
Grandioses Comeback des Weltstars Elina Garanca nach der Babypause
Was soll ein Kritiker schreiben, wenn er die zur Zeit vielleicht beste Opernsängerin der Welt hört? Ein Thron, den sie sich – meiner persönlichern Meinung nach – mit Frau Netrebko fair teilen kann. Der noch gar nicht so lange Werdegang der 38-Jährigen weist alles auf:
1999 Sieger Internationaler Mirjam-Helin-Gesangswettbewerb in Finnland
Danach Opernkarierebeginn in Meiningen!
2006 Europäischer Kulturpreis für Musik
2007 und 2009 Sängerin des Jahres (ECHO Klassik)
2010 Vokalistin des Jahres (Musical America)
2013 Österreichische Kammersängerin (Wiener Staatsoper)
2013 wieder ein ECHO Klassik für ihr Album Romantique
Noch dazu wenn sie das Konzert mit einer so hochschwierigen Nummer, wie “Repentir” (Charles Gounod) eröffnet und dies so ungeheuer berufen singt, daß einem wirklich der Atem stockt. Gounod weinte im Komponistenhimmel. So singt eine Diva! Das ist begnadeter, erkorener Gesang – für einen Kritiker immer wieder wichtig zu hören, denn wir leben ja alle 😉 in der Vergangenheit und vergöttern längst verstorbene Diven. So etwas schafft aktuelle lebende ! Maßstäbe und erfreut Herz & Seele. Dank an den Privatanbieter PRO ARTE der einen solch grandiosen Abend (man bekommt ja keine Subventionen!) zu Preisen zwischen 40 und 110 Euro angeboten hat. Fahren Sie mal pars pro toto nach Baden Baden oder Wien – von New York möchte ich gar nicht erst sprechen.
So, oder ähnlich haben sich bestimmt vor über 50 Jahren Opernfreunde gefühlt, welche das erste Mal die Große Callas live hörten. Da sitzt man als Kritiker und kann nur noch erschlagen „Wow!“ stöhnen. Einen derart begnadeten traumhaften Mezzo habe ich in meinem Leben noch nicht live gehört; dabei hätte ich mit etwas mehr Geld im Portemonnaie in jungen Jahren Maria Callas noch durchaus mitbekommen können.
Dass die Stimme durch die Geburten schwerer und noch etwas reicher geworden ist – ähnlich wie bei Anna Netrebko – ist ein Glücksfall für alle Opernfreunde. Noch immer singt sie nie am Limit, obwohl sie sich vor dem Konzert für leicht indisponiert erklären ließ; was nicht unbedingt nötig gewesen wäre, denn alle Töne saßen perfekt.
Ihr Ehemann, der sympathische Dirigent Karel Mark Chichon leitet kein pures Begleit- und Reiseorchester; nein, die Brünner Philharmoniker gehören unstrittig zu den Top-Orchestern der ersten Garde, was sie durch die vielfältige Programmauswahl auch beweisen konnten.
Johann Sebastian Bach: AIR aus der Orchestersuite Nr. 3 D-Dur, BWV 1068 – in der Bearbeitung durch Karel Mark Chichon – erklang mit großer Tiefe und Würde und trotze in dieser bravourösen Interpretation aller Seichtigkeit tausendfacher Schlagerverarbeitung. Ein schöner Auftak; Bearbeitung: Karel Mark Chichon.
Da war dann auch die FINLANDIA von Jean Sibelius, op. 26 überhaupt nicht fehl am Platz, denn gefühlvoller spielt dieses wunderbare Stück auch Neeme Järvi mit den Goteburgern nicht – und blitzblank leuchtende goldene Bläser – Bravi!
Natürlich war die Ouvertüre eines Publikumslieblings LA FORZA DEL DESTINO zielsicher und stimmungsvoll auch als Vorspiel zu Leonoras Arie „Pace, pace mio Dio” arrangiert worden, wobei auch hier wieder hör- und sichtbar wurde, wie traumhaft der Dirigent Chichon seine angeschlagene Ehefrau auf Händen trug und mit ihr atmete. Man sah ihnen die Erleichterung an, als alles perfekt klappte. Der Stein, der beiden vom Herzen fiel, war bis ins Publikum wahrnehmbar und so glückte das AVE MARIA von Giulio Caccini/Vladimir Vavilov (Bearbeitung Chichon) ebenfalls wunderbar und schloss unter Riesenjubel des Publikums den ersten Teil des Konzertabends ab.
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Mit einem fulminanten DANZA DEL ORE (Tanz der Stunden) aus “La Gioconda” von Gaetano Donizetti begann der zweite Teil, an den sich “Que faire… Sol adoré de la patrie” Arie der Zayda aus “Dom Sébastien, roi de Portugal” von Donizetti dann nahtlos anschloss. Großer Donizetti, schwieriger Donizetti! Unter La Granaca das erwartete Erlebnis.
Anschließend Verismo pur: Pietro Mascagni und sein so beliebtes und zu aller Herzen gehendes Intermezzo aus “Cavalleria rusticana” gefolgt von “Voi lo sapete, o Mamma” der großen Romanze der Santuzza aus eben dieser Oper. Elina Garanca beherrscht das alles brillant und singt, als wäre es nichts…
Abschließen muß man ein Galakonzert natürlich besonders publikumsfreundlich und was bietet sich da schöneres an, als des Deutschen zweitbeliebtestes Werk: CARMEN von Georges Bizet und so bringt Chichon quasi als Ouvertüre das Menuett und Farandole aus “L′Arlésienne”, Suite Nr. 2 während die holde Gattin mit dem Schlagerhit “Les tringles des sistres tintaient” den offiziellen Teil des Konzerts unter frenetischem Jubel ihrer Fans beendet.
Unter diesen Rahmenbedingungen gab es natürlich nicht die gewohnten drei Zugaben, sondern nur das volkstümlich bewährte CARCELERAS aus Ruperto Chapís Zarzuela „Las hijas del Zebedeo“. Die Zuschauer hatten Verständnis und man stürmte danach zu den CD-Pulten um die neueste Scheibe mit Autogramm zu ergattern.
Fazit: Ein phantastischer Abend – ein weiterer Stern in der Reihe „Große Stimmen“ der Essener Philharmonie, die zum wiederholten Male damit zeigt, daß dieses Konzerthaus zur Internationalen Klasse weiterhin zu zählen ist und seine Zuhörer in der ersten Reihe der weltbesten Philharmonien genussvoll platziert. Es ist immer wieder ein Genus nach Essen zu reisen – egal wie weit die Anfahrt auch sein mag…
Peter Bilsing – 7.11.14 (www.deropernfreund.de)