Richard Wagner „Das Rheingold“ – Deutsche Oper am Rhein 13.6.2019
Die mit Spannung erwartete Wiederaufnahme des Düsseldorfer Ring begann am 13.6.2019 mit „Das Rheingold“.
Bevor die Oper mit dem magischen Vorspiel beginnt, betritt plötzlich, vor dem roten Vorhang, der Feuergott Loge die Bühne. Er ist der Zeremonienmeister des ganzen folgenden Geschehens und des Handlungsablaufes. Der Besucher ist zunächst irritiert, da nicht die Musik einsetzt, sondern Loge die ersten Worte des Gedichtes von Heinrich Heine aus der Loreley „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten““ rezitiert.
Erst danach setzt die Musik des Vorspiels des Rheingoldes mit dem tiefen Es-Dur-Akkord ein. Dieser Beginn mit Loges Worten ist eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Komponisten, da erkennbar wird, dass der Regisseur auf den Richard Wagner nachgesagten Antisemitismus anspielt.
Das Feuer in den Händen des Gottes dient dabei als Hinweis auf das Ende und zugleich als Mahnung an das düsterste Kapitel deutscher Geschichte. Die Frage, die sich hier natürlich stellt, ist, ob der Besucher überhaupt diesen Hinweis erkennt oder/und versteht oder diese Handlung und Worte, die nichts mit der Oper und Wagnerschen Partitur zu tun haben, als reinen Klamauk oder Effekthascherei zu sehen sind. Wie dankbar ist der Besucher dann, als die Musik aus den „Tiefen des Rheins“ endlich einsetzt.
Die Düsseldorfer Inszenierung (Dietrich W. Hilsdorf) verlagert die Handlung des Rheingoldes in die Zeit der Jahrhundertwende. Die Gesellschaft befindet sich in Aufruhr und Aufbruch. Sie ist geprägt einerseits von Dekadenz, Angst, Tod und Unsicherheit, andererseits von Euphorie und Aufbruchstimmung. Eine Zeit mit starkem Einfluss auf Literatur, Musik und Kunst.
Die Rheintöchter, Götter und Zwerge im Düsseldorfer Rheingold sind Teil dieser Gesellschaft und agieren in diesem gesellschaftlichen Raum eines Salons / Etablissement und wirken dabei sehr überzeichnet. Der Feuergott Loge ist das Zentrum des Geschehens und hält alle Fäden zusammen.
Leicht bekleidete Rheintöchter necken Alberich, der den Zauber des Goldes durch Entsagung der Liebe bricht. Der Göttervater Wotan wird im Rollstuhl mit einem Tuch auf dem Kopf und runder Sonnenbrille von Fricka herein gefahren, was äußerst skurril wirkt. Er erwacht aus diesem starren Zustand oder Traum mit dem musikalischen Hinweis auf die Götterburg. Dabei wird der Zuschauerraum immer heller, dort blicken die Götter hinein, dort ist Walhalla. Der Wechsel zwischen den Welten erfolgt über ein rundes Samt Sofa, auf welchem sich die Protagonisten hinab nach Nibelheim oder hinauf in die Welt der Götter begeben. Die Nibelungen werden optisch dunkel, schmutzig den Nibelungenschatz in Kohleloren schiebend dargestellt. Die Riesen Fasolt und Fafner erscheinen in schwarzer Handwerkszunft Bekleidung, mit großen Zylinderhüten auf dem Kopf.
Die Inszenierung verwendet bewusst Effekte in der Handlung, wie das Zertrümmern der Wand mit den Kohleloren und das Entstehen eines Bergwerkschachtes. Oder der überdimensionale Fuß des Drachen der mit lautem Krach einen Teil der Decke zerstört, bei der Verwandlung von Alberich zum Wurm.
Insgesamt eine schlüssige Inszenierung der Deutschen Oper am Rhein, die eine Gesellschaft in der Zeit des fin de siècle, des Betrugs, Verrats, Mordes, Gleichgültigkeit und einer dekadenten Weltordnung ohne jegliche Moral zeichnet.
Musikalisch zeigte sich das Düsseldorfer Rheingold von einer eher durchschnittlichen Seite.
