Mit „Die Walküre“ ging die diesjährige Inszenierung des „Ring der Nibelungen“ von Richard Wagner im Oldenburgischen Staatstheater in die zweite Runde. Mit großer Spannung wurde die Weiterführung des Werks unter der Regie von Paul Esterhazy erwartet. Lobend sei hier an dieser Stelle auch einmal die mit liebevollen Details gespickte Atmosphäre im Staatstheater erwähnt. So findet sich zum Beispiel überall im Gebäude der Schriftzug „Ring“ wieder, es können Richard-Wagner-Büsten entdeckt und Getränke wie „Siegfrieds Betäubungstrank“ genossen werden. (Rezension der Vorstellung v. 11. Juli 2022)
Mit eben jenen liebevollen Details ging es im Saal des großen Hauses bei der Aufführung weiter. Die Figuren der Sage handeln hier in einem Konflikt zwischen Macht und Liebe, wobei in „Die Walküre“ die Liebe zwischen dem Geschwisterpaar Siegmund und Sieglinde im Vordergrund steht. Gleich zu Beginn wird deutlich gemacht, dass beide zueinander gehören, obwohl sie dies selbst zunächst nicht erkennen. So tragen sie die selbe Frisur und bewegen sich ähnlich.
Die sich öffnende und schließende Drehbühne schafft dabei Momente der Zweisamkeit für das Liebespaar. Im Zusammenspiel mit dem wieder einmal höchst überzeugenden Sami Luttinen als Hunding offenbart sich den Zuschauern eine Welt, die sie vollkommen in den Bann zieht. Von der kargen Hütte über einen Wald bis zum Finale im Feuerring; es wird eine cineastische Atmosphäre geboten. Das Bühnenbild (Bühne und Kostüme: Mathis Neidhardt) spiegelt dabei jederzeit perfekt die Handlung und die Charaktere wider. Beispielsweise schaltet Loge im Finale die Laternen mit einem Fingerschnippen an und aus und es erscheinen echtes Feuer und Hunde auf der Bühne.
Vom Gott Wotan hat Siegmund den Auftrag erhalten, Hunding zu töten und dem Riesen Fafner den Ring des Nibelungen zu stehlen. Gelingen soll ihm dies mit Hilfe des Schwertes Notung, das Siegmund aus dem Eschenstamm zieht. Zoltán Nyári sang dabei das „Siegmund heiß ich und Siegmund bin ich“ mit viel Kraft und dabei sowohl in den hohen als auch in den tiefen Tönen jederzeit klarer Stimme. Dabei wurde er auf das Beste ergänzt von einer ebenso kraftvoll singenden Ann-Beth Solvang. Eindrucksvoll auch ihr „Oh hehrstes Wunder! Herrlichste Maid!“ im letzten Akt der Oper. Am Ende gabs auch für sie großen Applaus vom Publikum.
Die eng an das Libretto angelehnte Inszenierung von Paul Esterhazy ließ den Sängerinnen und Sängern sowie dem Orchester genug Raum für die so wichtigen feinen und leisen Töne. Das Oldenburgische Staatsorchester schuf unter der Leitung von Hendrik Vestmann vor allem in den Zwischenspielen immer wieder wahre Gänsehautmomente. Die Beziehung zwischen dem Gott Wotan und seiner Tochter, der Walküre Brünnhilde, bekam so eine ganz besondere Dimension. Nachdem Siegmund und Sieglinde vor Hunding fliehen mussten, beauftragt Wotan Brünnhilde damit Siegmund zu töten. Er wird dazu von seiner Frau Fricka gezwungen. Melanie Lang knüpft hier als ideale Besetzung nahtlos an ihren Auftritt in „Das Rheingold“ an. Mit dem nötigen Nachdruck in der Stimme und ausdrucksstarken Spiel weißt sie als genervte Ehefrau ihren Gatten Wotan zurecht.
Als sich dann die Ereignisse überschlagen und Brünnhilde Siegmund im Kampf beisteht, muss Wotan seine Tochter für ihren Ungehorsam bestrafen. Der dritte Akt legt seinen Fokus in der Oldenburger Inszenierung auf eben dieses „muss.“ Wotans innere Zerrissenheit wird von Kihun Yoon perfekt mit seinen großen stimmlichen Mitteln dargestellt. Es gelingt ihm geradezu spielend leicht, alle Facetten dieser großen Partie auszudrücken. Der Wechselbad der Gefühle zwischen Liebe und Enttäuschung bringt der seit der Spielzeit 2017/18 am Oldenburgischen Staatstheater engagierte Sänger absolut authentisch herüber.
Nancy Weißbach verleiht mit ihrem strahlenden Sopran den tiefen Emotionen Brünnhildes großen Ausdruck. Ihre in allen Lagen stets kräftige und wandlungsfähige Stimme und ihre überzeugende Darstellung der Brünnhilde begeisterten das Publikum. Sehr beeindruckend aber auch in den eher leiseren Tönen wie bei „War es so schmählich, was ich verbrach“. Großartig!
Doch so ruhig bleibt es dann doch nicht. Die Göttertochter wirft in ihrer Not Gläser gegen die Wand und kann trotz der Unterstützung der ebenfalls bestens besetzten Walküren (Joo-Ann Bitter, Susanne Serfling, Maren Engehardt, Nana Dzidziguri, Hanna Larissa Naujoks, Sarah Alexandra Hudarew, Maiju Vaahtoluoto) ihren Vater nicht von einer Bestrafung abbringen.
Getragen wird das Finale vor allem auch von Nancy Weißbachs und Kihun Yoons großem darstellerischem Können. Als der Vater seiner Tochter mit einem Messer die Haare abschneidet und sie daraufhin zu ewigem Schlaf hinter einem Feuerring verflucht, entsteht ein sehr berührendes, vom Oldenburgisches Staatsorchester in wallende Klangteppiche eingewebtes Finale.
Das Oldenburger Publikum zeigte sich nach der Aufführung begeistert und spendete allen Beteiligten minutenlange Ovationen und viele Bravorufe. Die Vorfreude auf den nun folgenden SIEGFRIED ist zu recht groß!
- Rezension von Katrin Düsterhus / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oldenburgisches Staatstheater / Stückeseite
- Titelfoto: Oldenburgisches Staatstheater/DIE WALKÜRE/Foto @ Stephan Walzl