
Anlässlich seines Essener Rollendebüts als Riccardo in Verdis UN BALLO IN MASCHERA am 30.09.22 im Aalto-Musiktheater stand mir der sympathische und gefragte Tenor Carlos Cardoso für ein Interview zur Verfügung. Cardoso hatte in der vergangenen Spielzeit in Essen u.a. als Edgardo in LUCIA DI LAMMERMOOR Erfolge gefeiert, aber auch die Gelsenkirchener Opernfans als Pinkerton in MADAMA BUTTERFLY begeistert. Der junge Tenor aus Portugal überzeugt durch seine angenehm wohlklingende und höhensichere Stimme ebenso, wie durch seine attraktive Bühnenpräsenz, mit der er die jeweiligen Partien so überzeugend darstellt. Er lässt sich Zeit für die Erarbeitung seiner Rollen und überlässt nichts dem Zufall. Essen darf sich glücklich schätzen mit Carlos Cardoso einen Tenor an sein Haus engagiert zu haben, dem die internationale Opernwelt schon jetzt weit offensteht.
(DAS OPERNMAGAZIN – OM): Sie werden am 30. September in Essen mit dem Riccardo aus Verdis Oper „Ballo in Maschera“ debütieren. Eine anspruchsvolle Partie aus dem Tenore spinto-Fach. Was bedeutet Ihnen diese Partie und wie bereiten Sie sich darauf vor?
(Carlos Cardoso – CC): Diese Rolle zu singen, bedeutet für mich, dass ich im Laufe der Jahre meine Stimme so entwickeln konnte, um dieses Repertoire interpretieren zu können. Ich habe meine Gesangstechnik so vertieft, das es mir im Laufe der Zeit möglich wurde, dieses Repertoire nun zu singen und für mich zu entwickeln.

Riccardo ist vielleicht eine der wichtigsten Verdi-Rollen für Tenöre, weil sie ein großes Bewusstsein für die eigene Stimme erfordert und sehr anspruchsvolle Gesangsstücke hat. Ich hoffe sehr das Essener Publikum mit meinem Riccardo überzeugen zu können!
Es muss jedoch gesagt werden, dass Riccardo eine Rolle ist, für die Verdi eine ganz besondere „musikalische Schrift“ geschaffen hat. Bei früheren Verdi-Tenorpartien ist es mitunter schwieriger die Rolle sängerisch zu gestalten. Obgleich der Riccardo eine deutlich schwierigere Partie als einige der Tenorpartien seiner früheren Schaffenszeit ist, so ist er doch so komponiert, dass er sehr gut singbar ist. Es ist gut geschrieben, mit viel legato. Auch im Zusammenspiel mit dem Orchester und seiner Dynamik. Es gibt keinen einzigen Moment, in dem es mir schwerfällt den Riccardo zu singen, weil es für die Stimme so ideal geschrieben ist und ich mich daher ruhig fühle. Ich kann diese Partie leben.
Wenn der Sänger seine Stimme beherrscht, kann er diese Rolle wirklich genießen und singen, ohne über die Fallstricke dieser Partie nachzudenken. Die größten Schwierigkeiten liegen im Duett mit dem Sopran und in der lyrischen Schlussarie des dritten Aktes. Vielleicht sind das die beeindruckendsten Momente der ganzen Oper, aber im Allgemeinen ist es keine Partie, die einen ermüden sollte, wenn die gesamte Vorbereitung dazu gestimmt hat.
Und was die gute Vorbereitung auf mein Essen-Debüt angeht: Ich habe die Rolle bereits im August in Portugal beim Lisboa Opera Fest in Portugal gesungen.
(OM): Was sind Ihre weiteren Pläne? Welche weiteren Rollen werden Sie in der nächsten Zeit einstudieren und singen? Und werden Sie weiter in Ihren bisherigen Rollen zu erleben sein?

