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Rezension der Wiederaufnahme am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden der Oper KATJA KABANOVA vom 7. April 2018
Die Freunde des Komponisten von Léos Janacek kommen derzeit in Hessen auf ihre Kosten. Darmstadt setzt seinen Zyklus mit Werken des Komponisten mit der „Sache Makropoulos“ fort, Frankfurt brachte soeben „Aus einem Totenhaus“ heraus, Kassel eine Jenufa und das Hessische Staatstheater Wiesbaden hat nun „Katja Kabanowa“ als Wiederaufnahme neu einstudiert.
Eine gute und zugleich mutige Entscheidung. Denn auch Janacek wirkt in Deutschlands Opernhäusern eher wie „Kassengift“, so
dass der große Publikumszuspruch meistens ausbleibt. Ich kenne es hingegen auch anders. Gute besuchte Vorstellungen, wie z.B. die jüngst deutsch gesungene „Jenufa“ in Darmstadt. Allerdings agierten früher Opernhäuser weniger dogmatisch im Umgang mit der Originalsprache. Und gerade bei Janacek, der so sehr den Wort-/Tonbezug in den Mittelpunkt stellt, sollten seine Werke in der jeweiligen Landessprache aufgeführt werden. Zu Lebzeiten setzte sich Dirigent Rafael Kubelik vehement dafür ein, dass ein Publikum den Text fühlt und versteht, daher auch sein Plädoyer für die Aufführung in der Landessprache.
Wiesbadens „Katja Kabanowa“ in der Originalsprache und in der Inszenierung von Matthew Wild betont die destruktiven Lebensumstände seiner Protagonisten. Die Handlung wurde aktualisiert. Der Zuschauer blickt auf eine abstoßend hässliche Plattenbausiedlung (Ausstattung: Susanne Füller, Matthias Schaller). Eine triste Bushaltestelle, ein Gulli und ein kleiner Spielplatz sind die einzigen Zufluchtsalternativen in dieser visuellen Misere. Kein Wunder also, dass Katja da raus will. In der Anonymität dieser Siedlung verbirgt sich manches Geheimnis, surreal wirkende Teufelsgestalten tauchen auf und verschwinden. Ständig beobachten Nachbarn das Geschehen aus dem Fenster. Sehr kunstvolle, kreative Videoprojektionen zeigen Kaja immer wieder unter Wasser. Interessant die Sicht mit dem gar nicht so duckmäuserischen Muttersöhnchen Tichon, der hier als versteckt agierender Homosexueller gezeigt wird, der sich heimlich mit seinem Liebhaber zum Stelldichein trifft. Die Interaktion zwischen den Personen wirkt ungemein schlüssig und sensibel aus der Musik heraus entwickelt. In der all der Ödnis schafft Wild immer wieder auch Bildwirkungen, die die Realität auflösen und ins Surreal-Poetische überhöhen.
In den Gesangspartien agierte weitgehend die Premierenbesetzung. Und diese Besetzung war derart hochwertig und homogen, wie es selten anderswo der Fall sein dürfte! Sehr erfreulich war die Steigerung aller Beteiligten und das ungemein hohe Niveau dieser Besetzung. Das Staatstheater Wiesbaden hat in dieser Saison bei diesem Stück alle Trümpfe auf der Hand!
In der Titelpartie war wieder Sabina Cvilak zu hören. Nach wie vor ist die Katja ihre überzeugendste Leistung in Wiesbaden und noch dazu deutlich verbessert. Sehr gut passt das eher herbe Timbre zu den Qualen der Katja. Ungewöhnlich aufblühend diesmal der Stimmklang auch im Höhenregister. Verschwunden waren die kehligen Eintrübungen, die bei ihr früher gelegentlich auftraten. Cvilak geht in ihrem Charakter weit auf und verschmilzt mit diesem, so dass der Zuschauer nur an Katja und nicht an die Interpretin denken mag. So ist es auch zu begrüßen, dass Intendant Laufenberg Cvilak in der kommenden Saison in einer längst überfälligen Jenufa-Neu-Produktion mit der Titelpartie betraut.
Ein Wiedersehen gab es nach langer Abwesenheit mit Wiesbadens einstigem Publikumsliebling Nadine Secunde nun in ihrem Rollendebüt der alten Kabanicha. Secunde, in den 1980ziger Jahren, eine wunderbare Katja in Hamburg in der Inszenierung von Sir Peter Ustinov, zeigte eine nach wie vor intakte Stimme. Nun etwas nachgedunkelt, aber noch voller Energie. Da gab es keinen abgesungen klingenden Ton, lediglich deutliche Akzente. Allein aus dieser stimmlichen Präsenz wirkte sie als Figur überzeugend. Diese Kabanicha war keine zänkische Alte, sondern eine kühl agierende Strategin, die ihre Umgebung genüsslich manipuliert. An ihrer Seite war der bewährte Wolf Matthias Friedrich als schroffer Dikoj zu erleben. Friedrich wirkte deutlich bedrohlicher und hat seine Partie um viele Nuancen erweitert.
Ebenso kraftvoll und zupackend zeigte sich Tenor Aaron Cawley als Tichon.
Hervorragend in Stimme und Spiel Mirko Roschkowski, der seinen Boris in geradezu perfekter Weise gestaltete. Ein schöne Stimme mit viel Schmelz, superber Phrasierung…eine Idealbesetzung!
Stimmfrisch und überzeugend das zweite Liebespaar in der Gestalt von Silvia Hauer als Warwara und neu Joel Scott als Kudrijasch. Voller Elan mit viel Stimme, differenziert im Ausdruck und unermüdlichem spielerischem Engagement wertete er seine Partie deutlich auf.
Ein Ereignis war hingegen, was Orchester und Dirigent boten! Ein ganz andere Lesart als sein Vorgänger präsentierte Gastdirigent Philipp Pointner mit dem Staatsorchester Wiesbaden. Vermied der Premierendirigent Zsolt Hamar jegliche Schärfe und Härte, so betonte Pointner mit dem fabelhaft mitgehenden Orchester gerade jene Schroffheiten und Schmerzenstöne, von denen es in der Partitur nur so wimmelt.
Bereits in den ersten Sekunden des Vorspiels war offensichtlich, dass es ein besonderer Abend sein würde. Wie aus dem Nichts blendeteten sich die sauber intonierenden Streicher ein. Kantig und pointiert ertönte das unheilvolle Gewittermotiv in der Pauke, kontrastiert von den elegisch intonierenden Holzbläsern und den sehrenden Steicherklängen. Das Orchester und sein befeuernder Dirigent verschmolzen zu einer überzeugenden Einheit mit Seltenheitswert. Die Klangschönheit des Orchesterklanges war von bestechender Intensität, wie in Wiesbaden lange nicht. Ein in jeglicher Hinsicht überzeugendes Dirigat! Orchester und Dirigent applaudierten sich herzlich am Ende der Vorstellung zu.
Das leider eher spärliche Publikum verfolgte hoch konzentriert diesen unvergesslichen Abend und feierte ausdauernd alle Mitwirkenden.
Unbedingt hingehen!
- Gastartikel von Dirk Schauß / Der Opernfreund
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- Titelfoto: Sabina Cvilak, Aaron Cawley /
Foto: Paul Leclaire