Gleich zwei Werke an einem Abend präsentierte die Berliner Operngruppe am 13. Juni im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Neben der Berliner Erstaufführung von „Zanetto“ von Pietro Mascagni, stand „Il Segreto di Susanna“ von Ermanno Wolf-Ferrari auf dem Programm. (Besuchtes Konzert am 13. Juni 2022)
Ob der vermeintliche Liebhaber oder die sich nicht preisgebende Geliebte – der unbekannte Dritte schwebt an diesem Abend über allem. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat sich die Berliner Operngruppe einen Namen damit gemacht, selten zu hörende Opern aufzuführen. In diesem Jahr präsentierte das Ensemble bestehend aus freischaffenden Musiker:innen, Student:innen und einem hochklassigen Amateurchor unter der künstlerischen Leitung von Felix Krieger zwei italienische Opern aus der Zeit um 1900. Wie Tag und Nacht stehen sich die zwei Einakter aus der Hand zwei sehr unterschiedlicher Komponisten gegenüber. „Zanetto“ ist eine träumerisch-melancholische Tragödie über unerreichbare Liebe; „Il Segreto di Susanna“ eine gleißend-fröhliche Komödie über das liebe Laster und eine große Verwechselung. Beide Werke sind Zwei-Personen-Stücke, in denen eine unsichtbare Dritte Person – die es im Zweifel auch gar nicht gibt – eine entscheidende Rolle spielt.
Der Abend beginnt in einer lauen italienischen Nacht. Bis zum Morgengrauen wird Pietro Mascagnis „Zanetto“ sein Ende gefunden haben. Die vom Komponisten selbst als „scena lirica“ bezeichnete Oper ist die sechste von insgesamt 15 Opernwerken des Italieners, die alle nicht an den Erfolg seines Erstlingswerkes „Cavalleria rusticana“ anknüpfen konnten. So ist die Aufführung durch die Operngruppe auch die Berliner Premiere des Stückes. „Zanetto“ spielt auf dem Lande in der Nähe von Florenz zur Zeit der Renaissance. Erzählt wird die Geschichte der Begegnung zwischen der schönen Kurtisane Silvia – ewiglich auf der Suche nach der Liebe und doch wird sie sich, gerade als sie im Begriff ist, diese zu finden, selbst verleugnen – und dem jungen fahrenden Spielmann Zanetto. Musikalisch klingt das melancholisch und dunkel. Fast kammermusikhaft gestaltet Dirigent Felix Krieger mit seinem Orchester, sie untermalen und umspielen die Sängerinnen. Gleich zu Beginn singt der Chor und gestaltet die Ouvertüre vokalistisch, so schweben die ersten Töne durch den Saal. Leider ist es das einzige Mal, dass der Chor an diesem Abend singen darf. Wahrscheinlich eine Folge der pandemischen Bedingungen, die Chorproben lange Zeit schwer bis unmöglich machten. Stattdessen stehen Narine Yeghiyan, die kurzfristig für die erkrankte Elbenita Kajtazi als Silvia eingesprungen ist, und Yajie Zhang in der Hosenrolle als Zanetto im Mittelpunkt des Abends. Yeghiyan singt die Rolle zum ersten Mal und mit nur einer Orchesterprobe. Dafür meistert sie ihre Aufgabe mit Bravour. Ihr Sopran ist kernig und strahlend, in den Höhen leicht metallisch. Ihr gegenüber schafft Zhang einen vollen, ebenmäßigen und abgerundeten Klang, dabei legt die Mezzosopranistin viel Wert auf Gestaltung und gibt ihrer Rolle einen jugendlich-spielerischen Anklang. So ist Zhang eindeutig die Entdeckung des Abends. Die geplante halbszenische Einrichtung der Oper tritt aufgrund der kurzfristigen Umbesetzung in den Hintergrund.
Ganz anders nach der Pause, als es aus der Nacht zum Tag, von der Tragödie zur Komödie geht. Graf Gil verdächtigt seine Gattin Susanna einer Affäre – denn woher sonst soll der Zigarettenrauch in ihrem Haus kommen? Im folgenden Einakter entspinnt sich eine Verwechselungskomödie, an dessen Ende herauskommen wird, dass die gelangweilte Ehefrau selbst dem Laster frönt und in Abwesenheit des Gatten gerne die ein oder andere Zigarette raucht. Einfach glücklich, dass seine Frau ihn nicht betrügt, fällt der sonst so tugendhafte Ehemann selbst mit in das Laster ein; fortan rauchen Graf und Gräfin gemeinsam. Die szenische Gestaltung der Oper durch Isabel Ostermann ist eine interessante Zugabe, die an manchen Stellen jedoch etwas hölzern und allzu offensichtlich wirkt. Körperbetont stolpert Guido Lambrecht als stummer Butler über die Bühne oder versucht die Rauchwolke der Gräfin zu verwedeln. Das bringt Lacher, wirkt an einigen Stellen aber überflüssig. Gesanglich glänzt Lidia Fridmann als Susanna. Sie zeigt große Klarheit in allen Lagen und zeigt ihr volles Können vor allem in der Höhe. Die Rolle des Grafen Gil wird von Omar Montanari übernommen. Mit vollem, manchmal etwas schwankendem Bariton navigiert er sich mit großem Elan und passender Italianità als eifersüchtiger Ehemann durch die Oper. Auch im zweiten Werk des Programms glänzen Krieger und das gut aufgelegte Orchester der Berliner Operngruppe wieder, sodass sich der Weg zu diesen zwei Raritäten am Ende des Abends gelohnt hat.
- Rezension von Svenja Koch / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Berliner Operngruppe
- Konzerthaus Berlin
- Titelfoto: Konzerthaus Berlin (Credit: Christian Ender)