Theater Hagen: Voila, une „Carmen“! Bizets Oper in Hagen gefeiert

Kristine Funkhauser ist Carmen / Foto by Stefan Kühle
Kristine Larissa Funkhauser ist Carmen / Foto by Stefan Kühle

Manchen Stadttheatern merkt man schon an der Ausstattung das kaputt gespart werden durch die eigenen Kommunen an. So kämpft Intendant Norbert Hilchenbach so sehr gegen die Einsparungen, daß er die geplante „Carmen“-Regie aus Zeitgründen abgeben mußte. Das der Etat für die Spielzeit 13/14 erst im Mai freigegeben wurde ist an sich schon ein kleiner Skandal, denn die Kommunalpolitiker sollten eigentlich wissen, das man eine Spielzeit nicht einfach übermorgen entwirft.

Als Glücksfall für Hagen erweist sich Anthony Pilavachi, denn gerade so eine wichtige Premiere einer der beliebtesten Opern, sollte eine feste Bank für das Theater, die Zuschauer und die Abonnenten sein. Pilavachi gehört eben nicht zu den Regisseuren, die meinen, das Rad neu erfinden zu müssen oder sich durch Skandale profilieren wollen, dennoch inszeniert er eine ganz zeitgenössische, moderne „Carmen“, die das Werk als blutvolles Theater genau auf den Punkt bringt.

CARMEN-Theater Hagen Foto by Stefan Kühle
CARMEN-Theater Hagen Foto by Stefan Kühle

Peer Palmowskis karges Bühnenbild zeigt genau die Folie für das Spiel zwischen Mann und Frau. Mag der Beginn des ersten Aktes noch etwas hölzern ablaufen, steigert sich die Aufführung über eine exakte Personenführung und genaue Charakterisierung zu einem packenden Drama, mit einem einfachen und auch brutalem Schluss. Carmen ist hier eine junge, attraktive Frau, die sich aus einem bettelnden und stehlendem Straßenkind entwickelt hat. Kristine Larissa Funkhauser bringt mit moderner Kurzhaarfrisur schon Modelqualitäten auf die Bretter, weiß sich unaufgesetzt und erotisch zu bewegen, ihr Mezzo fängt mit süffigem Wohllaut die Leichtigkeit der Habanera ein und reizt auch nötigerweise mal einen herben Ton zur Rollengestaltung aus. Carmen nutzt ihre Attraktivität rein als Machtmittel innerhalb der Männergesellschaft, so läßt sie im Zigeunerlied des zweiten Aktes die Männer ganz nach ihrer Pfeife tanzen. An Don Josè reizt sie seine Sprödigkeit und später seinen Nutzen, Escamillo scheint eine echte Liebe ihrerseits zu sein. Charles Reid nimmt man den fatalistischen, etwas unreifen Josè ebenfalls ab, zwar schafft er die hohen Klippen seiner vokalen Partie recht gut, schöne leuchtende Aufschwünge, eine geschmackvolle Gestaltung, doch immer wieder kommt er an gesangliche Grenzen seines Stimmsitzes, was freilich gerade im letzten Bild seine zerrüttete Erscheinung unterstreicht, selten habe ich die finale Auseinandersetzung so glaubhaft und spannend erlebt. Jaclyn Bermudez singt eine energische Micaela, die zu Beginn sehr süßstimmig daherkommt, im Laufe des Abends zu einer leidenschaftlich Liebenden wird. Viele Escamillos haben entweder einen guten Basssitz in der Stimme oder die nötig strahlende Höhe; Frank Dolphin Wong weiß beides zu einem überzeugenden Rollen- und Gesangsportrait zu verbinden.

CARMEN-Theater Hagen.Foto by Stefan Kühle
CARMEN-Theater Hagen.Foto by Stefan Kühle

Besonders erfreulich sind auch die genauen Charakterschilderungen der „Nebenrollen“, so Marilyn Bennett und Maria Klier als Prostituierte Mercedes und Frasquita, vor allem letztere liefert ein echtes Kabinettstück ab, ein Mensch bei dem man nicht weiß, ob man weinen oder lachen soll. Jeffrey Krueger, Richard van Gemert und Rainer D.Hahn kann man als Menschenschmuggler schon nicht mehr den Kleinkriminellen zurechnen. Orlando Mason und Raymond Ayers zeigen die Schattenseiten der Militärs ebenfalls deutlich auf, gesungen wird durch die Bank weg überzeugend, gesprochen ebenfalls, denn man spielt die originale Opera-Comique-Fassung.

Florian Ludwig leitet das Philharmonische Orchester Hagen zu einem feinen, durchsichtigen Spiel an, lediglich an einigen Stellen würde ich mir etwas straffere Tempi wünschen. Die Chöre des Hauses, samt Extra-und Kinderchören sind allesamt bei der Sache.

CARMEN-Theater Hagen-Foto by Stefan Kühle
CARMEN-Theater Hagen-Foto by Stefan Kühle

Am Ende der Premiere stehende Ovationen bei einem sehr langen und herzlichen Beifall. Eine „moderne“ Carmen aus dem Bilderbuch, wie man sie sich wünscht. Daß die meisten Sänger an diesem Abend Rollendebutanten waren, hat man übrigens nicht gemerkt, so kann Theater sein , wenn es sich auf seine wesentlichen Dinge konzentriert. Kaputtsparen muß man sie trotzdem nicht, wenn man so etwas erreichen will !

Bericht der Premiere vom 8.6.2013 / @ Martin Freitag

Fotos: @Stefan Kühle / Theater Hagen

Service: weitere Carmen-Vorstellungen im Juni und Juli, sowie Kartenvorverkauf siehe HIER

 

Trailer „Carmen“ (Theater Hagen-Youtube-Kanal)

 

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