Julian Arsenault, Gabriele Rossmanith, Leo Schmidthals, Pinkzilla, Shin Yeo, Maria Markina, Pia Salome Bohnert, Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg

Staatsoper Hamburg: Operanovela „Ring & Wrestling“ – Jeder braucht Helden!

Pia Salome Bohnert, Julian Arsenault, Shin Yeo, Maria Markina – Foto @ Jörn Kipping

Drei Millennien sind vergangen, seit Walhall fiel und die Götter, oder zumindest ihr Schicksal, in den Nebeln des Vergessens verschwanden. Nur dank Richard Wagner erinnern wir uns noch daran, was geschah, bevor es zur Götterdämmerung kam.
In der Opera Stabile nun gab es mit „Ring & Wrestling“ ein unterhaltsames, aufklärendes Crossover. Ja, es gibt sie noch Wotan, Fricka, Donner und Co! Sie langweiligen sich zu Tode und brauchen einfach einen neuen Siegfried, einen neuen Helden. Und in der fünfteiligen allerersten Operanovela bekommen sie dank verschiedener Stars der Hamburger Wrestling Szene, zahlreiche Angebote. ( Rezension der besuchten Operanovela in 5 Folgen vom 7.9. bis 6.10.18

 

Wagner, der Held des klassische Musik liebenden Bildungsbürgertums und der Show-Sport des Proletariats, des Rotlichtviertels passt das oder grenzt es gar an Blasphemie? Ein deutliches „Ja“ zur ersten und ein „ vielleicht stößt es einigen, aber eher wenigen, sauer auf“ zur zweiten Frage. Leo Schmidthals, verantwortlich für die musikalische Leitung, wie auch das musikalische Konzept, Regisseur und Konzeptionist Dominik Günther, Sandra Fox (Kostüme, Bühne) und vor allem auch den Sängern der Staatsoper Hamburg und den Wrestlern in ihren phantasievollen, oft tierischen und selbst kreierten Kostümen, gelang eine Aufführungsserie, die nach Fortsetzung oder Wiederholung geradezu brüllt! Denn selbst sonst eher zurückhaltende Opernliebhaber wie ich, ließen sich von der Stimmung im und um den Ring herum, der als Bühne diente, mitreißen lauthals die Hymne zu singen, den Helden zuzujubeln und die Gegner nieder zuschreien: Alltagsstress los- und sich freudig gehen lassen pur. Obwohl, wenn man gewillt ist genauer hinzuhören und auch hinzusehen, was die Helden betrifft, entdeckt man doch (selbst-)ironisch Kritik am Hier und Heute.

Nik Neandertal – Foto @ Jörn Kipping

Teil 1 beginnt mit den vor Langeweile kraftlosen, Göttern: Wotan (Julian Arsenault), Fricka (Maria Markina), Donner (Shin Yeo) und der Walküre Brünnhilde (Pia Salome Bohnert), die nach Abwechslung lechzen.
Die wird ihnen gewährt: Ringsänger Nik Neandertal, eine Mischung aus „kunstbäuchigen“ Micki Krause und Superheld, ein Anheizer und Stimmungsmacher wie er im Buche steht, sorgt mit der Hymne „Ring und & Wrestling ist wieder da“ für Stimmung. Geadelt wird dieses Lied durch die Opernmäßig geschmetterten hohen Töne von Pia Salome Bohnert und den meist ungeübten, aber um so enthusiastischer mitsingenden Zuschauern. Dann bietet Don Pedro, der sonnenbebrillte, „Bling-Bling“ behangene Edelproll, den bislang unbesiegten Wrestler The One and Only als Siegfried-Nachfolger an, was unter anderem Eddie the Iceman und Sailorboy zu verhindern wissen. Sie vernichten den designierten Helden mit Bodyslams und all jenen anderen Wrestlingstricks die uns Zuschauer auf schadenfreudige (wir wissen ja das nichts passiert) Art mitfiebern lassen.
Den Göttern bleibt nur das Singen einer Elegie, die jedoch rüde von der fantastisch grobschlächtigen Haidi Hitler niedergebrüllt wird. Sie kanzelt die Götter als ungermanische Schwächlinge ab und macht ihnen klar, was sie wirklich brauchen: Einen Drachen natürlich! Dieser wird ihnen von Fruchtbarkeitsgöttin in Form eines Eis auch von Freia (Gabriele Rossmanith) gebracht. Aus diesem schlüpft zu der Melodie der Rheintöchtergesänge aus dem Original-Wagner-Ring, ein absolut schnuckeliges Exemplar der Spezie „Draco“: Pinkzilla. Rosa und einfach eher herzig als bedrohlich. So nimmt es nicht wunder, das auch Pinkzilla kein wahres Heldenleben gegönnt ist, dieses Mal machen der salamiköpfige Hans Wurst, der Mr. Cheese und Jean Cornichon den Götter den Garaus. Wieder bleibt den Göttern nur die Trauer, auf die erwartungsgemäß Heidi Hitlers Standpauke folgt. Natürlich, so weiß die Matrone, die erst zur Titelmelodie, der nach ihr benannten Fernsehserie ganz weich wird, ist es nun Energie, die als Heldenersatz benötigt wird und so betritt Kommander Kernschmelze, ein giftgrüner Riesenroboter blickend die Bühne. Doch auch ihm ist kein Erfolg bestimmt, auch er wird besiegt und nun fordert die unermüdliche Heidi Diktatoren. Was auch sonst?

