
Diesmal kehrt die Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg zurück zu ihren Wurzeln: sie präsentiert in ihrem Divertissementchen „De kölsche Fledermaus“. Man muss nicht gendern, denn die rund 100 Sänger und 13 Tänzer sind alle Mitglieder des traditionsreichen Kölner Männer-Gesangvereins, die Sprache ist Kölsch. Seit 1874, dem Jahr der Premiere der „Fledermaus“, gibt es diese Kultveranstaltung der Spielvereinigung „Cäcilia Wolkenburg“ mit Männern in Frauenrollen und Männerballett im Kölner Opernhaus. Es ist ein Format zwischen Musical, Kabarett und Revue, bei dem das überwiegend kostümierte Publikum begeistert mitsingt und klatscht. (Besuchte Vorstellung: 12. Februar 2025)
Der Entstehungsmythos der „Fledermaus“ wird von Emma Frosch (Simon Wendring), der Gefängniswärterin, im 5. Akt erzählt. Eigentlich sei „Die Fledermaus“ eine Idee des Kölner Komponisten Jacques Offenbach gewesen, der habe das Libretto mit Johann Strauss besprochen, aber dann habe Johann Strauss die Handlung in einen Vorort von Wien verlegt und „Die Fledermaus“ vertont. Allerdings hat Strauss die Handlung gestrafft und die Zahl der Personen deutlich reduziert. So kommt bei Johann Strauss weder das Festkomitee Kölner Karneval noch das Dreigestirn aus Prinz, Bauer und Jungfrau vor, und auch die Schwadschnüsse vun Düx sucht man bei Johann Strauss vergebens. In der von den Autoren Lajos Wenzel (Regie und Buch), Johannes Fromm und Manfred Schreier (Liedtexte) und Thomas Guthoff (Musik und Arrangements) revidierten kölschen Fassung, die man in die 1920-er Jahre verlegt hat, wird der Konflikt zwischen Mätes I., Prinz Karneval (Rainer Wittig) und Anton Adler (Jürgen Nimptsch) Mätes´ Freund endlich sauber erklärt: Anton Adler ist Düsseldorfer (!) und hat seinen Freund Mätes an Weiberfastnacht zum gemeinsamen Trinken verführt, weil sie nach Karneval beide ihre Mädels heiraten wollen. Mätes wird zufällig von einem Sensationsreporter im volltrunkenen Zustand im Fledermauskostüm fotografiert, und das gänzlich humorlose Festkomitee Kölner Karneval mit Christian Manthe als Präsident erkennt ihm am Karnevalsfreitag die Prinzenwürde ab, weil er gegen das Abstinenzgebot für auftretende Karnevalisten verstoßen hat. Diese Schmach rächen ein Jahr später die Düxer Schwadschnüsse unter der Führung von Emma (Simon Wendring) und Amalia Frosch (Wolfgang Semrau) in einem äußerst raffiniert eingefädelten Plot, der exakt dem der „Rache der Fledermaus“ von Johann Strauss nachempfunden ist und bei dem ein Fledermaus-Kostüm eine tragende Rolle spielt.
Arrangeur Thomas Guthoff hat die Musik der „Fledermaus“ mit Karnevalsschlagern und Evergreens wie Karel Gotts „Maja“ oder Kasallas Song „Dat Beste an mir bes du“ angereichert und so ziemlich alle Hits aus dieser erfolgreichsten Operette aller Zeiten als Zitate angerissen oder mit kölschen Texten neu unterlegt. Für eine „Fledermaus“ von Johann Strauss braucht es nur neun Gesangssolist*innen, einen sehr guten Komiker als Frosch, ein Ballett und einen Chor. „De kölsche Fledermaus“ dagegen hat allein circa 60 Solo-Partien, darunter ein Krokodil. Hat da jemand den Castorf-Ring in Bayreuth gesehen, oder ist das, weil die Schöne, die Anton Adler sein Ührchen abluchst, im ägyptischen Kostüm erschien? Das Ballett dazu trug goldene ägyptische Gewänder und tanzte zu dem Höhner-Hit „Die Karawane zieht weiter“ mit dem selten gehörten Vorspiel. Der Song „Schnappi, das Krokodil“ passte in seiner genialen Schlichtheit und hatte die Lacher auf seiner Seite. Durch solche Stilbrüche entsteht eine musikalisch anspruchsvolle Mischung aus Musical, Kabarett und Tanzrevue mit den Bergischen Symphonikern und Westwood Slickers als Orchester hinter der Bühne. Es gibt Übertitel, bei denen die kölschen Liedtexte zum Mitsingen eingeblendet werden, und dezente Headsets, die Gesang und Sprache genau über dem entsprechenden Darsteller übertragen. Das Publikum besteht überwiegend aus Karnevalsjecken, zum Teil in Ornaten von Kölner Karnevalsgesellschaften, und singt bei den Karnevalshits begeistert mit.

