Oft wird es nicht vorgekommen sein, das sich ein vierjähriger Junge von seinen Eltern eine Harfe wünscht, ohne jemals direkten Bezug zu diesem durchaus nicht kleinen, aber umso mehr eindrucksvollen Instrument gehabt zu haben. Meistens, so denken sich dann sicher viele Eltern, verwächst sich so ein Gedanke dann wieder und das Kind schwenkt dann auf ein wesentlich handliches Instrument, wie eine Geige oder eine Oboe, um. Bei Joel von Lerber war der Wunsch aber lebensbestimmend und heutzutage zählt er national und international zu den bekanntesten Harfenisten und längst haben ihn viele, die ihn kennen und schon musizieren gehört haben, als eine Einheit zwischen Musiker und seiner Harfe vor dem inneren Auge. Der gebürtige Schweizer lebt seit Jahren in Berlin. Dort trafen wir uns zu einem Gespräch über seine Karriere und Tätigkeit als Musiker, aber auch als bekennender Wahlberliner, der in dieser pulsierenden und toleranten Weltstadt seinen jetzigen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Ein kurzweiliges Interview und ganz im Sinne eines Wortes, dass Joel während unserer Unterhaltung schon mal gern genutzt hat: „nice!“. ( Interview v. 30.7.19 in Berlin-Wilmersdorf)
Joel von Lerber erhielt bereits als 6-jähriger seinen ersten Harfenunterricht am Konservatorium in Bern bei Nathalie Châtelain und Simon Bilger. Nach seinem Abitur im Jahre 2009 begann er sein Bachelorstudium an der Musikakademie Basel bei Prof. Sarah O‘ Brien und schloss dieses erfolgreich 2012 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts ab. 2014 folgte dann der Master of Arts (Performance) an der Zürcher Hochschule der Künste und 2016 der Master of Music bei Prof. Maria Graf an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. An der „Hanns Eisler“ wurde er anschließend ins Studienprogramm zum Konzertexamen aufgenommen, wo er den höchsten zu vergebenden schulischen Abschluss in Musik absolvierte. Im Mai 2019 gab der Harfenist Joel von Lerber sein Debut mit dem Berliner Konzerthausorchester im Konzerthaus Berlin was gleichzeitig als Abschlusssprüfung für das Konzertexamen galt . Und das dann auch wieder mit Auszeichnung.
Im Laufe seiner noch jungen Karriere darf Joel schon von einigen Auszeichnungen und Preisen berichten, die er national, wie auch international – u.a. auch in Rußland und den USA – mit seiner virtuosen Kunst gewonnen hat. Zuletzt im November des vergangenen Jahres in Israel, wo er neben dem 2. Platz des Wettbewerbes zusätzlich noch zwei Sonderpreise für besondere Interpretation erhielt. Hier alle seine bisherigen Stationen und Erfolge aufzuzählen würde den Rahmen dieses Portraits sprengen. Ich verweise dazu auf seine gut gemachte Homepage, auf der Joel alles an wissenswerten Zahlen und Fakten für seine Fans zusammengetragen hat.
