Ballett Zürich: „Clara“ – Die Klaviatur eines Lebens

Ballett Zürich/CLARA/S. Williams, G. Giani, E. Berlanga, F. DellÀria/,Foto: Carlos Quezada

Wenn man sich mit dem Leben von Clara Schumann beschäftigt und es für ein Ballett choreografieren will, ist dies eine große Herausforderung, denn Clara Schumann war eine unglaublich vielseitige und mutige Frau. Schon als Mädchen begegnete sie dem neun Jahre älteren Robert Schumann und daraus entwickelte sich nicht nur eine Romanze, sondern eine Ehe und eine von Tragik geprägte Verbindung. (Rezension der Uraufführung vom 11. Oktober 2024)

 

Claras Vater Friedrich Wieck war Klavierlehrer und wollte mit dem musikalisch außerordentlich begabten Kind auch finanziellen Nutzen ziehen und sie als Wunderkind präsentieren, war sie doch für ihn der Beweis für seine erfolgreiche Lehrmethode. Da Robert Schumann ebenfalls bei Wieck als Schüler Musikunterricht nahm, begegnen sich die beiden Ausnahmetalente.

Als Clara mit sechzehn Jahren ihr selbst komponiertes Klavierkonzert zur Uraufführung brachte, nahm Robert Schuhmann sie zum ersten Mal auch als Frau wahr. Doch Vater Wieck war gegen eine Verbindung, da er seine Tochter nicht an jemand anderen übergeben wollte. Mit allen Mitteln versuchte er, Clara von Robert fernzuhalten. Doch Clara, hin und hergerissen zwischen Vater und Liebe, entschied sich für die Ehe mit Robert Schumann.

Ballett Zürich/CLARA/Foto: Carlos Quezada

Heimlich verlobten sich die beiden und konnten nach etlichen Schwierigkeiten drei Jahre später endlich heiraten. Die zahlreichen Kinder, welche Clara gebar und die ständig damit verbundenen Sorgen, wie man den Haushalt, das Komponieren und die finanziellen Probleme unter einen Hut bringen könnte, brachten Clara und vor allem Robert an ihre physischen und psychischen Grenzen. Clara machte es sich zur Aufgabe, Konzerte zu organisieren, wo die Werke ihres Gatten zur Aufführung gebracht werden konnten. Doch Robert war all diesen Herausforderungen nicht gewachsen und verlor mehr und mehr die Kontrolle über Zeit, Musik und schließlich auch über seinen Verstand.

Da erschien im Leben der beiden der junge Komponist Johannes Brahms, welcher sein bewundertes Vorbild Robert Schumann aufsuchte. Sie wurden Freunde und Brahms brachte frische Impulse und neue Energie ins Haus. Brahms wurde zur Obsession von Robert, der alles unternahm, um Brahms größte Anerkennung in der Musikwelt zu verschaffen. Doch Robert fand keine innere Ruhe und sein Leben wurde immer mehr von seiner geistigen Krankheit überschattet. Verzweifelt stürzte er sich in den Rhein, konnte aber vom Brückenmeister und anderen zufällig Anwesenden gerettet werden. Er verstarb im Jahre 1856, zwei Jahre nach seiner Einlieferung in die Nervenheilanstalt.

Ballett Zürich/CLARA/Chandler Dalton, Max Richter/Foto: Carlos Quezada

Clara musste von da an alleine für die Familie sorgen und suchte unter anderem auch Hilfe bei Johannes Brahms. Die gemeinsame Liebe zu Robert verband sie, aber gleichzeitig wirkte sie auch trennend. Für Johannes war Clara eine zu starke Persönlichkeit und Clara ihrerseits fühlte sich nicht in der Lage, eine neue Verbindung eingehen zu können. Da entschied sich Johannes für den Wegzug und widmete sich seither ganz seiner Musik. Clara war selbständig genug, um noch viele Jahre weiter als Klaviervirtuosin, Mutter und Managerin tätig zu bleiben.

Cathy Marston gelingt in Ihrer Choreographie eine bestechende Darstellung dieses facettenreichen Lebens. Sie zeigt Claras Vielseitigkeit in sieben Gestalten auf. Jede ihrer prägenden Eigenschaften und Stärken wird durch eine andere Tänzerin verkörpert.

