„Hello Again“- die ersten Meistersinger an der wiedereröffneten Staatsoper Berlin in überraschender Besetzung

Staatsoper Berlin /DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG/ Foto @ Bernd Uhlig

Zur 25-jährigen deutschen Wiedervereinigung sollten 2015 die neuen „Meistersinger von Nürnberg“ in der Regie von Andrea Moses die sanierte Berliner Staatsoper wiedereröffnen. Aus der feierlichen Eröffnung wurde nichts: Verzögerungen im Bauablauf. Die Premiere wurde daher in der Ausweichspielstätte im Schillertheater gefeiert. In der sanierten Staatsoper wurde das Dach aus akustischen Gründen für eine verfeinerte Nachhallzeit eigens um vier Meter angehoben. Der Umbau hat sich gelohnt, Chor, Sänger und Orchester erklangen 2019 in der ersten Wiederaufnahme der Meistersinger wuchtig opulent und gleichermaßen fein differenziert kammermusikalisch. Eine bessere Akustik als „Unter den Linden“ wird es für die großen Opern Richard Wagners außerhalb von Bayreuth kein zweites Mal geben.(Rezension der Vorstellung vom 14.4.2019)

 

Der Intendant Matthias Schulz betrat zu Beginn der Aufführung die Bühne, der geplante Tenor des Abends für die Hauptrolle, Walther von Stolzing, sei leider erkrankt. Kurzfristig habe man stattdessen Klaus Florian Vogt zu einem Auftritt überreden können, er kannte die Inszenierung noch aus der Premierenserie! Das überraschte Publikum begrüßte die Besetzungsänderung mit spontanen Jubelrufen und tosendem Applaus. Weltweit haben die wichtigsten Produktionen der Meistersinger eben jenen Klaus Florian Vogt an ihrer Spitze. Walther ist durch und durch seine Rolle, er gilt als erfolgreichster Stolzing dieses Jahrzehnts. Am Vortag sang der Startenor noch die Premiere der neuen Meistersinger in Salzburg, jettete daraufhin kurzfristig nach Berlin um dort die Wiederaufnahme an der Staatsoper zu retten. Vogt sang mit einer Frische und Leichtigkeit, als käme er gerade von einem Wanderurlaub aus den Bergen. Seine Stärken liegen in der Höhe, vollkommen mühelos erklang das Preislied, leicht und hell schwebte seine Stimme über das Orchester hinweg.

Der Bass Matti Salminen, mittlerweile Mitte 70, verabschiedete sich schon mehrmals von seinem Berliner Opernpublikum. „Hello again, ich sag einfach hello again“, da auch der Pogner dieser Produktion kurzfristig absagte, war es für Salminen Ehrensache, einmal erneut auf die Opernbühne zurückzukehren. Der wohl schwärzeste Bass seit Gottlob Frick sang auch im hohen Alter von markerschütternder Intensität. Auch wenn seine Diktion stellenweise unverständlich klang – welch eine Autorität, welch eine Kraft!

Staatsoper Berlin /DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG/ Foto @ Bernd Uhlig

Matti Salminen bot einen eindrücklichen Kontrast zum hellen Timbre des Baritons Wolfgang Koch, dem Hans Sachs an diesem Abend. Koch ist ein vielbeschäftigter Wagnersänger und auf vielen Besetzungslisten aktueller Produktionen zu entdecken. Er ist stets ein Garant für solide sängerische Leistung. Den Fliedermonolog, eine der ruhigen Szenen der Oper, intonierte er durch wunderbares, feinfühliges Legato, in den kraftvolleren Passagen geriet seine Stimme jedoch zunehmend an ihre Grenzen.

Manch ein Zuschauer wurde mit Blick auf die Besetzungsliste überrascht. Die zahlreichen kleinen Rollen der Meister wurden mit Größen der Operngeschichte besetzt, Reiner Goldberg, Siegfried Jerusalem, Graham Clark, Olaf Bär und Franz Mazura (94 Jahre alt!) bildeten ein wunderbar erheiterndes Altmeisterensemble.

Eva und David, zwei erfrischend jungen Stimmen, gelang der Coup des Abends. Julia Kleiter ist vorrangig im Oratorienfach und als Mozartsängerin bekannt, die Eva ist ihre bislang einzige Wagnerrolle. Kleiter sang mit jugendlich-kokettierender Leichtigkeit die zahlreichen Parlando-Passagen. Gleichzeitig verfügte sie über ausreichend Reserven in der dramatischen Phrasierung für „Oh Sachs, mein Freund“. In der Rolle des David feierte der junge Tenor Siyabonga Maqungo als Gast aus dem Ensemble des Theaters Chemnitz ein umjubeltes Staatsoperndebüt. Er gestaltete einen naiv leichtsinnigen David mit klarer, heller Stimme, deutlicher Aussprache und enormer Spielfreude – ein heißer Kandidat für das Ensemble der Lindenoper.

Von Jung bis Alt zeigte sich durchweg die hohe Spielfreude bei allen Solisten als auch im Chor, die bunte Inszenierung zauberte selbst Daniel Barenboim am Pult der Staatskapelle Berlin ein Lächeln ins Gesicht. Er dirigierte mit höchster Präzision, perfekt geprobt erklangen die Meistersinger in ruhigem Tempo und bestechend genauer Intonation.

Staatsoper Berlin /DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG/ Foto @ Bernd Uhlig

Die Inszenierung von Andrea Moses steht ganz im Sinne der deutschen Wiedervereinigung. In jubelnd-heiterer „Die Welt zu Gast bei Freunden“ Stimmung leuchtet das Schwarz-Rot-Gold der Deutschlandfahne ins Publikum. Moses greift für die humoristische Darstellung der deutschen Tradition und Kultur tief in die Klischeekiste: Der Mercedes-Stern prangt im Hintergrund, zur Prügelfuge kämpfen Berliner Punks gegen das Establishment, auf der Festwiese feiert Hertha BSC in Oktoberfeststimmung zu einem in Lederhosen gekleidetem Bühnenorchester. Andrea Moses zeigt einen Strauß voller Ideen und Ansätze zur deutschen Kultur und ihre Brauchtümer, verzichtet dabei gänzlich auf eine politische Aussage und zeigt nicht einmal im Ansatz etwas Gesellschaftskritik. Ihre Inszenierung kratzt stets an der Oberfläche und folgt keinem roten Faden. Die platte Personenregie besticht durch Slapstick, Beckmesser stolpert klamaukartig über ein Podest und der Chor faltet seine Hände zur „Merkel-Raute“.

Die Meistersinger als komische Oper, wie von Richard Wagner einst erdacht, unterhaltend auf die Bühne gebracht, eine amüsante und gefällige Opernproduktion, einmal nicht für das Feuilleton, sondern ganz für die Belustigung des Publikums inszeniert. In den sechs Stunden dieser Vorstellung kamen weder auf der Bühne, noch im Orchestergraben auch nur Ansätze von Langeweile auf. Das Publikum wird in schwungvoll, unbeschwerter Manier unterhalten und kann sich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Dank der überraschend unkonventionellen Sängerbesetzung und in Begleitung der brillanten Staatskapelle sowie aufgrund der angeheiterten Stimmung im Publikum ist die Aufführung doch insgesamt als gelungen zu bezeichnen.

 

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