Die ganze Welt ist himmelblau – Operettenglück mit Natalie Karl und Mirko Roschkowski – Livestream

Natalie Karl, Mirko Roschkowski/Foto @ Philharmonie Essen

Operettenglück mit Natalie Karl und Mirko Roschkowski im Konzertstream der Gala in der Philharmonie Essen am 6. Februar 2021

 

Die Operette lebt! Sie entführt uns an den französischen Hof, nach Ungarn, zum Wolfgangsee und natürlich nach Wien. Die älteren unter uns kennen die Stücke, die die „Zigeunerromantik“ verklären und in Walzerseligkeit schwelgen, noch auswendig. Die Gesangsnummern der Operetten sind so angelegt, dass sie einen hohen Wiedererkennungswert haben und im Notfall auch von begabten Schauspielern gesungen werden können. Wie viel besser ist es, wenn Operettenhits von zwei Vollprofis gestaltet werden! Das Konzert läuft unter dem Übertitel „Große Stimmen“.

Und auch die Ouvertüren sind opulenter Genuss, ganz abgesehen davon, dass die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen die Gesangsnummern wirkungsvoll in orchestralen Wohlklang einbetten. 

Die Zahl der Zuschauer, die während des Live-Streams eingeblendet war, lag bei mehr als 1.000, ein Zeichen, dass dieses Konzert beim Publikum Resonanz gefunden hat. Und es werden noch mehr, denn das Konzert kann ganz unkompliziert ohne Anmeldung gratis auf dem Kanal der Philharmonie Essen bei youtube aufgerufen werden. 16 Stunden nach dem Live-Stream sind es 5.917 Aufrufe, ein Zeichen, dass sich der Tipp in der Fangemeinde verbreitet hat. Am 9. Februar um 12.00 Uhr kann man schon 9.535 Aufrufe zählen!

Mit atemberaubender Virtuosität, sprühendem Temperament und einem Quäntchen Ironie singen sie beliebte und virtuose Arien und Duette aus Operetten von Emmerich Kálmán, Franz Lehár, Franz von Suppé, Hans May, Johann Strauss, Vater und Sohn, Karl Millöcker, Léo Delibes, Robert Stolz und Theo Mackeben. Meistens geht es um die Liebe, um Verliebtheit und Fernweh: Natalie Karl und Mirko Roschkowski.

Am 6. Februar 2021 um 20.15 Uhr haben die die beiden in der Essener Philharmonie mit der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung des Dirigenten und Moderators Ernst Theis Operettenmelodien live gestreamt, die man anschließend vier Wochen lang bis zum 5. März 2021 aufrufen kann. Theis, gebürtiger Oberösterreicher und ausgewiesener Experte für Operetten und Radiokonzerte, nutzt die Übergänge dazu, die internationalen Musiker seines Orchesters vorzustellen und Lokalkolorit und Handlungselemente zu skizzieren. Das hätte mitunter etwas kürzer sein können, man war eher gespannt auf das die nächste Nummer.

Die Einschränkungen durch die Abstandsregeln merkt man schmerzlich: kein Publikum, kein Applaus, Plexiglas zwischen den Musikern des Orchesters, und wer nicht ein Blasinstrument hat spielt mit Maske.

Trotzdem springt der Funke über, denn hier agieren gestandene Opernstars mit einem international besetzten Orchester. Theis zitiert vor der Zugabe den Dirigenten Wilhelm Furtwängler, der von den Radiozuhörern seiner Zeit erwartet hat, dass man in festlicher Kleidung zuhört und sich voll auf die Musik konzentriert.

Die Neue Philharmonie Westfalen, mit 124 Musikern das größte Landesorchester Nordrhein-Westfalens, pflegt unter seinem Chefdirigenten Rasmus Baumann ein vielfältiges Repertoire bis hin zum Crossover, das nicht nur im Stammhaus, dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, gespielt wird, sondern auch nördlichen Ruhrgebiet und darüber hinaus gastiert.