Zu erleben sind Giorgia Giani als Wunderkind, Ruka Nakagawa als Künstlerin, Nancy Osbaldeston als Ehefrau, Sujung Lim als Mutter, Inna Bilash als Pflegerin, McKhayla Pettingill als Managerin und Max Richter als Muse. Dabei entstehen anrührende Szenen. Eine überzeugende Idee, um diese außergewöhnliche Persönlichkeit in ihrer Vielfältigkeit darzustellen.

Mit einer umwerfenden Rollengestaltung und tänzerisch großartigen Leistung hat sich Karen Azatyan, der neue erste Solist des Zürcher Balletts, vorgestellt. Er fasziniert vom ersten Moment seines Auftritts an durch seine unglaubliche Beweglichkeit und seine starke Bühnenpräsenz. Seine Interpretation des Hin- und Hergerissenen Robert Schumann begeistert.

Ebenfalls bestens besetzt sind die beiden weiteren Männergestalten, welche im Leben von Clara eine ganz entscheidende Rolle gespielt haben. Esteban Berlanga gestaltet eindrücklich den strengen Vater Friedrich Wieck. Chandler Dalton, als Johannes Brahms, gibt mit seiner jugendlichen Ausstrahlung den perfekten Gegenpol, zu Claras Vater. Auch hier darf man von großartigen tänzerischen Leistungen berichten.

Ballett Zürich/CLARA/K. Azatyan, Tänzer Ballett und Junior-Ballett/Foto: Carlos Quezada

Shelby Williams als Mariane Wieck, Joel Woellner als Adolph Bargiel, Francesca Dell‘Aria als Christel und Pablo Octávio als Joseph Joachim, sowie Mélanie Borel als Gouvernante, Wei Chen und Dustin True als Anwälte, Jorge Garcia Pérez und Mlindi Kulashe als Orchesterdirektoren, Marià Huguet als Dr. Richarz und Wei Chen als Dr. Peters, sowie das weitere Ensemble vermochten in jeder Hinsicht zu überzeugen und bewiesen einmal mehr, dass das Ballett Zürich zu den führenden Ensembles gehört. Lila Michel, Aljoscha Nielsen, Malina Pfister, Philipp Rauber und Adélie Roch von der Tanz Akademie Zürich beeindruckten als die Schumann Kinder.

Das Szenarium mit wenigen Requisiten von Cathy Marston und Edward Kemp, sowie das Bühnenbild von Hildegard Bechtler und die Kostüme von Bregje van Balen, sowie die Lichtgestaltung von Martin Gebhardt boten raffinierte Einblicke und ließen den Tänzer/innen viel Raum für die Rollengestaltung. Man war von der Vielfalt an neuen choreografischen Ideen Cathy Marstons regelrecht in Bann gezogen. Mit feinsten Nuancen wurden die einzelnen Gefühlszustände erarbeitet, aber auch die energiegeladenen Ensembletänze beeindruckten.

Ein so großes Projekt erfordert eine gekonnte Zusammenstellung der Musik. Diese wurde von Philip Feeney, welcher auf dem Gebiet der Komponisten für den Tanz große internationale Anerkennung genießt, zusammengestellt. Die Musik von Clara Schumann, Robert Schumann und Johannes Brahms hat er mit Überleitungen aus eigener Feder gekonnt zusammengefügt. Genau diese Überleitungen machen es möglich, die Originalkompositionen harmonisch ineinanderfließen zu lassen.

Mit der Pianistin Ragna Schirmer hat man das große Glück, eine der ausgezeichnetsten Clara Schumann – Spezialistinnen zur Verfügung zu haben. Zusammen mit der Philharmonia Zürich unter der Leitung von Daniel Capps kam ein Abend voller Emotionen und wunderbarer Musik zustande, welcher sicher noch lange nachhallen wird. Das Publikum zeigte sich begeistert und bedankte sich bei allen Mitwirkenden mit vielen Bravos und Standing Ovation. Es sei den Ballettfreunden geraten, sich rechtzeitig für die folgenden Vorstellungen Karten zu sichern.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Ballett Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Ballett Zürich/CLARA/Karen Azatyan, Nancy Osbaldeston/Foto: Carlos Quezada
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