Klassik in der Kirche – Beethoven in Bonn feiern!

Aris Arigirs und Peter Bortfeldt

Der Gottesdienst in der Pauluskirche in Bonn-Friesdorf steht unter dem Motto: „Seid geduldig und stärkt Eure Herzen, denn das Kommen Gottes ist nah“, denn es ist der 6. Dezember 2020, der zweite Adventssonntag. Bariton Aris Argiris und Pianist Peter Bortfeldt tragen zwei Lieder Beethovens und seine „Grande Sonate pathétique“ op. 13 bei.

 

Torsten Schreiber, künstlerischer Leiter der Bonner Johannes-Wasmuth-Gesellschaft, hat ein Projekt initiiert, bei dem Künstler*innen, deren Auftritte beim Beethovenfest 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurden, im Rahmen eines Gottesdienstes in einer Kirche auftreten.

Aktuell sind die Kirchen die einzigen Orte, an denen Künstlerinnen und Künstler im Rahmen eines Gottesdienstes auftreten können. Anlass für ein besonderes Projekt der Kooperation aus Verantwortung füreinander und unter den gebotenen Schutzbestimmungen in dieser so anderen Zeit.

‚Klassik in der Kirche – Beethoven in Bonn feiern‘ heißt das kurzfristig konzipierte Projekt. Initiator ist der Intendant der Beethoven Academy und Künstlerischer Leiter der Johannes-Wasmuth-Gesellschaft Torsten Schreiber: ‚Die Kirchen dürfen auch im Lockdown weiter Gottesdienste abhalten, deshalb bringen wir nun Musikerinnen und Musiker in die Kirchen. Sie können im Gottesdienst musizieren und dort auch ein Stück den Gemeindegesang, der aktuell nicht zulässig ist, ersetzen, und werden honoriert.‘

So kann der größte Sohn der Stadt an seinem 250. Geburtstag mit live gespielter Musik immerhin ein wenig gewürdigt und gefeiert werden,“ so wirbt die Johannes-Wasmuth-Gesellschaft um Spenden für einen der geplanten Auftritte.

Auch der Evangelische Kirchenkreis Bonn unterstützt dieses Projekt. „Gerade in diesen Zeiten, in denen Konzerte untersagt sind, sehe ich uns Kirchen auch als Kulturträgerinnen in der besonderen Verantwortung, dass sich die Gemeinden in der Geburtsregion von Beethoven umso mehr zur Heimat für klassische Musik und deren Ausübende machen“, erklärt Pfarrer Joachim Gerhardt. Am Sonntag, dem 6.12.2020 wurden neben der Pauluskirche zwei weitere Gemeinden bespielt (Ani Ter Martyrosian in der Trinitatiskirche und Luisa Imorde im der Lutherkirche), am 13.12.2020 spielt Kai Schumacher in der Trinitatiskirche, und für den 20.12.2020 ist ein weiterer Gottesdienst in Planung mit Ragna Schirmer und Benedict Klöckner.

Aufgrund einer Zeitungsmeldung im Bonner Generalanzeiger aufmerksam geworden entschließe ich mich, zusammen mit einer Freundin am Gottesdienst zum 2. Advent in der Pauluskirche in Bad Godesberg-Friesdorf teilzunehmen. Aris Argiris und Peter Bortfeldt, deren Liederabend „Der griechische Schubert“ am 5. November 2020 ausfallen musste, sind an der Gestaltung beteiligt.

Ein Anruf bei der Kirchengemeinde ergibt die Auskunft: nein, man müsse sich nicht anmelden, bisher hätten die 70 ausgewiesenen Plätze immer gereicht. Man solle halt etwas früher kommen.

Die Pauluskirche ist eine moderne Kirche, 1960 eingeweiht, ein nüchterner karger Bau mit einer Empore und locker platzierten Doppel- und Einzelplätzen. Am Eingang muss man die Hände desinfizieren und sich anmelden. Bei Beginn des Gottesdienstes sind immer noch ein paar Plätze frei. Orgel (Angelika Buch) und Schola eröffnen den Gottesdienst mit dem Adventslied: „Macht hoch die Tür“, mit einer dezenten zweiten Stimme der Männerstimmen. Anschließend begrüßt Pfarrer Dr. Jochen Flebbe die Gemeinde und kündigt das Musikprogramm an: Unter dem Titel „Klassik in der Kirche – 250 Jahre Ludwig van Beethoven“ gebe es Beethovens „Grande Sonate pathétique“ op. 13 und zwei Lieder aus seinem op. 48, nämlich „Bitten“ op. 48, Nr. 1 und „Die Ehre Gottes aus der Natur“ op. 48, Nr. 4, auf Texte von Chr. F. Gellert.