Das Orchester ist mit großer Spielfreude am Werk, die musikalische Perfektion erkennt man besonders an dem Csárdás aus der Ballettmusik „Coppélia“ von Leo Delibes. Für die Operettenmusik reicht eine relativ kleine, aber feine Besetzung.        

Natalie Karl und Mirko Roschkowski konnte man noch vor zwei Jahren zusammen in der Kölner Inszenierung der „Fledermaus“ als Darsteller auf der Bühne erleben, sie als Rosalinde und er als Alfred. Sie haben vorher auch „Wiener Blut“ zusammen beim WDR eingespielt. Beide haben sich längst als Opernsänger für anspruchsvolle Partien etabliert.

Natalie Karl hat sich vom Blondchen zur Donna Anna, von der Rosalinde zur Desdemona entwickelt, ist also von der Soubrette zum lyrischen Sopran gereift. Ihre Stimme ist voll und reich, ihre Technik perfekt. Auch ihre beiden Roben sind absolut atemberaubend, erst ein biskuitfarbenes asymmetrisches Abendklied mit weiter Schleppe, dann ein rotes mit tiefem Dekolletee. Sie ist eine sehr erotische Frau, das zeigt sie in: „Meine Lippen, sie küssen so heiß“, und in den Duetten mit Mirko knistert die Spannung. Hier stehen zwei Vollprofis auf der Bühne, sie Vollblutsopranistin mit ungarischem Temperament, er leidenschaftlicher Tenor, die mit leichtem Augenzwinkern und einer Prise Ironie die leichte Muse präsentieren.

Mirko Roschkowski / Fotograf: Jerzy Bin
Mirko Roschkowski / Fotograf: Jerzy Bin

Nachdem Mirko Roschkowski als lyrischer Tenor jahrelang Mozart rauf und runter gesungen hat, unter anderem als „Belmonte vom Dienst“ in zahlreichen Inszenierungen, hat er sich mittlerweile im französischen Fach (zum Beispiel Don José, Hoffmann, Cellini) und als Lohengrin und Erik profiliert. Den Barinkay aus dem „Zigeunerbaron“ wird er, sofern es die Pandemie zulässt, im Mai 2021 in der Wiener Volksoper geben, den Claudio aus Richard Wagners Frühwerk „Das Liebesverbot“ im Juni 2021 in der Oper Leipzig.

Seine Stimme ist so unfassbar reich timbriert dass man ihm jeden Liebesschwur glaubt. In „Als flotter Geist …“ aus dem „Zigeunerbaron gibt er den Schwerenöter, seine Arie „Freunde, das Leben ist lebenswert“ sprüht vor Lebensfreude.

Auch der Dirigent und Moderator Ernst Theis war hingerissen von seinem Startenor. Nach: „Ein Lied geht um die Welt“ entfuhr ihm: „Bravo, Mirko!“

Die Zugabe macht direkt betroffen.  Es ist: das Duett Lippen schweigen“ aus der „lustigen Witwe“ von Franz Lehár, das durch die Einschränkungen wegen der Pandemie eine zusätzliche Bedeutung bekommt. Vor der Zugabe bittet Dirigent und Moderator Theis um Spenden an die

Deutsche Orchesterstiftung – Kennwort Nothilfefonds

IBAN: DE35 1004 0000 0114 1514 05, BIC: COBADEFFXXX

zu Gunsten von durch die Pandemie in Not geratenen freien Künstler*innen.

Inhaltlich haben sich viele Operetten als komplette Stücke überlebt, aber sie enthalten ganz zauberhafte Arien und Duette, die professionelle Opernsänger*innen gerne singen, weil man in diese Stücke sein Herzblut legen kann. Wenn sich Vollprofis wie Natalie Karl und Mirko Roschkowski ihrer annehmen sind diese Arien und Duette Balsam für die Seele und Ablenkungen vom tristen Alltag.

Hier der Link zum kostenlosen Stream

 

  • Rezension des Livestream von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / RED: DAS OPERNMAGAZIN 
  • Titelfoto: Aussenansicht Philharmonie Essen © PE / Sven Lorenz
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