Nun, bleibt im 4. Teil, was ich als ironische Kritik nicht mehr ganz so subtil empfinde, wie Andeutungen um Waldsterben und ähnliches. Denn die verlangten Diktatoren sind keine anderen als Trump und Putin, je nach wirklicher Herkunft der Darsteller von diesen, wenn auch nur in ihrer „Wrestling-Form“, sichtbar mit Masken unterstützen. Dass die beiden Herren alles andere als fair, wenn auch nicht weniger spektakulär, als alle andere kämpfen, versteht sich, leider, von selbst. Sogar Liberty und Justizia sind vor einem Griff der Herren in ihre Körper Mitte und noch viel mehr nicht sicher. Und es bedarf des Tack-Teams St. Pauli aufs Mauli, um die Diktatoren zur Strecke zu bringen. Erwähnt sei, dass in dieser Folge auch Erda (Ann-Beth Solvang) alias Angie – ja die Angie – einen Auftritt hat, der mehr als mütterliche Gefühle zu Wotan vermuten lässt. Auch sie ist, wie die Götter, begeistert von Heidis neustem Vorschlag: Kultur!

Kultur ist der wahre Held der gebraucht wird, und da die Götter ja nicht nur einen neuen Helden, sondern auch ein neues Heim brauchen, was bietet sich da mehr an als die Elphilharmonie, „unsere Elphi“. Aber auch sie und somit die Telenovela beommmen kein Happyend. Der letzte Teil ist ganz dem kapitalistischem Boxpromoter Don Shrimp gewidmet und seinem Helfershelfer Loge (Peter Galliard), dem Freund der Götter, den doch alle hassen, ob seiner Wetterwendigkeit. Doch Wesen, die wie Wotan sagt, nie da Licht der Erde hätten erblicken dürfen, beenden auch sein Dasein. Loonie Lobster, der Riesenhummer und sein Tack-Partner Captain Tentakel, der Oktopus machen Tabula rasa, so das am Ende nichts bleibt als Leere, eine den Ring erobernde, schleichende, schleimig-schwarze Schnecke. Und die über Monitoren gezeigte Warnung, Haidi Hitlers, sie käme wieder, da sie hier das signifikante Bärtchen trägt und in Angesicht der Ereignisse auf der Welt, hemmt dies einen Moment das Vergnügen. Doch schnell gewinnt die gute Laune, die Freude an allem auch der obligatorischen Abschlußhymnne, die Oberhand. 

Julian Arsenault, Maria Markina, Shin Yeo, Haidi Hitler, The One and Only – Foto @ Jörn Kipping

Noch weitgehend unerwähnt blieben in meinem Bericht bisher die Götter und ihre Darsteller. Doch das soll sich nun ändern: Ein hundertfaches- opernwürdiges „BRAVI TUTTI!“ So laut und enthusiastisch geäußert, wie ich die Hymne mitsang für alle! Was für eine Energie, die an fünf Abenden hineingelegt wurde, und welch sichtbare Spiel- und Sangesfreude! Meine besondere Hochachtung habt Ihr auch dafür, dass Ihr Euch an Wrestling gewagt habt. Allen voran, Julian Arsenault und Shin Yeo. Doch auch eure schauspielerischen und stimmlichen Leistungen, die ja – den Göttern sei Dank – noch oft im Großen Haus zu bewundern sein werden, verdienen jeden Klatscher, Jubel und jedes begeisterte Fußgetrampel! Nehmt bitte diese persönliche Ansprache dieses Mal als anerkennenden Ersatz, für meine sonst ausführlicheren Beschreibungen eurer Leitungen. 

Julian Arsenault: Welch stimmgewaltiger, allen anderen gegenüber, außer seiner Frau Fricka, herrlich großkotziger Wotan!

Shin Yeo : Auch er stimmgewaltig und so mutig sich im zweiten Teil an eine Elvis Presley Imitation zu wagen!

Maria Markina: Auch sie spart nicht daran, ihren schönen Mezzo zu zeigen. Auch gelingt es ihr durch energisches Auftreten,mit Befehlen wie :“Wotan wach auf!“ die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen und Wotan auf Wort parieren zu lassen.

Pia Salome Bohnert und Gabriele Rossmanith: leider nicht in jeder Folge dabei, aber wenn, dann voller Charme, Anmut, Stimme und Humor.

Last but not least: Dank auch an Peter Galliard, den protzig goldenen Loge und Leo Schmidthals und die jeweiligen Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg.

 

Fazit: Fünf unterhaltsame Abende auf kleinem Raum, wo jedoch nicht selten Großes und Ungewöhnliches geboten wird. Mögen wir die Hymme bald, auf die eine oder andere Weise, wiederhören und auch mitsingen dürfen. „Ring & Wrestling, Ring & Wrestling. Please come back again!“

 

  • Rezension von Birgit Kleinfeld, Redaktion DAS OPERNMAGAZIN-©10-2018
  • Homepage der Staatsoper Hamburg
  • Titelfoto: Julian Arsenault, Gabriele Rossmanith, Leo Schmidthals, Pinkzilla, Shin Yeo, Maria Markina, Pia Salome Bohnert, Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg-Foto @ Jörn Kipping
Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert