Leonard Bernstein © Thomas R Seiler

„The Big Bernstein“ beim SHMF am 18.8.2018 in Rendsburg

Joel von Lerber/ Foto @ Alfheidur Erla  

Konzert vom 18.8.2018 in Rendsburg   –   Fällt in Gesprächen von Musikliebhabern der klassischen Musik liebe-, wie respektvoll der Name „Lenny“, weiß so gut wie jeder um wen es geht: Leonard Bernstein, der am 25. August 100 Jahre alt geworden wäre. Die Erinnerung an ihn wird noch ewig währen. Zum einen war er ein Dirigent, der nicht ätherisch abgeklärt auf oder über der Musik schwebte, sondern sie mit jeder Faser seines Körpers zu durchleben schien.Die befähigte ihn, dem Publikum, durch die Orchestermusiker, die Aussage der verschiedensten Werke auf subtile, lebendige Art nahezubringen, ja, zu übersetzen. Sei es die Wucht der melancholischen Trauer Gustav Mahlers, die zärtlich trunkende Leidenschaft in Hector Berlioz‘ Sinfonie Fantastiqueoder unzählig anderes mehr. Gleichgültig, ob tragische oder vor Lebensfreude sprühende Kompositionen, stets machte Bernstein mit jeder Bewegung, Geste, Mimik klar: „Music is my first love.“ Zum anderen hat Bernstein sich auch als Komponist unsterblich gemacht. Mit Werken wie der Ballettmusik „Fancy Free“, seiner Sinfonie „The Age of Anxiety“ , der Koloraturarie „Glitter and be gayaus seiner Oper „Candide“,vor aber allem seinem Musical „West Side Story“.

 

Das SHMF widmet dem Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein  – unter anderem – die dreiteilige Konzertreihe „The Big Bernstein“. DAS OPERNMAGAZIN  besuchte einen Konzertnachmittag in der großen Halle der „Nord Art“ in Büdelsdorf (Rendsburg), wo dem Publikum ein ganz anderer „Lenny“ vor gestellt wurde. Es lernte einen Leonard Bernstein kennen, der auch verschiedene Auftragswerke für geistige Musik ausgeführt hat.

Cameron Carpenter / Foto © Thomas Grube
Cameron Carpenter / Foto © Thomas Grube

In einer Atmosphäre, die ganz und gar nicht danach strebt, ihren ursprünglichen Verwendungszweck zu, der augenscheinlich im landwirtschaftlichen Bereich lag, umgeben von faszinierenden Kunstwerken junger Künstler, boten besondere Musiker wie Cameron Carpenter (Orgel), Terry Wey (Countertenor) Jeffrey Krueger (Tenor) und Joel von Lerber (Harfe) mit Unterstützung von Walter Witik (Schlagzeug) und dem SHF-Chor unter Leitung von Nicolas Fink besonderes dar.
Es gab nicht allein Werke von
Bernstein, zusätzlich auch noch von Charles Ives und Samuel Barber.


Den Anfang machte Cameron Carpenter mit Charles Ives „Variation on ‚America‘“, die der damals 17 Jährige 1891 anlässlich der Feierlichkeiten des 4. Julis 1892 für die Methodisten Kirche von Brewster schrieb und uraufführte. Die Melodie der Weise, „My Country, ‘Tis of Thee), einstmals Nationalhymne der USA liegt diesen Variationen zugrunde. Carpenter, der aufgrund seiner Bühnenkleidung, als der wohl schillernste Organist gilt, erschien zwar nicht in Anzug oder gar Smoking, jedoch ganz in Schwarz und verbreitete, noch bevor er die erste Taste berührte, das erste Register gezogen hatte, die Aura des, ganz in seiner Kunst aufgehenden Musikers, um sich. Seine Solodarbietung dann, zog Cameron Carpenter sofort in den Bann, da er voller Authentizitä́t, die „Variation“ nicht einfach vom Blatt spielte, sondern dem Publikum nahebrachte, was zwischen den Tönen dieses Werkes liegt. Und das geht über die Illusion, der stets verzaubernden Klängen einer Jahrmarktorgel, über Erinnerungen an Begleitmelodien für Stummfilme bis hin zu ehr verstörenden Klängen, denen eine gewisse Ironie oder gar Bissigkeit innewohnt.
Auch in den Teilen des Konzertes, in dem ihn die Rolle des Begleiters zufiel, zeigte
Carpenter kollegial, professionelles Einfühlungsvermögen, sodass es nicht schwerfiel, sich in Charles Ives „Psalmen 100 und 135“ ganz auf die überragende Leistung des 90-köpfigen Festival-Chors zu konzentrieren, der später dann a cappella in Samuel Barbers „God’s Grandeur“ glänzte.