Eine tragende Rolle spielt beim Divertissementchen das 13-köpfige Männerballett, das mit der Grazie, aber auch mit der Disziplin reifer Männer mit fantasievollen Kostümen, zum Beispiel als Ballerinen in Tutus, Fledermäuse und als ägyptische Tempeltänzerinnen beeindruckende Choreografien (Jens Hermes und Judith Bachmann) aufs Parkett legt. Beeindruckend auch die Maske von Beatrix Abt und Johanna Nagel, die die Darsteller mit angeklebten Wimpern und typgerechten Perücken um 20 bis 30 Jahre jünger aussehen lässt.
Die authentischsten Typen sind Baas Simon Wendring als Emma Frosch, Gefängniswärterin, Jürgen Nimptsch als Anton Adler, Dirk Pütz als Rosa, alias Rosalinde, seine Frau, Rainer Wittig als Mätes I, Prinz Karneval, mit einem echten Prinzenornat, Manuel Anastasi, mit Dienstmädchenoutfit als Kätchen, alias Adele, und Joachim Sommerfeld als Gefängnisdirektor. Olaf, Erbe eines Schokoladenfabrikanten, alias Orlofski, wird von Jan Faßbender gespielt. Heinz Werner Hartlieb als Ludwig alias Tenor Alfred hat zwar nicht viel zu singen, sieht aber aus wie der bekannte 99-jährige Karnevalssänger Ludwig Sebus, und das in Unterwäsche mit Strumpfhaltern.
Sehr überlegt war das Bühnenbild von Tom Grasshof, das vier verschiedene Spielorte – Deutzer Rheinufer als Bühnenprospekt mit Köln-Panorama im Hintergrund, die Wohnung des Mätes, das Revuetheater und schließlich das Gefängnis in eleganten Übergängen ohne Umbaupausen zeigte.

Die Karten für die 30 Vorstellungen mit je 1.000 Plätzen waren schon lange vor der Premiere ausverkauft. Der Kölner Männer-Gesangverein, bei dem alle Darsteller ehrenamtlich auftreten, ist mit dieser Produktion ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen, das einen Teil der Kartenverkaufserlöse an die Oper abführt, wie uns der Baas (Vorsitzender der Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg) Simon Wendring erzählte. Die Pflege der kölschen Sprache, die Begeisterung für den Gesang und die Verkleidung im Divertissementchen und groß besetzte Konzerte in der Kölner Philharmonie, aber auch auf Gastspielen, 2025 Hamburg und in Wien, sind das, was den Kölner Männergesangverein ausmacht. Diese Freude am Gesang und an der Verkleidung teilt sich dem Publikum ungebrochen mit.
Am Ende sind alle versöhnt, der Champagner hat´s verschuldet, vielleicht auch das Kölsch, oder, wie im Schusslied, der Nubbel war´s, der in Köln am Karnevalsdienstag feierlich verbrannt wird als kölscher Vertreter der Wintergeister. Und das Publikum geht beglückt und zufrieden nach Hause. Mittlerweile gibt es ein Frühwarnsystem, damit man den Beginn des Vorverkaufs nicht verpasst: https://divertissementchen.de/spielzeit-2025/
„De kölsche Fledermaus“ wird vom WDR 3 aufgezeichnet und am Karnevalssamstag, dem 1.3.2025 um 11.00 Uhr im WDR-Fernsehen in einer Kurzfassung von 90 Minuten gesendet. Sie ist dann danach 12 Monate lang in der ARD Mediathek verfügbar.
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Köln / Stückeseite
- Titelfoto: Divertissementchen 2025/Kölsche Fledermaus/Foto © Stefanie Althoff