Die Rheintöchter (Anke Krabbe, Roswitha Christina Müller, Ramona Zaharia) sind von der szenischen Vorgabe als leicht bekleidete Liebesdamen dargestellt, die Loge und den Göttern zu Willen sind. Stimmlich war das Trio nicht aufeinander abgestimmt, so dass beim Klang aller drei Stimmen keine Ausgewogenheit hörbar wurde. So zum Beispiel bei „Wallala Lalaleia Leialalei Heia Heia Haha Schäme dich, Albe Schilt nicht dort unten Höre, was wir dich heissen …“ wo die mangelnde Ausgewogenheit und Abstimmung der Töchter des Rheins den Klang der Stimmen verwischte. Auch die dynamische Hinführung von Woglinde „Durch die Fluten hin fliesst sein strahlender Stern“ zu dem Höhepunkt „Heiajaheia Heiajaheia Wallalalalala leiajahei Rheingold Rheingold“ war leider nicht vorhanden. Die Stimmen der Töchter des Rheins klangen Einzel gut, die fehlende stimmliche und klangliche Verbindung trübte jedoch insgesamt die gesangliche Leistung.
Der Düsseldorfer Wotan wird von Simon Neal sehr engagiert gesungen und gestaltet. Seine Stimme trägt in den mittleren und tiefen Lagen. In den höheren Lagen insbesondere bei den Exponierten Stellen wie. „So grüßt ich die Burg“ wünscht man sich mehr Volumen und ein dunkleres Timbre in der Stimme.
Das Erhabene, Strahlende im stimmlichen Klang des Göttervaters gerade am Schluss vor dem Einzug in Walhalla „Abendlich strahlt der Sonne Auge – in prächtiger Glut prangt glänzend die Burg. In des Morgens Scheine mutig erschimmernd,…“ wäre mit einem langem Gesangsborgen wünschenswert gewesen.
Michael Kraus als Alberich ist stimmlich sehr direkt und kernig. Er singt die Partie des bestohlenen Diebes mit dem Fatalismus dem Göttervater nichts entgegenhalten zu können. Auch hier wäre eine deutliche Artikulation des Textes ein weiterer positiver Aspekt der Rolleninterpretation.
Am Schluss nach dem Verlust des Nibelungenhordes zeigte Michael Kraus stimmlich famos mit „So segnet in höchster Not der Nibelung seinen Ring Behalt‘ ihn nun, lachend hüte ihn wohl: grimmig meinem Fluch fliehest du nicht“ sehr ausdruckstark den Hass und Fluch des verletzten Alben.
Reneé Morloch als Göttergattin Fricka sang sehr undeutlich und mit einer starken Tendenz zum Überziehen und Forcieren in den höheren Lagen.
Die zentrale Person im Rheingold ist der Gott des Feuers Loge, der in Düsseldorf mit Norbert Ernst besetzt ist. Er versucht von Beginn an stimmlich die Verschlagenheit und den zwiespältigen Charakter des Ratgebers von Wotan deutlich zu machen. Sein Tenor hat einen ihm eigenen Wiedererkennungswert wobei er seine limitierten stimmlichen Möglichkeiten im Volumen durch ein überzeichnetes aber eloquentes Darstellen kaschieren möchte. Dabei ist eine deutliche Tendenz hörbar, dass die Aussprache des Textes den Klang des Tones überwischt, bzw. nicht mehr hörbar macht. So besonders am Ende bei „Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark in Bestehen sich wähnen. Fast schäm‘ ich mich, mit ihnen zu schaffen“ wo trotz der überdeutlichen Textbetonung sicherlich kein Sprechgesang in der Partitur vorgesehen ist
Die positivsten Überraschungen in der Düsseldorfer Rheingold Produktion waren bei den vermeidlichen kleinen Rollen zu finden.
Bogdan Talos als Fasolt und Thorsten Grümbel als Fafner waren das perfekte Riesenpaar und konnten stimmlich durch ein großes, warmes Timbre und volles Volumen die ungleichen Brüder sehr eindrucksvoll gestalten. Beeindruckend wie Bogdan Talos den Göttervater entgegentritt und stimmlich mahnt „Was sagst du Ha, sinnst du Verrat Verrat am Vertrag – Die dein Speer birgt sind sie dir Spiel, des berat’nen Bundes Runen .. Hör‘ und hüte dich: Verträgen halte Treu‘ Was du bist, bist du nur durch Verträge – bedungen ist, wohl bedacht deine Macht. Bist weiser du, als witzig wir sind, …“ Stimmlich auf höchstem Niveau schafft er es mit einer scheinbar unendliche Gesangslinie und vollem Ton, die die Wirkung der Ermahnung noch zu verstärken.
