Staatsoper Hamburg: Premiere von Verdis letzter Oper „Falstaff“

Staatsoper Hamburg/Falstaff/vorne Mitte: Ambrogio Maestri; rechts daneben: Oleksiy Palchykov, Daniel Kluge, Markus Brück; Chor der Hamburgischen Staatsoper/Foto @ Monika Rittershaus

FALSTAFF-Premiere in der Staatsoper Hamburg – Verdis letzte Oper mit großartigem Orchester und Chor, ganz großes Lob für einen wunderbaren Abend mit donnerndem Applaus! Die Künstler auf der Bühne gaben ihr Bestes – und das war viel! Dafür erhielten sie anhaltenden Applaus, mehrere Vorhänge – absolut verdient! Bei der Regie war es dann doch merklich anders… (Bericht von der Premiere vom 19.1.2020

 

Giuseppe Verdis FALSTAFF wurde 1893 an der Mailänder Scala uraufgeführt. Es war nach seinem Frühwerk »Un giorno di regno« (1840) erst seine zweite komische Oper und gleichzeitig auch seine letzte. Falstaff ist eine Oper in drei Akten mit dem Libretto von Arrigo Boito. Das Stück basiert auf William Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“. Am vergangenen Sonntag hatte Verdis Spätwerk an der Hamburgischen Staatsoper seine lang erwartete Premiere. Da Calixto Bieito für die Inszenierung verpflichtet wurde, waren die Erwartungen entsprechend.

Leider war das Publikum am Ende der Aufführung sehr gespalten und verweigerte merklich die Zustimmung zur Inszenierung. Als das Regieteam um Bieito und Bühnenbildnerin Gschwender die Bühne zum Schlussapplaus betraten, gab es andauernde laute „Buh!“- Rufe, viele der Zuschauer standen demonstrativ auf und verliessen den Saal. 

Inszenierung mit deftigen Bildern

Staatsoper Hamburg/Falstaff/hinten: Elbenita Kajtazi, Maija Kovalevska, Ambrogio Maestri, Ida Aldrian, Nadezhda Karyazina; davor: Daniel Kluge, Markus Brück; Chor der Hamburgischen Staatsoper/Foto Monika Rittershaus

Regisseur Calixto Bieito zeigt seinen Falstaff in einem typisch englischen Pub mit Namen „The Boars Head“ („Wildschweinkopf“)  auf drehbarer Bühne. Der Blick geht ins Innere (von hinten) gerichtet, dort spielte sich die Geschichte größtenteils ab. Das Bühnenbild (Susanne Gschwender) dreht sich und verliert allmählich im Verlauf der Handlung die Wände und gibt den Blick für das Wesentliche – auch auf Falstaff – frei.

Es ist eine bunte und teilweise humorvolle Geschichte mit leisen Untertönen der „Belehrung in Frauenpower“ (Me too?). Die Damen wollen Falstaff reinlegen, sie waren seine Aufdringlichkeiten satt: entweder die Eine oder -wenn nicht- dann eben die Andere. Natürlich war das Bühnenbild und die Inszenierung recht überzeichnet und sollte offenbar mehr als dramatische Komödie gesehen werden. Die Charaktere waren aber durchaus im wahren Leben und irgendwie auch immer aktuell anzusehen. Maske und Kostüme waren der Bühnensituation angepasst und irgendwie stimmig. Auch wenn der zweite Teil nach der Pause auf einer Toilette begann, dafür wurde zu Beginn ja schon auf der Bühne Erbrochenes mit einem Tuch verdeckt und das Essen (Schokoladentötchen oder doch eher Frikadellen? Genaues weiß man nicht und möchte es auch gar nicht wissen) auf dem entblößten Körper des Falstaff verschmiert.

Musikalisch überzeugend

Staatsoper Hamburg/Falstaff/Ambrogio Maestri,/Foto @ Monika Rittershaus

Als Falstaff war der italienische Bariton Ambrogio Maestri herausragend. Der vermutlich derzeit beste Rollenvertreter weltweit bewies, das er ein ungemein überzeugender Darsteller ist mit dem perfekten Körper für diesen Part und seine stimmlichen Qualitäten sind ohnehin überragend! Er LEBT den Falstaff…. und hat den Mut, alles zu geben und zu zeigen. Chapeau! 

Alice Ford (Maija Kovalevsk) zeigte ihr Können mit wunderbarer klarer Stimme und viel Sexyness, betörte den Falstaff mit Charme und Klugheit und erteilte ihm und ebenso ihrem Mann Ford (wunderbar humorvoll Markus Brück) eine Lektion in Frauenpower zusammen mit Meg Page (eine clevere moderne Rolle für Ida Aldrian),Mrs. Quickly (herrlich rockig und sehr selbstbewusst auf der Bühne Nadezhda Karyazina) und Nannetta (die Tochter der Ford´s und sooo verliebt… Elbenita Kajtazi) – die zum Ende dann doch noch ihren Liebsten Fenton (Oleksiy Palchykov) – (macht auch im Feinripp eine gute Figur und gesanglich sowieso) heiraten durfte statt dem Dr.Cajus (Jürgen Sacher – auf der Bühne positiv präsent), der war eh zu alt, zu langweilig für die quirlige junge Dame. Bardolfo (Daniel Kluge) und Pistola (Tigran Martirossian) waren beide eine wunderbare Ergänzung im Ensemble und auch sie zeigten eine große Portion Humor und Spielfreude in ihren Rollen.

Am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg stand Axel Kober, der Verdis späte und komplexe Partitur souverän leitete. 

Gesanglich und musikalisch ohne Abstriche wurde ein etwas „anderes“ Premierenstück geboten, die Handlung unwesentlich abweichend vom realen Vorbild und die Inszenierung – nun ja: Es war nicht jedermanns Sache, wie so oft im Leben. Mir hat es gefallen und ich hab es als Komödienstück genommen. Denn wie heisst es so treffend in der Schlussfuge der Oper Falstaff: Tutto nel mondo è burla, l’uom è nato burlone. (Alles ist Spaß auf Erden, der Mensch als Narr geboren.) 

 

  • Artikel von Marion Nevoigt / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Staatsoper Hamburg/Stückeseite
  • Titelfoto: Staatsoper Hamburg/Falstaff/Ambrogio Maestri/Foto @ Monika Rittershaus
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