Sie halten für uns Augenblicke fest. Machen Momente zeitlos. Sie fertigen aus natürlichen Bildern und Motiven Kunst und die Theater- und Musikwelt wäre fast nicht denkbar ohne sie. Fotografen. Der 22-jährige Dortmunder Jan-Philipp Behr ist einer von ihnen. Gerade erst brachte er einen Imagefilm über die Dortmunder Philharmoniker und ihren GMD Gabriel Feltz heraus und begeisterte damit nicht nur die in diesem Video vorgestellten Musiker selbst, sondern machte damit auch Furore in der klassischen Musikwelt, weit über Dortmunds Grenzen hinaus. Ein Jahr zuvor hatte er bereits mit einer Auftragsarbeit über die alljährlich stattfindenden Cityring-Konzerte Dortmund auf sich aufmerksam gemacht. Schon in diesem Kurzfilm aus 2018 über die 3 Abende, die von Oper und Klassik, über Musical bis hin zu Technomusik reichen, war das Talent und vor allem das Können dieses Fotografen und Videokünstlers in den wenigen Minuten seines Film deutlich erkennbar. Sein Auge auch für das scheinbar „Unwesentliche“ macht seine Fotografien und Filme aus. Den Augenblick des Geschehens – und das Agieren des Menschen in gerade diesem – fotografisch festzuhalten ist schon eine besondere Gabe, wenn nicht sogar eine Form von Kunst, die Jan-Philipp Behr beherrscht und die insbesondere seine Fotos so eindrucksvoll und deshalb auch oftmals so aussagekräftig werden lassen. Mit ihm traf ich mich Heute im Dortmunder Cafe „Bernstein“ zu einem ausführlichen Gespräch über seine Arbeit und seine weiteren Ziele
Schon während seiner Gymnasialzeit fiel seinem damaligen Musiklehrer Lars Hartmann (selbst auch Musiker der Band EXTRABREIT) das fotografisch-musische Talent seines Schülers Jan-Philipp auf, so dass er ihm 2015 die Chance und inspirierende Gelegenheit eröffnete, das Kamerateam vom NENA-Konzert als zusätzlicher Kameramann zu unterstützen. Die Atmosphäre, das Wechselspiel, als auch deren Vereinigung, von Musik und visuellen Eindrücken begeisterte ihn so sehr, dass er nach seinem Abitur 2015 ein Studium in Film- und Fernsehproduktion und Regie an der WAM-Die Medienakademie Dortmund absolvierte und mit Diplom abschloss. Jan-Philipp erzählt aber auch davon, wie er als 15-jähriger die Arbeiten eines damals nur drei Jahre älteren Freundes mit großem Interesse betrachtet hat und damit auch er, wie sein Lehrer, in ihm den Wunsch reifen liess, später mal beruflich etwas in Richtung Film und Fotografie zu machen. Wohin letztlich alles führen wird, lässt er auch noch heutzutage offen. Viele Wege die sich ihm bieten, immer neue Eindrücke, neue Aufträge und Begegnungen zeigen Jan-Philipp auch, dass eine frühzeitige berufliche Festlegung für ihn derzeit noch nicht der richtige Weg wäre. „Ich will einfach noch viel machen. Ich lasse es auf mich zukommen!“
Als Sohn eines Orchestermusikers, dem Bratschisten und langjährigem Mitglied der Dortmunder Philharmoniker, Armin Behr, kam Jan-Philipp schon frühzeitig mit der klassischen Musik in Berührung. Als Kind erhielt er Geigenunterricht und sang 3 Jahre im Jugendchor Dortmund. An diese Zeit erinnert er sich, wenn er erzählt, wie es ist, als Fotograf beruflich im Konzerthaus Dortmund beschäftigt zu sein. „Ich kann mich gut an diese schweren Türen zur Bühne hin erinnern, durch die wir als Chor durch mussten und an die Gänge, die das Publikum gar nicht zu sehen bekommt„. Die Zeiten eigenen Musizierens, gar des Singens, sind vorbei, aber das Theaterambiente hat ihn seither gefangen genommen und er hat für sich einen spannenden und erfüllenden Zugang weiterhin erhalten können.
Bei seinem eingangs erwähnten Imagefilm hat er daher auch bewusst die sonst eher nicht bekannte Sichtweise der Musiker gezeigt, die von hinter der Bühne kommend, ins Licht der Scheinwerfer und unter die Augen des erwartungsvollen Publikums treten und so auch ein wenig den Blick backstage offengelegt. Überhaupt ist für ihn das Fotografieren, und viel mehr noch das Filmen, eine, wie er selbst es nennt, „Jagd“ auf spannende, einmalige und bezeichnende Momente. Dies gelingt ihm dadurch, dass er die Menschen, mit denen er arbeitet, fotografisch bei ihrem Alltag oder ihrer Tätigkeit begleitet. Und irgendwann erreicht Behr den Moment, wo er als Fotograf gar nicht mehr wahrgenommen wird und wo ihm dann sicher die stärksten Aufnahmen gelingen. Die Kunst dabei ist, dem zu Fotografierenden die anfängliche Scheu vor der Kamera zu nehmen und dennoch eine Natürlichkeit und Authentizität zu erhalten und diese dann festzuhalten. Und das beherrscht Jan-Philipp Behr höchst beeindruckend. Sicher ein Talent, was nicht nur allein erlernt werden kann.