Cornel Frey als Mime zeigte mit seinem hellen, sehr tragfähigen Tenor den geknechteten Alben sehr gut stimmlich auf und verstand auch darstellerisch vollends zu überzeugen.
Eine kleine Rolle, aber ein großes Ausrufezeichen setzte Anna Princeva in der Partie der Freia. Ein heller tragfähiger und sehr angenehm leicht klingender Sopran, der auch gerade in den Höhen richtig strahlt, ohne zu überziehen. Der Hilferuf der Göttin „Wo harren meine Brüder, dass Hilfe sie brächten, da mein Schwäher die Schwache verschenkt – Zu Hilfe, Donner Hieher, hieher – Rette Freia, mein Froh“ ist gesanglich und klanglich perfekt, wobei Princeva auch darstellerisch die Vorgaben der Regie sehr gut umsetzt.
Ein Highlight jedes Rheingoldes ist der Auftritt der Erdenmutter “Weiche, Wotan Weiche Flieh‘ des Ringes Fluch – Rettungslos dunklem Verderben weiht dich sein Gewinn…“ In der Düsseldorfer Produktion erscheint Erda aus der Mitte eines bunten Samtsofas. Hier rechnet man mit einer tragfähigen, dunklen Altstimme und einer würdigen Umsetzung der edlen Gestalt der Erdenmutter. Der dunkle, erdige Klang und die langen Bögen wurden von Susan Mclean nicht gezeigt. Leblos, fast teilnahmslos und mit kleinem Volumen wurde hier die Rolle leider nicht ansatzweise ausgefüllt. Der Auftritt und Gesang der Erdenmutter „Höre Höre Höre – Alles was ist, endet. Ein düst’rer Tag dämmert den Göttern: dir rat‘ ich, meide den Ring….“ ist einer dieser Gänsehaut Momente in dem Meisterwerk von Richard Wagner. Leider blieb hier dieser Moment, ohne diese hohe emotionale Wirkung beim Besucher, gänzlich aus.
Ovidiu Purcel als Froh und David Jerusalem als Donner konnten stimmlich leider nur bedingt die von der Partitur geforderten gesanglichen Vorgaben erfüllen. Wenig Volumen, stimmlich ein nach innen gerichtetem Klang der Töne und undeutliche Artikulation und die ungenaue Umsetzung der Notenvorgaben wurden den Anforderungen der beiden Partien nicht gerecht.
Das gesamte Ensemble und die Düsseldorfer Symphoniker standen unter der musikalischen Leitung von Axel Kober. Im Vorspiel weckte das Orchester hohe Erwartungen, die danach leider nicht erfüllt wurden. Das Orchester verfiel unter seinem Leiter in eine klangliche und dynamische Eintönigkeit, da das Leben und der Fluss der Partitur im Laufe der Oper immer mehr verloren gingen. Die Blechbläser hatten mehrfach deutlich hörbare Probleme im Ansatz, was den Orchesterklang insgesamt stört. Bei der sehr breiten Anlage des Düsseldorfer Rheingoldes kam am Ende eine zu lange Spielzeit mit 2 Stunden 37 Minuten heraus. Das Einlassen auf die wechselnden Tempi, die der Partitur immanente Dynamik sind nicht erkennbar, der große Spannungsbogen des Rheingoldes ist irgendwann schlichtweg „im Rhein“ verloren gegangen.
Richard Wagners Vorstellungen einer Spieldauer von 2 Stunden hat seine Gründe, gerade auch im Hinblick darauf mit den Tempi zu spielen und den Spannungsbogen, das Feuer, die Glut des Rheingold-Partitur zu entfesseln.
Das Dirigat von Axel Kober ist sehr exakt, er unterstützt deutlich die Protagonisten auf der Bühne, aber insgesamt wurde die große Klangwirkung der Rheingold-Partitur nicht entfacht.
Eine interessante, schlüssige Rheingold-Produktion bietet die Deutsche Oper am Rhein, die aber musikalisch noch deutlich Luft nach oben aufweist.
- Rezension der besuchten Vorstellung von Turgay Schmidt /Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Deutsche Oper am Rhein /Stückeseite
- Titelfoto: Oper am Rhein/Das Rheingold/ Foto @ Hans Jörg Michel
Ein Gedanke zu „Düsseldorf: Richard Wagner „Das Rheingold“ – Der Anfang vom Ende der Götter“