 

Terry Wey / Foto © Paris Mexis
Terry Wey / Foto © Paris Mexis

Alle weiteren Programmpunkte widmeten sich Leonard Bernstein, beginnend mit seiner „Missa Brevis“ für Countertenor, Schlagzeug und gemischten Chor. Einzig, dass Dirigent Nicolas Fink, nach jedem Satz die Stimmgabel anschlug, war störend, unterbrach den Genuss an den ungewöhnlich ätherisch bezwingenden Melodien und der glockenhellen Stimme Terry Wey’s. Countertenor, eine nicht unkompliziert zu hörende Stimmlage, doch Wey, der ehemalige Solist der Wiener Sängerknaben, begeistert mühelos mit dem warmen und doch kraftvollen Timbre, seiner sicher geführten und gestützten Stimme. Auch ihm gelingt es, zu zeigen, dass er weiß und fühlt, was und wovon er singt.


Ähnliches gilt für den Amerikaner J
effrey KruegerStipendiat des Richard-Wagner-Verbands, der mit fast baritonal gefärbten Tenor Bernsteins sechs Minuten dauerndes Stück „Hashkiveinu“ mit Innigkeit und tief empfunden darbot, erneut mit Cameron Carpenter und dem SH-Festival-Chor.

Joel von Lerber / Foto © Maria Kühne
Joel von Lerber / Foto © Maria Kühne

Den Abschluss des bewegenden Nachmittags bildeten Bernsteins Chichester Psalms“, bei denen sich nun auch Harfenist Joel von Lerber zu den anderen Protagonisten gesellte. Von Lerber, mit 27 Jahren der jüngste unter den Solisten der Aufführung, spielt sein Instrument bereits seit 21 Jahren, war bereits im Alter von 14 Jahren Mitglied des Jugendorchesters Bern und darf einige Auszeichnungen sein Eigen nennen. Ist Carpenter der mehr exentrisch-introvertierte Musikertyp, so wirkt von Lerber durch sein Auftreten weltoffener. Mag man den Organisten vielleicht in seiner Wirkung mit einem Herbert von Karajan vergleichen, so ähnelt Joel von Lerber in seiner leichthändigen Art zu spielen eher einem Leonard Bernstein und dessen Lebendigkeit, wie gestern zumindest in Ansätzen zu hören, da er kein wirklich ausgiebiges Solo hatte. Doch überraschten und faszinierten die Töne, die er im Ensemble oder als Begleiter von Terry Wey seinem Instrument entlockte und seine weichen manchmal tänzerisch anmutenden Armbewegungen unterstützen diesen Eindruck nur noch. Die Hoffnung er möge die Zugabe gestalten keimte auf und der Wunsch, ihn bald in einem Solokonzert zu erleben oder als Begleiter auf einem Liederabend, ähnlich wie Xavier de Maistre, dessen Meisterkurse er besucht. 

Leonard Bernstein © Thomas R Seiler
Leonard Bernstein © Thomas R. Seiler

Die Zugabe, Samuel Barbers „Agnus dei“ wurde vom Festival-Chor gesungen und entließ das begeisterte Publikum mit einem lang anhalten Nachhall des Bewegtseins und nicht fröhlichen, aber abgeklärten Dahinschweben auf kaum gekannten Klängen.

Alles in allem hat sich die Fahrt von Hamburg in die von moderner Kunst und ländlicher Idylle geprägte Atmosphäre Rendsburgs/Büdelsdorfs gelohnt. Und der Wunsch nach einem Hafenkonzert mit Joel von Lerber, ist längst um den gewachsen auch Cameron Carpenter, Terry Wey und Jeffrey Krueger in Solokonzerten oder Opernaufführungen erleben zu dürfen. In großen, namhaften Häusern, aber auch gerne hier, am Ort des gestrigen Konzertes.

 

                                                                              

 

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