Musikalische Dialoge“.

Sinfonie Orchester Biel Solothurn/7. Sinfoniekonzert: Musikalische Dialoge
Foto: Sabine Burger

Im Mittelpunkt des opulenten Programms vom 11. März 2020 stand Wolfgang Amadeus Mozart mit gleich drei seiner Doppelkonzerte. Insgesamt sechs unterschiedliche Solisten wurden hierfür engagiert, für jedes Konzert zwei Solo-Musiker: 4x Violine, 1x Klavier und 1x Bratsche! Der Konzertdirektor und Dirigent Kaspar Zehnder hielt persönlich die Einführung und begrüßte seine Zuhörer mit einem Zitat des österreichischen Liedermachers Georg Kreisler „Die Bösen werden gut und die Kranken gesunden, besonders bei Mozart und Bach“. Denn während an diesen Tagen die Schreckensnachrichten der Nachbarländer eintrudelten, die Theater- und Konzerthäuser werden aufgrund des Coronavirus auf unbestimmte Zeit schließen, durfte der Konzertbetrieb in der Schweiz noch für einige wenige Tage unter strengen Auflagen weiterlaufen. Und so war an diesem Abend unter den Musikern, aber auch im Publikum eine gewisse Anspannung spürbar, die das Zusammenspiel des Orchesters beeinflusste und die Künstler zu neuer Musikalität beflügeln ließ. Schließlich hat sich jeder im Saal gefragt, ob die „Musikalischen Dialoge“ das vorerst letzte Sinfoniekonzert gewesen sein werden und was denn nun die Zukunft bringen wird.

Es war eventuell auch der Abschluss einer intensiven Probezeit, die Konzertreihe wurde zeitgleich auf CD eingespielt, die neben den gesellschaftlichen Umständen die musikalische Qualität definierte. Die Künstler bildeten in diesem Sinfoniekonzert eine Gemeinschaft, wie man sie andernorts nur selten erleben darf. Sie alle waren sich um den Moment bewusst, zeigten keinerlei Allüren und standen gleichermaßen in einer Reihe miteinander im Mittelpunkt. Schließlich gab es sich nichts mehr gegeneinander zu beweisen – jeder Musiker im Saal, ob solistisch oder im Tutti, mochte an diesem Abend nur noch eines: Musizieren, womöglich ein letztes gemeinsames Mal!

Sinfonie Orchester Biel Solothurn/7. Sinfoniekonzert: Musikalische Dialoge
Foto: Sabine Burger

Die Ergebnisse waren überragend, speziell die vier unterschiedlichen Solo-Violinist*innen zeigten deutlich, wie differenziert und konträr sich Mozarts Musik interpretieren lässt. Jeder Musiker, jede Musikerin fand seinen und ihren ganz eigenen Klang auf der Violine und phrasierte nach persönlicher Auffassung. Dabei wirkte trotzdem jedes Doppelkonzert in sich gleichsam absolut – gerade so, als könne es gar keine andere musikalische Interpretation geben, als jene sich in diesem Moment vom Podest im Einklang mit dem Orchester ergebende Empfindung. Besonders auffallend auch, dass die Konzertmeisterin des TOBS, Vladyslava Luchenko, nach ihrer solistischen Kür im ersten Teil wie selbstverständlich für den weiteren Verlauf des Konzerts an ihrem Pult der Violine in Mitten des Orchesters Platz nahm und einfach weiterspielte.

Das beglückte Publikum war dankbar, unter der Leitung ihres geliebten Musikdirektors Kaspar Zehnder noch einmal klassische Musik einatmen zu dürfen. Und wir sind uns sicher, an diesem Abend hat sich die gesundheitsfördernde Wirkung der Musik Mozarts auf das Gemüt der Zuhörer in Biel übertragen!

Bei Wiederaufnahme des Spielbetriebs der europäischen Konzert- und Opernhäuser wird DAS OPERNMAGAZIN sicherlich auch noch von der der vierten Spielstätte des TOBS, dem Konzerthaus in Solothurn berichten. Bis die CD-Aufnahme dieser „Musikalischen Dialoge“ im Herbst 2020 im Label Outhere Music erscheinen wird, wünschen wir unseren Leserinnen und Lesern, sowie dem TOBS alles erdenklich Gute!

 

Sinfonie Orchester Biel Solothurn

Franz Ignaz Beck
Ouverture «L’isle déserte»

Joseph Haydn
Adagio aus der Sinfonie Nr. 98 B-Dur

Wolfgang Amadeus Mozart
Concertone für zwei Violinen und Orchester in C-Dur KV 190
Doppelkonzert für Violine und Klavier in D-Dur KV 315f (KV Anh. 56)
Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester in Es-Dur KV 364

 

Musikalische Leitung
Kaspar Zehnder

Violine
Augustin Dumay
Lorenzo Gatto
Vladyslava Luchenko
Jane Cho

Viola
Miguel da Silva

Klavier
Frank Braley

 

  • Konzertrezension von Phillip Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • TOBS
  • Titelfoto: Sinfonie Orchester Biel Solothurn/7. Sinfoniekonzert: Musikalische Dialoge
    Foto: Sabine Burger
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