„Und doch fühlt es sich an, als würde ich nach Hause kommen“, schreibt der Theater- und Opernregisseur Robert Wilson im Programmbuch der Mozartwoche 2020 zu seiner Messias-Inszenierung. Es sind über 20 Jahre vergangen seit Wilson zuletzt in Salzburg inszeniert hatte, „Pelleas et Melisande“ (1997) und „Dantons Tod“ (1998) – beides waren Produktionen in der Ära des legendären Festspiel-Intendanten Gerard Mortier. Robert Wilson gehörte zu Mortiers Hausregisseuren, auch später in Paris an der Opera National. Nun inszeniert er ein Oratorium, ein Stück das aus Bibelstellen besteht, jedoch keine fortlaufende Handlung aufweist. (Besuchte Vorstellung am 23.1.2020)
Ideal für Robert Wilson, der nun Bilder zur Musik erfinden kann, ohne auf eine Handlung Rücksicht zu nehmen. Es wird ein Bildertheater, das die sehr große Bühne im Haus für Mozart füllt – mit Licht und leerem Raum, nur ein paar Gestalten (die Sänger und der Chor) darin. Schwarze Balken hängen einmal kurz im leeren Raum. Dass Licht Raum schafft, hat Wilson oft bei seinen Einführungsvorträgen betont. Hier hat sein Licht genügend Raum – auf kleinen Bühnen (z.B. der Bühne des Berliner Ensembles) ist das nicht immer der Fall. Dort hatte man oft das Gefühl, dass Wilsons Szenerie, durch die fehlende Dimension der Abmessungen, eingeengt wird. Die leere, eisig Blau ausgeleuchtete Bühne sehen die Zuschauer bereits beim Betreten des Saals. Sie wird fleißig fotographiert.
Am Ende des ersten Teils wird dort, an der Bühnenrampe, eine Puppe ohne Kopf im weißen Anzug sitzen, ein kleiner Stehtisch dahinter. Es gibt keine Botschaft, es gibt keinen Zwang die Bilder interpretieren zu müssen. Das ist gut so, eine Botschaft, oder die Agenda eines Regisseurs, hätten bei „Der Messias“ nur gestört. Robert Wilson liebt seit einigen Jahren die eisigen Blautöne und ihre unterschiedlichen Schattierungen; die Nuancen des Blaus verändern sich ständig. Das war in einer ähnlichen Perfektion zuletzt bei MARY SAID in Wien zu sehen (Festwochen 2019). Die Schönheit von Wilsons Bildern stört jedoch niemals die Musik, sie läßt der Musik den Vortritt.
Die Mozartwoche 2020 beginnt also mit Händels „Der Messias“ (mit deutschem Text) in der Bearbeitung von Mozart aus dem Jahr 1789. Mozart hatte Blasinstrumente hinzugefügt, Flöten, Oboen, Klarinetten und Hörner. Die einzelnen von Mozart veränderten Stellen kann man ganz präzise bei Wikipedia nachlesen. Hochgerechnet auf die gesamte Aufführungsdauer, sind es wenige Veränderungen. Im großen Auditorium spielen der souveräne und stets freundlich wirkende Marc Minkowski und die Les Musiciens Du Louvre. Minkowski hatte die Mozartwoche einige Jahre geleitet, ist kein Unbekannter hier. Von den Sängern stechen vor allem Wiebke Lehmkuhl (Alt) und der Tenor Richard Croft hervor. Gerade Lehmkuhl und ihre dunkle Stimme passen zu den eisigen Welten von Robert Wilson .
Am Ende gibt es viel und langen Applaus für alle – Regisseur, Dirigent, Solisten und auch der Chor werden gefeiert. Das Publikum mag Wilson und Minkowski. Robert Wilson stellt seine Bühnenbildskizzen parallel zur Mozartwoche in einer Salzburger Galerie aus. Diese Inszenierung wird bei den Salzburger Festspielen im Sommer wiederaufgenommen (24.07.).
- Rezension von Josef Fromholzer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Mozartwoche 2020 / Stückeseite
- Titelfoto: Mozartwoche 2020/MESSIAS/Foto @ Lucie Jansch