Zum 15-jährigen Jubiläum des Opernstudios OperAvenir am Theater Basel kam man in den Genuss einer außergewöhnlichen Opernproduktion. Man hatte sich für „Der Barbier von Sevilla“, in italienischer Sprache, die beliebteste Oper von Gioachino Rossini, entschieden und damit einen ganz großen Coup gelandet. (Rezension der Vorstellung v. 20.Mai 2022)
Alexander Krampe hat die wohlbekannte Musik für ein Kammerensemble bearbeitet. Ausführend war das Instrumentalensemble der Hochschule für Musik / Musikakademie Basel unter der Leitung von Hélio Vida. Er selbst spielte am Hammerklavier. So erklang die berühmte Musik für einmal ganz anders, als üblicherweise gewohnt.
Die Inszenierung von Nikolaus Habjan ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Für die optische Wirkung der einzelnen Figuren des Stücks stellt er lebensgroße Puppen als Darsteller in den Vordergrund und lässt die Sänger von hinten gleichzeitig auch als Puppenspieler agieren. Die Puppen hat der Regisseur selbst entworfen und angefertigt. Dabei geht es ihm nicht um Schönheit, denn die Gesichter der Puppen zeigen groteske Züge und sollten den Kern der jeweiligen Rolle überhöht zeichnen. So ist beispielsweise Rosina nicht das hübsche verführerische Mädchen, sondern eine mit riesigen Augen staunende Frau. Eine faszinierende Regieidee, die anfangs etwas irritiert. Aber nach kurzer Zeit konzentriert man sich unwillkürlich auf das Spiel der Puppen. So erlebt man die Handlung via den Puppen, welche sogar die Lippenbewegungen nachahmen.
Für das Bühnenbild ist Jakob Brossmann zusammen mit Marlene Lübke-Ahrend zuständig. Das zentrale Element ist eine große, in sich verschlungene und drehbare Treppe, welche immer wieder neue Auftritte ermöglicht. Lichtgestaltung und – abgesehen von den farbenfrohen Kostümen der Puppen – die schlichten Kostüme der Akteure erzielen eine hinreißende Wirkung.
Besondere Erwähnung gebührt den Sänger/innen, für welche diese Produktion einen Prüfstein für ihr Talent darstellt und dem sie allesamt bestens gerecht wurden. Nebst ihren anspruchsvollen Gesangpartien müssen sie den großen Puppen eigenständige Charakterzüge einflössen, damit die gewünschte Faszination erzielt werden kann. Die Partien, welche fast ausschliesslich mit den jungen talentierten Sänger/innen des Opernstudios OperAvenir besetzt waren, boten eine gute Gelegenheit zu erleben, auf was für einem hohen Niveau hier gearbeitet wird. Großes Kompliment für diese Leistungen und an deren Leiter Hélio Vida.
Einen ganz starken Auftritt als Figaro hatte der südkoreanische Bariton Kyu Choi. Bereits mit seiner Auftrittsarie konnte er das Publikum für sich gewinnen. Ein besonders klarer Bariton, welcher die Hürden dieser anspruchsvollen Rolle aufs beste meisterte. Ronan Caillet als Graf Almaviva konnte mit seinem Tenor mit vielen Facetten glänzen und war in dieser schwierigen Rolle überzeugend.
Die ukrainische Mezzosopranistin Nataliia Kukhar war mit sicher sitzender Stimme und viel Emotion eine ideale Rosina. Die berühmte Arie im ersten Akt wurde zu einem der Höhepunkte des Abends.
Als Bartolo erlebte man den Bariton Diego Savini, welcher bereits auf einigen Bühnen erfolgreich wirkte. Auch seine Stimme passte perfekt in dieses Ensemble. Die Partie der Berta, welche mit ihrer Arie im zweiten Akt glänzte, war mit der aus der Ukraine stammenden Sopranistin Inna Fedorii besetzt. Sie brachte den ganzen Schalk dieser Rolle mit schöner Stimme zu Gehör. Für Basilio war der polnische Bassbariton Jasin Rammal-Rykala die ideale Besetzung. Bassbariton Vinicus Costa da Silva, Student der Musik-Akademie Basel, war in der Rolle des Fiorello/Offizier zu erleben.
Ebenfalls besondere Erwähnung gebührt Stephan Eberhard, welcher während der ganzen Aufführung mit Eleganz und großer Beweglichkeit als Puppenspieler auf der Bühne stand.
Der Herrenchor des Theaters Basel und die Statisterie des Hauses ergänzten diese Produktion von gewohnt hoher Qualität.
Hélio Vida, hier als Leiter des Instrumentalensembles und am Hammerklavier begleitend, war in seinem Element und machte diese Aufführung zu einem Hörerlebnis besonderer Güte. Das auf der Bühne platzierte Instrumentalensemble fiel durch seine Spielfreude auf. Man kann nur erahnen, was für eine umfangreiche Vorbereitungsarbeit der Aufführung vorangegangen ist, bis sich der Vorhang für diese Produktion heben konnte.
Wer den „Der Barbier von Sevilla“ einmal aus ganz anderer Perspektive sehen will, sollte diese Aufführung auf keinen Fall verpassen. Das Publikum liess sich von dieser Aufführung begeistern und bedankte sich mit vielen Bravos und starkem Applaus bei den Mitwirkenden.
Nächste Termine: 29./31. Mai 2./6./14./16./18./23. Juni / Karten und weitere Infos unter DIESEM LINK.
Der Barbier von Sevilla
Opernstudio OperAvenir
Leitung Hélio Vida
Instrumentalensemble Hochschule für Musik Basel
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Titelfoto: Theater Basel/OperAvenir/Barbier v. Sevilla/Foto @ Ingo Höhn