Günther Groissböck

„Den Wotan habe ich im Kopf!“ – Günther Groissböck im Gespräch mit Detlef Obens 

Günther Groissböck/ Foto © Dominik Stixenberger

Über den Bass Günther Groissböck wurde in den letzten Monaten viel geschrieben. Mal waren es seine Äußerungen zur Coronapandemie und dem Umgang damit, dann zu seinen Wotan-Plänen auf dem Grünen Hügel und schlussendlich war sein spontaner Bayreuth – Rückzug von dieser Partie in vielen Medien und in der Opernszene ein großes Thema. Gerade über die überraschende Absage des Walküren-Wotan wurde viel spekuliert. Nun eignen sich Spekulationen äußerst selten dazu über den Menschen, der diese indirekt veranlasst hat, zu berichten. Daher habe ich mich über das ausführliche Gespräch mit Günther Groissböck sehr gefreut. Ich hatte die Gelegenheit ihn kurz vor einem Bayreuthauftritt zu sprechen. „Ich muss nur gleich die Zeit ansagen…“, sagte er mir. Hinweis auf seinen Einsatz als Nachtwächter in Wagners MEISTERSINGER. Ich kann nur Danke sagen für die Zeit, die er sich für unser Gespräch – und die darauf folgenden Kontakte – genommen hat.

 

„Der Wotan bleibt perspektivisch in meinem Kopf“

Detlef Obens (D.O.): Herr Groissböck, in Ihrem Instagram-Statement am Tage nach der Bayreuther Walküre-Generalprobe sprechen Sie Ihr Publikum direkt an und erklären, was Sie letztendlich bewogen hatte, die Partie des Wotan abzugeben. Sie sprachen davon, dass Ihnen Monate fehlten, in denen Sie direkten Publikumskontakt hatten und das Einüben einer solch gewaltigen Partie im „stillen Kämmerlein“ etwas anderes bedeute, als der Liveauftritt vor Publikum. In diesem Zusammenhang denke ich an ein Gespräch, welches ich vor kurzem mit einer jungen Sopranistin geführt habe. Sie sagte mir, dass wir (die darüber schreiben) doch zur Zeit auch daran denken sollen und eigentlich auch müssen, dass so viele SängerInnen Monate des Leerlaufes hatten und man jetzt nicht die Leistungen erwarten darf, die vor der Pandemie vielleicht zu erwarten gewesen wären. Würden Sie das im Zusammenhang mit Ihrer Wotan-Entscheidung teilen?

Günther Groissböck (G.G.): Ja, diese Meinung teile ich auch. Für einen Opernsänger ist der regelmäßige „Wettkampf“ sehr wichtig. Und genau der findet seit über einem Jahr nicht statt. Und das sollten das Publikum und die Presse auch verstehen. Quasi aus dem Stand heraus nun Höchstleistungen zu erbringen ist fast unmöglich. Um den Walküren-Wotan, der ja weit über mein eigenes Gesangsfach hinausgeht, singen zu können, braucht es eben eine perfekte Vorbereitung. Die hat es aufgrund der Coronapandemie für mich nicht gegeben. Ich habe daraus für mich die richtige Konsequenz gezogen“.

D.O.: Im Vorfeld war viel davon zu lesen und zu hören, dass ein Günther Groissböck sicher ein großartiger neuer Bayreuth-Wotan werden wird. Nach Ihrer Absage las man, dass Sie Textprobleme gehabt und die Anforderungen an diese Partie wohl unterschätzt hätten und ähnliches. Für mein OPERNMAGAZIN war eine Kollegin in der Generalprobe und hat über darüber berichtet. Ihr Eindruck war der, dass sie es sehr bedaure, dass Sie ausgestiegen sind. Meine Frage ist daher: fühlen Sie sich von der Presse und Teilen des Publikums verstanden und wie betrifft Sie als Künstler und Mensch so eine Kritik?