Die Arbeit mit den Dortmunder Philharmonikern ist auch Ausdruck dessen, was Behr sich als berufliches Ziel vorstellt: Die Verbindung von Film und Musik. Und dabei spielt zunächst die Art der Musik für ihn erst einmal nicht die wichtigste Rolle. Es kann klassisch sein, es dürfen Pop- oder Schlagerkompositionen oder auch elektronische Musik sein, die Jan-Philipp filmisch verarbeiten will. Wichtig dabei ist ihm zu erwähnen, dass die jeweilige Musik die Grundlage für den Schnitt seiner Filme ist. „Die Kunst dabei ist es, den Zuschauer nicht merken zu lassen, wie während eines Film die Zeit vergeht„, erklärt er mir. Denn es wäre absolut nichts gewonnen, wenn schon während der ersten Sequenzen eines Videos das Interesse am Zusehen verlorengeht und ein solcher Film dann förmlich untergeht. Den Spannungsbogen herzustellen, ihn zu erhalten und bis zum Ende des Film aufrecht zu erhalten, ist insbesondere bei einem produzierten Film, der als Grundlage klassische Musik enthält, besonders entscheidend. Denn, wie im Falle des Film über das Dortmunder Philharmonische Orchester, soll ja damit nicht nur der oder die Klassikfan an sich angesprochen werden – was natürlich der Fall ist -, vielmehr sollen Menschen erreicht werden, denen der Zugang zu Konzert und Oper schwerfällt oder die Vorbehalte verschiedenster Ursache haben.
In jedem Fall kann den Dortmunder Verantwortlichen attestiert werden, dass sie mit der Verpflichtung des Fotografen Jan-Philipp Behr eine, auch für das Orchester und das Theater Dortmund, hervorragende Wahl getroffen haben.
Wenn man einem Fotografen in einem Interview gegenüber sitzt, ist das auch immer für den Fragesteller eine besondere Situation. Denn man ahnt, dass er einen ganz anderen Blick auf sein Gegenüber und die Situation hat, als jemand ohne diese besondere Ausbildung und fotografische Gabe. Dies war natürlich auch in diesem Interview der Fall. Aber es birgt auch die Gelegenheit in sich über Fotografie und Film, losgelöst von den Personen, zu sprechen. Und das taten wir dann auch. Wir sprachen über Portraits – einige seiner Modelle werden sich gern daran erinnern -, über Musikvideos, über einige seiner eindrucksvollen Naturaufnahmen, beispielsweise aus Berlin und Cap Formentor (Mallorca), wo er gerade erst zu Film- und Fotoaufnahmen war, über S/W-Technik (Behr: „Schwarz-Weiss zeigt vieles deutlicher, verstärkt so manchen Eindruck. Farben lenken manchmal ab.„), und auch über seine eigenen Erfahrungen als fotografisches „Motiv“.
Jan-Philipp Behr liebt die Verbindung von Film und Musik. Aus beidem etwas herzustellen, was keinem der beiden Genre was nimmt, vielmehr eher gibt, ist eine Kunst mit einem hohen Anspruch, wie er mir in unserem Gespräch erklärt. Und so kann er sich vorstellen im gesamten musikalischen Spektrum zu arbeiten. Natürlich auf Konzerten aller Art. Aber auch weiterhin für und in Konzert-und Opernhäusern. Deren Atmosphäre und Charme er so schätzt. „Gerade die Räumlichkeiten hinter der Bühne mit ihren Neonröhren, spärlich eingerichteten Fluren die zur Bühne führen, und das karge Ambiente haben für mich etwas reizvolles….„, womit er das Gespräch wieder auf den fotografischen Aspekt lenkt.
Zu seinem Heimatbundesland NRW, mit seinem großem kulturellen Angebot, verspürt er eine starke Verbundenheit, die er sich gern auch zukünftig erhalten will. Aber er könnte sich natürlich auch vorstellen außerhalb von NRW beruflich tätig zu sein. Längst erreichen Jan-Philipp Behr auch Job- und Projektangebote von weiter entfernten Orten, die eine gewisse Flexibilität und Spontanität erfordern, zu denen er aber gern bereit ist.
„Ich liebe es, unterwegs zu sein, andere Städte und Länder zu erleben. An den unterschiedlichsten Orten zu arbeiten sehe ich als große Bereicherung an. Genau so sehr, wie ich das Reisen liebe, freue ich mich jedes Mal darauf, nach Hause nach NRW zu kommen“, erklärt er mir im Gespräch.
Mit dem jungen Dortmunder Fotografen beginnt DAS OPERNMAGAZIN nunmehr seine Interviewreihe über „Menschen hinter der Bühne„. Denn auch er gehört zu den Menschen, die uns die Kunst und die Menschen auf der Bühne näher bringen ohne selbst im Rampenlicht zu stehen. Und als Fotograf und Videokünstler allemal. Kommt er doch den Künstlerinnen und Künstlern oftmals sehr nahe und fängt Momente ein, die Zeiten überdauern. Mit seinen Augen eben.
Es war eine große Freude, mit ihm diese neue Rubrik eröffnen zu können.
Ich danke Jan-Philipp für das Gespräch!
©Detlef Obens/DAS OPERNMAGAZIN-11-06/2019
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- Aftermovie: CITYRING KONZERTE 2018 von Jan-Philipp Behr
- Die Dortmunder Philharmoniker in Mailand 2018 /Film v. Jan-Philipp Behr
- Titelfoto: Jan-Philipp Behr / Foto @ Simone Jülicher
Imagefilm über die Dortmunder Philharmoniker v. Jan-Philipp Behr (2019)
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