
Der 2026 scheidende Wuppertaler Generalmusikdirektor Patrick Hahn, gerade 30 geworden, führt nach fünf Jahren als Wuppertaler GMD als Abschiedsprojekt mit den Musikerinnen und Musikern des Sinfonieorchesters Wuppertal an vier Konzertabenden den „Ring des Nibelungen“ konzertant auf und begann mit dem „Rheingold“ am 19. Oktober 2025. Für seine Version als Konversationsstück mit großem Orchester hat man ein erlesenes Ensemble hochkarätiger Solisten aufgeboten. Das Sinfonieorchester Wuppertal machte eine gute Figur, und Patrick Hahn empfiehlt sich hiermit für größere Aufgaben.
Die Historische Stadthalle Wuppertal, eröffnet am 24. Juli 1900, prunkvoller Historismus mit neobarocken Elementen, war jedenfalls ausverkauft, denn es hatten sich neben dem Wuppertaler Publikum zahlreiche Wagner-Begeisterte eingefunden, von denen einige kurz vorher noch in Bayreuth waren. Die historische Stadthalle gilt als eine der schönsten Veranstaltungshallen Deutschlands und ist berühmt für ihre herausragende Akustik. Sie demonstriert mit ihren neobarocken Kuppeln und Zinnen und ihrem aufwändigen Interieur großbürgerlichen Reichtum der Gründerzeit in Wuppertal, das durch seine florierende Textilindustrie reich geworden ist. Walhall in der Wuppertaler Version!

Patrick Hahns Vorhaben kann nur als ambitioniert bezeichnet werden, denn in Wuppertal wurde der „Ring des Nibelungen“ vor 40 Jahren zum letzten Mal gespielt, und Hahn dirigiert ihn zum ersten Mal. Das Wuppertaler Sinfonieorchester muss mehr als 15 Stunden anspruchsvolle Orchestermusik mit einem Ensemble von Gastsängerinnen und -Sängern einstudieren, um sie einmal in der Historischen Stadthalle, dem Konzerthaus der Stadt Wuppertal, aufzuführen.
Das Konzerthaus ist per se ein Schuckstück und ziemlich genau 125 Jahre alt. Auf der Bühne, auf den Rängen und aus der Mitte des Publikums heraus nahm das Musikdrama seinen Lauf, wobei vor allem Joachim Goltz als Alberich mit den auf dem Rang platzierten Rheintöchtern sehr lebendig agierte. Auch die Verwandlungen Alberichs wurden mit Lichteffekten sehr suggestiv dargestellt. Das Orchester, auf das man naturgemäß mehr Aufmerksamkeit verwendete als bei einer szeniscehn Umsetzung, glänzte in einer großen, überlegten Dynamik. Hahn achtete auch darauf, die Singenden niemals zu übertönen, so dass man den Gesang nicht nur in den Übertiteln mitlesen, sondern auch verstehen konnte. Beim Einmarsch der Riesen Fafner und Fasolt bebte das Haus, am Anfang schichtete sich auf den leisen, tiefen Es-Dur-Akkord der Kontrabässe eine Instrumentengruppe nach der anderen, bis man schließlich den fließenden Rhein zu erkennen glaubte. Patrick Hahn hat offensichtlich ein durchdachtes Konzept, und ich bin neugierig auf die weiteren Teile. Die fünf Schlagzeuger, die deutlich sichtbar unterhalb der Ogel platziert waren, hämmerten auf Schwebebahnschienen als Ambosse, um die frühindustrielle Produktion der Nibelungen im dritten Bild mit der Stadt Wuppertal zu verknüpfen.
Mir hat die halbszenische Umsetzung von Fabio Rickenmann völlig ausgereicht, um die Personen zu erkennen und die Handlung zu verfolgen. Man hat zum Beispiel die Kleidung auf die Rollen abgestimmt: Wotan, Donner und Froh im Frack, Loge im schillernden blauen Dinnerjeacket, Alberich im schwarzen Dreiteiler. Die entzückende Juliana Zara trug als Rheintochter ein Kleid mit einem blauen Streifen, als Freia ein Kleid aus Gold, das den Umfang des Goldschatzes verdeutlichte, den Wotan von den Nibelungen, vertreten durch Alberich, erpresst hatte, aber nach der Warnung durch Erda (wundervoll: Marta Hermann, die auch die Floßhilde darstellte) restlos an Fafner und Fasolt abgab.

