Die gefeierte Premiere von Verdis Oper Luisa Miller im Theater Osnabrück fand bereits am 14. September 2024 statt. Der Besuch der vorgestrigen Vorstellung kam, gemessen an den begeisterten Publikumsreaktionen beim Schlussapplaus, einem Premierenjubel gleich. Im sehr gut besuchten Haus sparte das Publikum nicht mit Bravorufen und langem rhythmischen Klatschen für alle an der Vorstellung beteiligten Künstlerinnen und Künstler. Insgesamt eine mehr als überzeugende Ensembleleistung mit einer herausragenden Tetiana Miyus als Luisa, die in dieser anspruchsvollen Partie gesanglich und darstellerisch das Publikum jubeln liess. (Rezension der Vorstellung v. 20. Oktober 2024)
Verdis musikalische Umsetzung des Schiller-Klassikers „Kabale und Liebe“ hat nicht mehr all zu viel mit der Vorlage zu tun. Der Komponist musste sich zur Entstehungszeit dieser Oper gewissen Zensurzwängen und politischen Vorgaben beugen und nahm somit einiges an sozialem Sprengstoff aus dem ursprünglichen Theaterstück heraus. Mehr Liebe als Kabale sollte es sein. Aber das eröffnete Verdi die Möglichkeit seine unnachahmlich musikalische Sprache für Emotionen und dramatische Situationen einzusetzen.
Manuel Schmitt inszenierte Verdis 1849 in Neapel uraufgeführte Oper Luisa Miller mit einer fein abgestimmten Personenregie auf die handelnden Personen dieses Dramas, und nutzte dazu auch oft die gleichzeitige Möglichkeit von zwei Spielflächen, die ihm die zweigeteilte Bühne (Bühnenbild und Kostüm: Sebastian Ellrich) dazu bot. Während im vorderen, unteren, Teil der Bühne die Welt der Luisa Miller und des geknechteten Volkes dargestellt wurde, blieb der obere Bühnenbereich dem Adel und den scheinbar vornehmen Menschen vorbehalten. Während der Graf und seine Entourage im oberen Bühnenteil tanzten, spielte sich das Drama um Luisa im unteren Bereich ab. Das karge Bühnenbild zeigte eine triste, eher winterlich anmutende, Landschaft mit Bäumen, die schon längst keine Blätter mehr trugen und nur noch kraftlos in die Höhe ragten. Diese Bäume, so winterlich und farblos sie wirkten, schienen keinen Frühling mehr zu erleben.
Schmitts Regie ist nicht die einer großen Ausstattungsoper, sie ist vielmehr eine, die den stillen Focus auf Luisa Miller und die sie umgebenden Personen, meist sind es Männer, legt. Unter die Haut gehend die Szene, in der Rodolfo seiner grenzenlosen Enttäuschung über seine Luisa Ausdruck in der populären Arie „Quando le sere al placido“ verleiht und sie der Lüge und des Verrats bezichtigt, während sich diese im oberen Bühnenabschnitt den lüstern-übergriffigen Annäherungen Wurms kaum erwehren kann. Für mich die eindrucksvollste Szene des Abends.
Die Intrige, die Wurm zur Erfüllung seiner persönlichen Wünsche spann, schien sich in diesem Moment für ihn auszuzahlen. Er hatte die Liebesbeziehung von Luisa und Rodolfo zerstört und seinem Herrn, dem Grafen, seine Unterwürfigkeit bewiesen. Doch am Ende richtete sich seine Intrige gegen ihn selbst. Nicht nur das. Das Gift dieser Intrige geht auf alle nieder. Rodolfo und Luisa gehen gemeinsam und versöhnt in den Tod. Doch zuvor richtet Rodolfo noch den verhassten Wurm und verflucht seinen Vater. Luisas Vater bleibt innerlich gebrochen zurück.
Manuel Schmitt hat Verdis Operndrama mit vielen kleinen Gesten und auch packenden Elementen, wie etwa die Briefszene im zweiten Akt, auf die Bühne des Osnabrücker Theaters gebracht. Heraus kam eine anrührende und emotionale Inszenierung dieser leider nicht so oft gezeigten Oper. Eine Inszenierung, die den Schwerpunkt auf Luisa und ihr bereits von Beginn an erkennbares und unentrinnbares Schicksal legte. Sehenswert!
Musikalisch konnte das Theater Osnabrück mit seiner Neuinszenierung von Verdis Luisa Miller auf ganzer Linie punkten.
Tetiana Miyus stand zu Recht und hochverdient im Zentrum des Publikumsjubels. Ihre Darstellung der naiv-verliebten und später dann verzweifelten Luisa Miller ging unter die Haut. Gesanglich meisterte sie diese anspruchsvolle Partie einfach großartig! Zart und zurückgenommen gestaltete sie den Begin der Oper, als ihr die Dorfbewohner ein Geburtstagsständchen bringen, sehr gefühlvoll dann im Duett mit ihrem Vater und in den Szenen mit Rodolfo, um dann mit großer stimmlicher Strahlkraft in den Ensembles zu begeistern. Einfach nur: BRAVO!
Önay Köse als der Vater von Luisa ist einfach eine Idealbesetzung. Stimmlich und darstellerisch vorzüglich. Mit seinem kräftigen und warmklingenden Bassbariton wusste er das Osnabrücker Publikum restlos zu begeistern. Was für ein großartiges Rollendebüt! Die Szenen mit ihm und seiner Tochter Luisa (Tetiana Miyus) waren Höhepunkte des Abends.
Der Tenor Timothy Richards überzeugte durch seine sehr höhensichere und gut geführte Stimme in der Partie des Rodolfo. Verdienter Szenenapplaus für seine sehr gefühlvoll gesungene Arie „Quando le sere al placido“. Ricardo Llamas Márquez stellte einen durchtriebenen, absolut dem Grafen unterwürfigen Wurm dar und hatte besonders in der „Briefszene“ mit Luisa einen sehr überzeugenden Auftritt.
Dominic Barberi verlieh der Basspartie des Grafen Walter mit seiner Stimme noblen Glanz und überzeugte darstellerisch als gefühlskalter und berechnender Landesherr. Ebenfalls sehr überzeugend Nana Dzidziguri als Herzogin von Ostheim, die in ihrer Darstellung die innere Zerrissenheit als Rivalin Luisas und versprochene Braut des Rodolfo deutlich machte. In den weiteren kleineren Partien der Oper waren Jong Bae Bu als Bauer und Susanna Edelmann als Laura – die hier besonders aufhorchen liess – adäquat besetzt.
Der Opern- und Extrachor des Theater Osnabrück – bestens einstudiert von Sierd Quarré – war gesanglich und darstellerisch fest in die Inszenierung eingebunden und konnte auf ganze Linie überzeugen.
Das Osnabrücker Symphonieorchester unter der Leitung des Osnabrücker GMD Andreas Hotz spielte einen glutvollen und hinreißenden Verdi. Bereits bei der bekannten Ouvertüre liess Hotz seine Musikerinnen und Musiker in flottem, vorantreibenden Tempo die Motive der Ouvertüre aufspielen. Er dirigierte die Partitur mit viel Gefühl, aber auch mit jener packender Dramatik an den Stellen, wo Verdi sie wollte. Großer Applaus am Ende auch für GMD Hotz und das Symphonieorchester.
- Rezension von Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN
- Theater Osnabrück / Stückeseite
- Titelfoto: Theater Osnabrück/LUISA MILLER/Foto: Stephan Glagla