In der „Macht des Schicksals“ von 1862 geht es stellenweise zu wie in einer Räuberpistole. Es wird geschossen und geflohen, verraten und gerichtet, so dass der Zuschauer sehr schnell den Überblick verliert. Dabei schreckte Guiseppe Verdis Librettist Francesco Maria Piave vor keinem noch so unglaubwürdigen Zufall zurück. Gleich zu Beginn bricht ein Reigen der Ungereimtheiten über das staunende Publikum herein: Ein Schuss aus einer heruntergefallenen Pistole streckt den Vater Leonora de Vargas nieder. Schütze wider Willen ist Don Alvaro, der Geliebte dieser jungen Frau. Das unglückliche Paar muss fliehen, um der Verfolgung durch die irdische Justiz zu entgehen. Wie sich bald herausstellt, versucht auch Don Carlo, Leonoras Bruder, den vermeintlichen Mord an seinem Vater zu rächen. Fortan jagt ein inhaltlicher Hasenhaken den nächsten, bis am Schluss so gut wie alle Beteiligten sterbend in ihrem Blute liegen.
Diese etwas hanebüchene Schmonzetten-Handlung wird durch die gewohnte Majestät der Verdi eigenen Musik allerdings mehr als entschuldigt. Von der Ouvertüre an zieht sich das bekannte Schicksalsmotiv durch das Stück, welches in der Erstfassung im Bolschoi-Theater von Sankt Petersburg uraufgeführt wurde. Zu Mailänder Scala-Ehren gelangte die Oper dann sieben Jahre später, nachdem eine Neufassung des Librettos einige inhaltliche Wendungen zurechtgebügelt hatte.
Unter der Leitung von Domonkos Héja verleihen die Augsburger Philharmoniker der „Macht des Schicksals“ nun jene Würze, die einen Opernbesuch erst zum wahren Hörgenuss werden lässt. Ohne Pathos, aber mit Leidenschaft strömten die Töne durch das Behelfstheater im Martinipark.
Weit experimenteller wagte sich Regisseur und Intendant André Bücker an seine Aufgabe. Der 1969 geborene Niedersachse transferierte den Schmachtfetzen aus dem 19. Jahrhundert kurzerhand ins korrupte Südamerika. Im Mittelpunkt: Eine Koksküche, in der kriminelle Elemente im sterilen OP-Look ihr Handwerk verrichten. Hinzu kommen anscheinend der Mafia zugehörige Gestalten, welche Bücker mit Sonnenbrillen, greller Kleidung, automatischen Gewehren und quietschgelben Gummistiefeln ausstaffiert. Selbst die ach so braven Mönche marschieren sehr ungewohnt einher: In einer Art weißen Schlafgewand, plus – damit es nicht gar so artig aussieht – mit Schnellfeuerwaffen an der Seite. Die Bettler – und mit ihnen die für die Kostüme verantwortliche Suse Tobisch – dürfen sich im Flower-Power-Look sowie mithilfe einer Garnitur Müllsäcke farblich so richtig austoben.
Die Handlung spielt vor dem immer gleichen Hintergrund, einem altrosa dekorierten Zimmer, das der jugendlichen Leonora zugeordnet ist. In einer der Video-Projektionen, welche sich durch die Inszenierung ziehen, sieht man die (Anti-)Heldin, wie sie sich unruhig in ihrem Bett hin- und herwirtft. Regisseur André Bücker überlässt die Entscheidung, ob all die Verwicklungen des Stücks vielleicht nur den Albträumen der traumatisieren Leonora entsrpringen, dem Publikum. So gesehen, könnte man das wirr wackelnde Geschehen auch als Pubertäts-typische Unruhe interpretieren.
Da Tod und Liebe sich in ihrer Bedingungslosigkeit gleichen, irrlichtert neben einem die Szene beherrschenden, riesigen rosa Bett – als Symbol für den Eros – auch immer wieder ein mexikanisch angehauchtes Skelett über die Bühne. In Gestalt einer betont aufreizenden Frau in roten Stöckelschuhen und einer Automatikwaffe über der Schulter finden die Motive von Sterben und Sex schließlich sogar zur Symbiose. Dem stehen dominante männliche Figuren gegenüber, die das Prinzip des Machismo auf die Spitze treiben.
So interpretiert etwa Leonardo Gramegna die Partie des Don Alvaro mit betont maskulinem Pathos. Auch Alejandro Marco-Buhrmester präsentiert einen aggressiv voranpreschenden und singenden Don Carlo, stellenweise flankiert vom Bass des Padre Guardiano (Stanislav Sergeev). Fast schon auf die Hauptrolle abonniert ist in Augsburg zudem Sally du Randt, die für ihre Partie als unselige Leonora mit warmem Applaus bedacht wurde. Weniger Gefallen erweckte anscheinend die Regie, welche in ihrer Radikalität dem Zuschauer einiges abverlangt.
- Rezension der besuchten Vorstellung v. 28.3.2018 von Dr. Daniela Egert
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- Titelfoto: Theater Augsburg/ La Forza des destino/ Rita Kapfhammer, Opernchor des Theater Augsburg
Foto: Jan-Pieter Fuhr