Günther Groissböck/ Foto © Dominik Stixenberger

G.G.: Zunächst möchte ich sagen, dass Katharina (Wagner, Festspielleitung. Die Red.) mich verstanden hat. Aber letztlich war es mir nach dieser Generalprobe klar, dass ich absagen muss. Auch aufgrund der vorhin besprochenen sehr speziellen Vorbereitungszeit kann ich derzeit nicht garantieren, diese Partie so zu schaffen, dass es für mich keine bleibenden Schäden hinterlassen und meinen eigenen hohen Ansprüchen an mich selbst zufriedenstellen würde. Was ich aber sagen kann ist, dass der Wotan weiterhin perspektivisch in meinem Kopf bleiben wird. Erwähnen will ich auch noch die ungemein hohen Corona-Maßnahmeregeln, die bei den Festspielen vorherrschten. Mein persönlicher Eindruck ist, dass dies besonders in Bayreuth zu beobachten ist.“

 

Der Opportunismus in der Hochglanzkultur ist noch ausgeprägter geworden“

D.O.: Im Oktober letzten Jahres standen Sie Elisabeth Kulmann für ihren Youtube-Channel WHATTS OPERA DOC Rede und Antwort. Es ging damals um die Gesamtsituation der Theater- und Kunstszene, die durch wiederholte Lockdowns in große Existenzängste geworfen wurde. Ihre damaligen Aussagen fanden viel Zuspruch, aber eben auch deutlichen Widerspruch. Einige Online – Klassikportale urteilten schnell. Ich habe mich damals aus der Diskussion herausgehalten und abgewartet. Auch abgewartet dahingehend, wie sich die Lage entwickelt. Was ich aber berichten kann ist, dass mich viele Meinungen von KollegenInnen von Ihnen erreichten, denen Sie offenbar aus dem Herzen sprachen, aber die sich nicht getraut hätten, dies so wie Sie, öffentlich zu machen. Unter anderem kritisierten Sie die fehlende Solidarität in dieser speziellen Situation unter Sängerkollegen. Meine Frage daher ist nun: Hat sich in den vergangenen gut 10 Monaten diesbezüglich für Sie spürbar etwas geändert? Sind die Künstler inzwischen zu einer stärker hörbaren und sichtbaren Berufsgruppe geworden, die ihre eigenen Interessen vertritt?

G.G.: Nein. Vielmehr beobachte ich, dass die Szene tendenziell noch egoistischer geworden ist. Und der Opportunismus ist in der Hochglanzkultur noch ausgeprägter geworden. Und ehrlicherweise muss ich auch sagen, dass die Künstlersolidarität eher abgenommen als zugenommen hat. Hinzu kommt das erschwerte Zulassen, bzw., Akzeptieren, anderer Meinungen und Sichtweisen. Und leider ist die mediale Berichterstattung oftmals sehr einseitig. Mittlerweile ist der Beruf des Journalisten derjenige, welcher im Laufe der vergangenen 1 ½ Jahre am meisten an Anerkennung verloren hat. Das hat Gründe.“

 

Wagner in Bayreuth und in der Ortenau

Frischluft und Musik Festival Ortenau/WALKÜRE/Offenburg/G. Groissböck

D.O.: Derzeit stehen Sie in Bayreuth noch einige Male auf der Bühne, u.a. als Landgraf Herrmann im Tannhäuser, als Nachtwächter in den Meistersingern und übermorgen im Parsifal als Titurel. Zwischen Ihren Bayreuth-Verpflichtungen haben Sie sich aber auch bereit erklärt, mal eben schnell den Standort zu wechseln und einen Abstecher in die Ortenau in Baden-Württemberg zu machen. Dort hatte der Dirigent Michael Güttler seine eigene Idee von Sommerfestspielen umgesetzt und in diesem Jahr den ersten Akt der WALKÜRE an zwei Abenden aufgeführt. Sie sangen jeweils den Hunding. Die Kritiken sind großartig, für Güttler sicher im Nachhinein ein großer Erfolg und Ansporn sein Frischluft- und Musik-Festival zu etablieren. Von Michael Güttler weis ich, dass Sie beide eine langjährige berufliche Freundschaft und gegenseitige Wertschätzung verbindet. Wie war Ihr rückblickender Eindruck von diesem erstmalig stattgefundenen Festival?

