
(Gastbeitrag) Achim Freyer ist bildender Künstler. Und so ging es mir bei seiner Parsifal-Inszenierung in Hamburg am 16.9.2017 auch wie gelegentlich beim Besuch einer Galerie. Man steht vor einem Werk und fragt sich: Was will mir der Künstler damit sagen? Und geht dann ratlos weiter.
Schlagworte auf einem Gazevorhang sagen uns um was es geht. Oder auch nicht. Kreideskizzen auf schultafelschwarzen Wänden zeigen uns weitere, wenig erhellende Ideen zu einem Konzept, daß die Regie nicht zeigt. Eine totenkopftragende Figur schiebt einen Kinderwagen über die Bühne, aus dem ebenso ein Totenkopf schaut.

Amfortas ist als expressionistischer Jesus am Kreuz kostümiert, Kundry, von Kopf bis Fuss in Dreadlocks gehüllt, wirkt entfernt wie eine mittelalterliche Maria-Magdalena. Der Gral als Kinderfigur mit Glühlampenrock und übergroßem Pappmachékopf trug eine Hasenmaske vor sich her. Erklärt wird uns dieses alles nicht.
In dieser Szenerie stehen dann die Sänger. Ja, meistens stehen sie, denn die monströsen Kostüme scheinen sie in der Bewegung zu behindern. So beschränkt sich das Schauspiel auf ein handvoll Handbewegungen und ebenso viele Körperhaltungen. Die Gesichter sind grotesk, wie mit Fingerfarbe bemalt, zu schwarz-weißen Masken geschminkt, was dann neben der fehlenden Bewegungsmöglichkeit auch noch jede Mimik ausschließt.
Parsifal kann man langsam dirigieren oder auch sehr langsam. Generalmusikdirektor Kent Nagano entschied sich für langweilig. Der erste Akt ermüdend langsam, die beiden folgenden deutlich flotter. Nur ohne jede Dynamik und Spannung. Statt der leuchtenden Orchesterfarben gabs es einen dahinfliessenden Untermalungsklangteppich.

Ein deutlich besseres Händchen bewies die Staatsoper bei der Auswahl der Gesangssolisten. Andreas Schager in der Titelpartie, gekleidet in ein schwarz-weißes Harlekinskostum, gab die Rolle mit heldentenoraler Wucht, dabei aber zart und mit anrührender Ausdrucksfähigkeit. Das auch dieser wunderbare Bühnendarsteller zu schablonenhafter Regungslosigkeit verdammt wurde schmerzte.
Die Kundry sang Claudia Mahnke mit äußerster Expressivität und so, wie man eine Kundry auf der Bühne haben möchte. Ihr erhebliches Vibrato störte dabei kaum, unterstrich eher die Ausdrucksmöglichkeit der Stimme. Szenisch statisch, stimmlich das Gegenteil, der Gurnemanz des Kwangchul Youn. Großartig in den langen Erzählungen und dadurch die Langweiligkeit der Szene wettmachend. Wolfgang Koch als Amfortas sauber und schön gesungen, es war allerdings nicht sein allerbester Abend, was vielleicht dem Premierendruck zu schulden ist. Eine große Überraschung war das Rollendebut Vladimr Baykovs als Klingsor. Genau so soll ein Klingsor meiner Meinung nach klingen. Hart, böse und durchtrieben, perfekt dabei im Ausdruck. Man konnte daher sogar über sein Comic-Bösewicht-Kostüm hinwegsehen. Die Blumenmädchen (Athanasia Zöhrer. Hellen Kwon, Dorottya Láng, Alexandra Steiner, Gabriele Rossmanith, Nadezhda Karyazina ), eine besser als die andere, rekelten sich in prallbrüstigen Niki de Saint-Phalle-Kostüme auf dem Gartenfest bei Klingsor. Das brachte dann wenigstens etwas Farbe in dieses Spektakel.
Insgesamt ein sehr durchwachsener Abend. Auf jeden Fall anhörenswert, ob auch ansehenswert, sollte jeder selbst entscheiden.
(Titelfoto: Staatsoper Hamburg /Parsifal/ Andreas Schager, Claudia Mahnke – Foto @ Hans Jörg Michel)
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- Gast-Rezension von Sebastian Siercke (über den Autor: Jahrgang 1961, Goldschmiedemeister aus Hamburg, seit 1978 großer und erfahrener Opernfan und langjähriger Besucher der Hamburgischen Staatsoper