Studio/Aris Argiris u. Peter Bortfeldt (Aufnahme aus März 2020)

Aris Argiris, Bariton, mit Peter Bortfeldt am Klavier, füllt mit seiner vollen Stimme den ganzen Raum. Auch in der kleinen Form des Kunstlieds in dieser perfekten Interpretation durch einen professionellen Liedsänger wird Beethovens tiefe Religiosität spürbar. „Vernimm mein Flehn, merk auf mein Wort; Denn ich will vor dir beten!“ – damit ist man in der richtigen Verfassung für einen Adventsgottesdienst.

Es folgen Lesung aus Jesaja und Jakobus, der eine enttäuscht und hadernd, der andere optimistisch,  Halleluja und Glaubensbekenntnis.

Eigentlich wäre jetzt Zeit für Gesang der Gemeinde, der aber verboten ist. Stattdessen folgt der erste Satz der „Pathétique“, Grave – Allegro di molto e con brio, von Peter Bortfeldt auf einem Konzertflügel gespielt. Diese Sonate entstand, als Beethoven die ersten Anzeichen seiner Taubheit spürte. Der erste Satz drückt das Hadern mit seinem Schicksal und den trotzigen Entschluss, sich diesem Schicksal zu stellen, aus.

In der Predigt stellt Pfarrer Dr. Jochen Flebbe mit Reflektionen über Geduld und Ungeduld den Zusammenhang zwischen der Hoffnung des Volkes auf den Erlöser, der immer kälter werdenden dunklen Jahreszeit und unserer Hoffnung auf ein Ende der Pandemie her und nutzt die Metapher vom blühenden Dornbusch um zu verkünden, dass Gott uns nicht im Stich lässt, es könne allerdings sein, dass seine Hilfe anders ausfällt als wir es erwarten. Die Menschen hätten vor Christi Geburt auf einen Heroen gehofft, es sei aber “nur rein Baby gekommen”.

Es folgt der zweite Satz der „Pathétique“, Adagio cantabile, ein liedhafter langsamer Satz, in den die Sehnsucht nach Erlösung hinein interpretiert werden kann.

Der Pfarrer bittet um Spenden für die Kollekte, die bestimmt ist für „Brot für die Welt“ und für ein evangelisches Glaubenswerk, und mahnt die Gläubigen, sich rechtzeitig für einen der angesetzten Weihnachtsgottesdienste anzumelden.

Das Lied der Schola „Maria durch ein Dornwald ging“ mehrstimmig gesungen, Fürbitten, Vaterunser und Segen folgen.

Aris Argiris u. Peter Bortfeldt

Zum Abschluss der dritte Satz der „Pathétique“ Rondo Allegro – er nimmt sein Schicksal an, aber es wird nicht leicht. Peter Bortfeld ist offensichtlich in seinem Element. Er hat die Noten zwar auf einem Tablet dabei, aber kann das Werk mit den extremen Sprüngen und intensiven Gefühlsschwankungen aber grundsätzlich auswendig. „Das ist unser täglich Brot,“ merkt er an.

Torsten Schreiber, mit dem ich nach dem Konzert ein paar Worte wechsle, berichtet, dass das Projekt ein voller Erfolg sei und  in den Januar 2021 verlängert wird. Auf meine Frage, wie er auf die Idee gekommen sei, antwortete er: „Auslöser war die Bemerkung von Steven Walter (designierter Intendant des Beethovenfests), man könne jetzt eigentlich nur noch in Kirchen Musik machen. Ich als‚gelernter Protestant‘ dachte da sofort an die Kirchengemeinden in Bonn.“

Ich war selten von einem Gottesdienst so ergriffen, denn in seiner Konzentration auf die wesentlichen Gedanken und die hochkarätigen musikalischen Beiträge der Schola, der Organistin und der beiden Künstler, die man sonst nur in Konzertsälen und in der Oper erlebt, diente letzten Endes alles dazu, den Gläubigen die Adventsbotschaft zu vermitteln. Beethovens Musik ist eigentlich immer von einer optimistischen Grunderwartung geprägt, auch wenn man manchmal schwere Prüfungen bewältigen muss.

Kirchengemeinden aller Konfessionen aus Bonn und der Region, die gerne teilnehmen möchten, können sich auch kurzfristig melden, damit ihnen bei der Vermittlung von Künstlerinnen und Künstlern geholfen werden kann.

Nähere Informationen gibt die 2. Vorsitzende der Wasmuth-Gesellschaft, Susanne Gundelach, susanne@gundelach-bonn.de,  Tel 0228 / 95 22 80

Hier gehts zur Website der Wasmuthgesellschaft.

 

  • Artikel von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN 

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