In den letzten beiden Jahren waren mir immer wieder kleine Musikvideos auf Facebook und Instagram aufgefallen, die ein mir, bis dahin noch relativ unbekannter Musiker dort veröffentlicht hatte. Ein junger attraktiver Mann an einer Harfe. Der beim Spiel seines Instrumentes durch seine Mimik dem Zuseher ein wenig von seinem inneren Gefühl für die Musik vermittelt und der auf diese so unnachahmliche Weise so überaus auffällig wurde. Und es waren auch Stücke, die man nicht ohne weiteres einem Harfenisten zuteilen würde. Vielmehr bearbeitete Joel auf besondere Art und mit großer Virtuosität auch Klassiker der Popmusik – (wie u.a. Gloria Gaynors I will survive) – und übertrug damit besondere Emotionen in seinen Vortrag. Emotionen, die eigentlich nur der ganz spezielle Klang eine Harfe erzeugen kann. Vielleicht ist an dieser Stelle angebracht, ein wenig zur Geschichte dieses Instrumentes zu berichten:
Zur Zeit der alten Ägypter gab es die wohl erste überlieferte Beschreibung einer Harfe. „Bogenharfe“ genannt, da sie aus Holz gefertigt, einem Bogen ähnelte. Sie war mit einigen wenigen Saiten zur Klangerzeugung bespannt. Mit der heutzutage bekannten Harfe besteht allerdings kaum noch Ähnlichkeit. Im Laufe der Geschichte wurde die Harfe immer kunstfertiger gestaltet, erhielt auch mehr als die ursprünglichen 5 bis 7 Saiten und galt zumeist als Instrument zur Begleitung von Gesang. Erst im Jahre 1810 erfanden die beiden Franzosen Sébastien und Pierre Erard die sogenannte Pedalharfe, die durch Treten des Pedals die jeweilige Saite um einen Halbton höher klingen lässt, und somit die erste der Konzertharfen war, die uns Heute in Orchester und Konzertsälen bekannt ist. Mittlerweile hat die Harfe 7 Pedale und bis zu 47 Saiten, eine Höhe von 1,80 m, bei einem Gewicht von gut 40 Kilogramm, was dieses Zupfinstrument zu einem der kompaktesten und schwersten Instrumente überhaupt werden ließ. Mit der eher handlichen, kleinen Erstlingsharfe der Ägypter vor rund 5000 Jahren hat sie nicht mehr viel gemein. Dafür aber verfügt die heutige Konzertharfe über diesen warmen Klang, den viele Komponisten, auch aus dem Bereich der Oper, schätzten und immer wieder einsetzten.
Joel von Lerber versteht es auf eine besondere Weise seinem Instrument den Klang und den speziellen Zauber zu entlocken, der fast spielerisch leicht erscheinend daher kommt. Aber hinter dieser scheinbaren Leichtigkeit steckt viel Professionalität, großes Talent und tägliche Übung, um dies so für die Zuhörer wirken zu lassen. Da wir hier beim OPERNMAGAZIN sind, denke ich besonders auch an Einspielungen von ihm, die er vor einigen Monaten als Video auf seinen Seiten veröffentlicht hat: Richard Wagners „Feuerzauber“ aus dem Ring des Nibelungen etwa. Als weiteres Beispiel sei auch seine Interpretation eines Themas aus der Tschaikowsky-Oper „Eugen Onegin“ genannt. Dieses sehr gefühlvolle Musikstück erhält durch den besonderen Harfenklang noch mehr an Intensität und Tiefe. Viele weitere Videos seiner Kunst und seines Könnens können auf der Videoseite seines Facebookprofils eingesehen werden. Natürlich, neben den hier erwähnten, auch Werke, die eigens für dieses anspruchsvolle Instrument komponiert wurden und die einen großen Bestandteil seines ohnehin schon umfangreichen Repertoires ausmachen.
Im Gespräch mit dem Musiker ging es auch um seine weiteren Pläne, Wünsche und Ziele, die er sich gesetzt hat. „Ich möchte weiter viele Solokonzerte geben. Aber daneben auch, wie bisher, regelmäßige Orchesterkonzerte“, sagte er mir daraufhin. Gefragt, ob es auch ein Ziel von ihm sei, Mitglied eines Philharmonischen Orchester zu werden, erklärte er mir: „Grundsätzlich würde ich eine Festanstellung in einem Orchester nicht ausschließen. Aber mein derzeitiger Focus liegt nun mal mehr auf Solokonzerte“.
Dazu passt es auch, dass Joel bereits aktuell an seiner ersten Solo-CD arbeitet, für die er bereits schon 7 Musikstücke eingespielt hat. „Es wird eine Solo-CD mit ausschließlich Harfenmusik werden“, erzählt er mir, und weiter: „Es ist noch eine Menge an weiterer Vorarbeit für diese CD nötig, wie die Erstellung des Layouts oder auch das Begleitheft zur CD. Voraussichtlich Ende dieses Jahres kommt meine erste CD dann raus. Bis dahin entscheidet sich auch, wie viele Musikstücke die CD am Ende dann enthalten wird. Ich freue mich aber schon sehr darauf!“
Keine Frage, dass das OPERNMAGAZIN bei Erscheinen seiner Erstlings-CD seine Leserinnen und Leser rechtzeitig informieren wird.