(CC): In der Spielzeit 22/23 debütiere ich am Aalto Theater Essen in den Rollen von Gabriele Adorno in „Simone Boccanegra“ und des Pollione in „Norma“, danach singe ich den Rodolfo in „La Bohème“ am Teatro Verdi in Triest. Alle Verdi und Puccini Partien, die ich bereits gesungen habe (Duca, Ismaele, Alfredo, Rodolfo in Luisa Miller und in Bohème, Rinuccio, Pinkerton) möchte ich gerne beibehalten. Unter den anderen Komponisten ist vor allem Donizetti mit seiner „Lucia di Lammermoor“ zu nennen, die ich letztes Jahr in Essen mit großem persönlichem und Publikumserfolg gesungen habe. Ich liebe diese Partie des Edgardo! Eine andere Rolle, die ich gerne öfter spielen würde, ist die des Don José in „Carmen“, die ich in Essen erstmalig gesungen habe und dann in Gelsenkirchen erneut. In Zukunft möchte ich dann auch Cavaradossi in „Tosca“ singen, eine weitere Rolle, für die ich mich bereit fühle. Unter den Verdi-Rollen würde ich sehr gern Don Carlo interpretieren. Und in fernerer Zukunft Il trovatore, Aida und La forza del destino, was Verdi betrifft, und Manon Lescaut und Turandot von Puccini. Aber das hat noch Zeit. Alles Schritt für Schritt!
(OM): Die Leserinnen und Leser des OPERNMAGAZINs interessiert natürlich auch, wo Sie demnächst, außer in Essen, noch auf der Bühne zu erleben sind.
(CC): Letztes Jahr habe ich in Triest in einem Silvesterkonzert gesungen und man hat mir daraufhin verschiedene Rollen angeboten. Aber leider kann ich für die nächste Saison aufgrund früherer Verpflichtungen mit meinem Theater nur Rodolfo in „La Bohème“ singen, aber Triest bietet mir eine längerfristige Zusammenarbeit an und denkt über weitere Rollen und Konzerte nach.
In Triest wurde ich auch eingeladen, den Herzog in „Rigoletto“ zu interpretieren. Sie arbeiten dort sehr ernsthaft und das Triester Publikum ist – wie eigentlich das gesamte italienisches Publikum – ein sehr Besonderes, denen die Oper in ihrer DNA liegt. Ich gehe sehr gerne zurück nach Italien, denn fast alles, was ich gelernt habe, habe ich dort gelernt.

Ich habe die Accademia della Scala in Mailand besucht und dann auch die Scuola dell’Opera di Bologna, die es mir ermöglichte, mein Debüt in Busseto, in Verdis Heimat, zu geben. All dies gab mir die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen und dort zu arbeiten. In Italien habe ich auch weiterhin meine Lehrerin, mit der ich die Technik und das Studium des Gesangs weiter vertiefe. Man darf nie aufhören zu lernen, das Gesangsinstrument muss ständig trainiert werden. Italiener haben einen besonderen Zugang zur Oper, weil es ihre Sprache ist und sie auch einen großen Teil ihrer Geschichte repräsentiert, weshalb ich diesem Land immer verbunden bleiben werde.

Und natürlich habe ich eine besondere Beziehung zu meinem Heimatland Portugal. Ich bin in Lissabon sowohl im Sao Carlo Theater als auch in der Gulbenkian Foundation aufgetreten. Im Jahr 2010 habe ich am Opernstudio des Sao Carlo in Lissabon teilgenommen und von dort aus ernsthaft begonnen, Operngesang zu studieren, daher ist es mir immer eine große Freude dorthin zurückzukehren, um dort zu singen. Die Gulbenkian Foundation ist eine sehr angesehene Institution und dort zu singen, ist für uns portugiesischen Künstler eine besondere Auszeichnung. Es ist der Traum jedes jungen Menschen, welcher am Konservatorium studiert, in diesem Amphitheater singen oder spielen zu dürfen.

Wenn ich dort singe, gehe ich zurück in die Vergangenheit und verstehe, dass es für einen Sänger nie endet zu lernen.
(OM): Ich danke Ihnen für das kurze Gespräch im Vorfeld Ihres Riccardo-Debüts und wünsche Ihnen dazu alles Gute, Freude und viel Erfolg. Für mein OPERNMAGAZIN werde ich mir sehr gern eine der Folgevorstellung ansehen und freue mich dann jetzt schon auf ein persönliches Wiedersehen.
- Interview von Detlef Obens / Herausgeber DAS OPERNMAGAZIN
- Carlos Cardoso AALTO-Theaters / Agenturseite
- Carlos Cardoso auf DAS OPERNMAGAZIN
- Titelfoto: Carlos Cardoso/ Foto @ Opera4u.com GmbH