Erfreulich waren die Darstellungsleistungen der Sängerinnen und Sänger, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie ein „Projektensemble“ waren und erst zwei Tage vorher mit dem Orchester proben konnten. Bariton Joachim Goltz als Alberich ist so mit seiner Rolle verwachsen, die er gerade noch in Dortmund verkörperte, dass er absolut authentisch wirkte. Er lebte die Partie des gedemütigten Freiers mit Mut auch zu hässlichen Tönen. Er entsagte der Liebe, der Menschlichkeit, um durch den aus dem Rheingold geschmiedeten Ring die Weltherrschaft zu erlangen. Dazu half ihm die von ihm selbst ersonnene Tarnkappe, so dass er in der dritten Szene in Nibelheim als erfolgreicher Kapitalist erschien. Seinen Bruder Mime, den weinerlichen von Alberich unterdrückten Schmied, sang Cornel Frey, der das schon im Hilsdorf-Ring gesungen hat. Der aalglatte Rechtsverdreher und Winkeladvokat Loge, den Michael Laurenz auch an der Wiener Staatsoper verkörperte, reizte Alberichs Eitelkeit und legte ihn auf diese Weise mit einem miesen Trick, nämlich der Herausforderung, sich in eine Kröte zu verwandeln, aufs Kreuz. Diese Kröte wurde wunderbar durch Lichteffekte verdeutlicht, die kreuz und quer durch die Halle sprangen. So wurde Alberich von Loge und Wotan körperlich überwältigt und gefesselt. Michael Kupfer-Radecky gab den Wotan mit staatsmännischem Gehabe im Frack als schwachen Herrscher, der an Recht und Gesetz gebunden ist, wie der beeindruckende Bass Guido Jentjes, der als Fasolt eindringlich auf der Einhaltung der Verträge bestand, betonte. Von allen Seiten bedrängt leidet Wotan auch noch unter den lästigen Ermahnungen durch seine Gattin Fricka, der Hüterin der Ehe und Familie (Jennifer Johnston), die an ihrer Schwester Freia hängt. Dass er den Bauvertrag Walhalls mit Fafner und Fasolt, der den Riesen die schöne Freia, Göttin der ewigen Jugend als lebendes Honorar zusichert, unterzeichnet hat, bringt ihn in echte Verlegenheit. Parallelen zur Gegenwart sind nicht zufällig!
Loge, ganz der aalglatte Anwalt, stößt zur Krisensitzung im Hause Wotan, bei der Schwager Donner (Thomas Laske) die Riesen einfach mit Gewalt abwimmeln will, während Froh (Patrik Reiter) voller Empathie für seine Schwester Freia argumentiert. Loge sichert das Bemühen um eine Lösung zu, aber nicht den Erfolg, und berichtet über das von Alberich geraubte Rheingold. Wotan als Vertreter der Ordnungsmacht sieht eine Chance, den Konflikt zu lösen. Nachdem man Alberich das Rheingold samt Tarnkappe und magischem Ring, der die Weltherrschaft verleiht, abgepresst hat, verflucht Alberich den Ring. Dieser Fluch beeindruckte auf der ganzen Linie, legte Goltz doch all seine Verbitterung und seine Rachsucht hinein. Fasolt ist das erste Opfer des Fluchs, der auf dem Ring des Nibelungen liegt, denn er wird im Streit um den Ring von seinem Bruder Fafner (Kurt Rydl) erschlagen.
Besonders das „Rheingold“ ist in der Tat eine Parabel über Macht und Gier, in der Wagner dem Kapitalisten Alberich die Menschlichkeit abspricht und den Herrscher Wotan als schwache Figur zeigt. Das Trio der Rheintöchter, naturnahe Wesen, denen Alberich das Rheingold nur deshalb rauben konnte, weil er auf die Liebe verzichtete, wurde komplettiert von Edith Grossman als Wellgunde. Ihre Klagen um das geraubte Rheingold, aus dem der Nibelung Alberich den Ring schmiedete, der seinen Fluch auf seine Besitzer bereits bewiesen hat, beendet vorläufig die Geschichte des „Ring des Nibelungen“. Der Frevel durch die Ausbeutung der Natur bleibt noch ungesühnt. (Artikel bearbeitet am 22.10.2025)
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Wuppertal / Sinfonieorchester/ Stückeseite
- Titelfoto: Sinfonieorchester Wuppertal/DAS RHEINGOLD/ Foto: Copyright: Sinfonieorchester Wuppertal / Yannick Dietrich
Wie lang, ausschweifend, umständlich geschildert. Wie wärs nächsten mit knappen Fakten, denn wer das liest kennt das/ die Stück/e ohnehin.
Nix für ungut.
Wir sind für sachliche Kritik immer offen. Frau Hartlapp-Lindemeyer hat ihren Artikel inzwischen gekürzt und auf wesentliches zusammengefasst. Herzliche Grüße, Detlef Obens (Herausgeber)
„Die ersten Bayreuther Festspiele eröffnete Richard Wagner am 13. August 1876, an seinem 73. Geburtstag, mit dem „Rheingold“.“ – Ist klar, weil Wagner bekanntlich am 13. August 1803 geboren wurde…
Man kann es nicht beschreiben. Man ist von 1.Ton bis zum Schluß Akkord in einer anderen Welt. Orchester ,Dirigent und das gesamte Ensemble sind einfach ganz grosse Spitze. WELTKLASSE !!!
Im Januar folgt Walküre usw.