Wir sprachen neben seiner künstlerischen Arbeit auch ein wenig über sein Leben in Berlin und was diese Stadt ihm bedeutet. „Mit 18 Jahren kam ich das erste Mal nach Berlin. Ich war sofort fasziniert von der Offenheit und Toleranz, die Berlin an jedem Tag vermittelt. Jedesmal, wenn ich Berlin verlassen muss, um etwa zu Gastspielen zu reisen oder in meine Heimat nach Basel und dann wiederkomme, fühle ich mich hier irgendwie wie zu Hause. Ich lebe hier und ich habe hier studiert und Berlin bietet mir als Mensch, und auch als Musiker, sehr viele Möglichkeiten.“.
Aber Joel lässt auch erkennen, dass er sich vorstellen kann, eventuell später einmal in einer anderen Stadt leben zu können. Er hält sich das offen. Er ist mit 28 Jahren auch noch in der komfortablen Lage vieles, was noch auf ihn zukommt, aufzugreifen um es mit seinem weiteren Leben und seiner künstlerischen Arbeit zu verbinden. Aber derzeit ist es Berlin. Und von dort steht die Welt nun mal offen.
Joel von Lerber ist ein sympathischer und eloquenter Gesprächspartner, der viel interessantes zu berichten hat, dabei besonders ernsthaft und zielstrebig in der Formulierung ist, wenn es um seine künstlerische Arbeit geht. Der aber auch auf mich den starken Eindruck hinterlassen hat, dass er seine Tätigkeit als Musiker liebt und dabei, trotz seines großen Talentes und seiner bisherigen Erfolge, sehr bodenständig und natürlich im Umgang geblieben ist. Einer, der mit seinem Instrument und seinem Spiel begeistert und der völlig zu Recht schon jetzt über eine große Fangemeinde -nicht nur- auf den großen Medien wie Facebook und Instagram verfügt. Ende Juli waren es bereits 5000 User, die ihm auf seiner Instagram-Seite folgten. Als Dank widmete er ihnen ein mitreißendes Musikvideo. Er spielt darin die „Tarantula“ von Paul Paterson.
Am Ende unseres Gespräches gingen wir noch auf den Balkon der Suite des Hotels, in dem wir uns getroffen hatten, um von dort einen Blick vom 8. Stock auf den unter uns liegenden Prager Platz im Herzen von Wilmersdorf zu werfen. Wir wurden beide unabhängig voneinander dort schon erwartet. Nach einem kurzen „Hallo“ zu viert wünschte ich Joel noch einen schönen Tag – und Berlin war an diesem Tag ganz besonders schön – und es war klar, dass ich diesen jungen Musiker weiterhin bei seiner Karriere beobachten und mit meinen schreiberischen Mitteln begleiten werde.
Ich danke Joel für das angenehme Gespräch und für die Einblicke, die er mir in seine künstlerische Tätigkeit als Harfenist gewährte. In dem Sinne: es hat Spaß gemacht und war wirklich im besten Sinne nice!
- Homepage des Harfenisten Joel von Lerber
- Joel bei INSTAGRAM / FACEBOOK
- Kurzportrait über Joel von Lerber auf dem OPERNMAGAZIN v. 13.8.2018
- Titelfoto: Joel von Lerber Foto @ Janina Escher
© Detlef Obens – DAS OPERNMAGAZIN / 08-2019
Ich konnte Joel am vergangenen Samstag in der Schlosskirche in Schöneiche erleben. Es war ein musikalischer Genuss. Ich habe noch nie ein Konzert mit nur einer Harfe gehört. Es war phantastisch. Monika