G.G.: Ich habe dort sehr gern mitgewirkt und spontan zugesagt, als Michael mich anfragte. Ja, wir kennen uns schon viele Jahre. Michael Güttler war übrigens mein erster Dirigent dem ich als professioneller Sänger vorgesungen habe. 2001 war das. Der Sarastro am Theater Klagenfurt. Ich erinnere mich sehr gern daran zurück. An Güttler schätze ich u.a. sein herrlich „modern-altmodisches“ Musikbewusstsein im allerbesten Sinne und seine große Erfahrung als Dirigent. Und natürlich unterstütze ich gern neue Formate wie dieses Frischluft- und Musik-Festival.“

 

Beim Radfahren kann ich Probleme zertreten“

Günther Groissböck (grüner Helm) – Foto privat

D.O.: Wer Ihnen auf Twitter und Instagram folgt, weis, dass Sie ein sehr sportlicher Mann sind. An ausgedehnten Radtouren im Tessin und in Norditalien lassen Sie Ihre Follower via Fotos teilhaben. Radtouren haben es in sich, dass sie meistens eine Einzelsportart sind, also kein Mannschaftserleben. Viele, die diesen Sport – auch als Freizeitbeschäftigung – betreiben sagen, dass es nicht nur der körperlichen Fitness dient, sondern auch der mentalen. Was bedeutet Ihnen dieser sportliche Ausgleich?

G.G.: Sehr viel. Beim Radfahren kann ich denken und Probleme förmlich zertreten. Es geht aber auch um Ausdauer, um Leidensfähigkeit und irgendwie ist es auch eine mentale Schule. Ein für mich sehr wichtiger Ausgleich zu meinem Leben auf der Bühne und als Künstler.“

 

„Ich bin wie eine Pflanze, die Wurzeln schlagen will“

D.O.: Sie haben in Ihrer Weltkarriere schon viele persönlich-künstlerische Gipfel erreicht. Ihre Fangemeinde ist riesig und die Nachfrage nach Günther Groissböck ist demzufolge sehr groß. Als Baron Ochs sind Sie aktuell weltweit gefragt. Die Liste der Opernhäuser, an denen Sie gastieren ist eindrucksvoll. New York, Mailand, Paris, Wien, Berlin, London, usw. Ein Weltbürger sozusagen. Jemand aber, der fern der Metropolen groß geworden ist. In Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich. Einer Stadt mit gerade 11.000 Einwohnern. Heute leben Sie mit Ihrer Familie im Tessin. Einer der schönsten Gegenden der Schweiz. Darf man Sie als heimat- und naturverbunden bezeichnen?

Günther Groissböck/ Foto © Dominik Stixenberger

G.G.: Absolut! Großstädte machen mich nicht glücklich. Ich habs gern bergig und mit Ausblick. Und wo Sie gerade die Wiener Staatsoper und die Mailänder Scala erwähnen: Beide Opernhäuser haben für mich auch eine Heimatbezogenheit. Wien, weil es relativ nah an meinen Geburtsort Waidhofen liegt, und die Scala ist von meinem jetzigen Wohnort ja auch nicht weit entfernt.  Ich erinnere mich gern daran, wie ich einmal Besuch von meinem damaligen Fussballtrainer aus Waidhofen bekam, der eigens in die Staatsoper Wien kam, um mich dort auf der Bühne zu erleben.

Ich brauche einfach diese Erdung an eine Region. Da bin ich wie eine Pflanze, die Wurzeln schlagen will.“

 

D.O.: Lieber Herr Groissböck, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen persönlich und beruflich alles Gute.

 

 

  • Das Interview führte Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN- ©08-2021
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  • Titelfoto: Günther Groissböck/ Foto © Dominik Stixenberger

 

 

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