Opernhaus Zürich: Premiere von „Lessons in Love and Violence“ – Schweizer Erstaufführung

Opernhaus Zürich/Lessons in Love and Violence/Foto @ Herwig Prammer

Der Engländer Sir George Benjamin ist einer der berühmtesten Komponisten der Gegenwart. Die Uraufführung seiner dritten Oper „Lessons in Love and Violence“ fand 2018 in London statt. Die Schweizer Erstaufführung bietet Gelegenheit, das Werk jetzt auch hier szenisch erleben zu können.(Rezension der Premiere vom 21.05.2023)

 

 

Der Stoff für diese Oper bot ein Königsdrama nach der literarischen Vorlage des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe. Marlowes Schauspiel über König Edward II, der im 14. Jahrhundert in England geherrscht hatte und seinem Günstling Piers Gaveston völlig verfallen war, zeigt die Tragödie vom Verlust jeglicher Kontrolle über seine Macht und sein Reich. Den Text für diese Oper hat Martin Crimp erarbeitet. Edward II vernachlässigt im Banne seines Liebhabers alle seine Regierungsgeschäfte, aber auch seine Frau Königin Isabel und die zwei Kinder. Isabel bleibt Ihrem Mann trotz der komplizierten Situation zugetan, will jedoch den verhassten Nebenbuhler unbedingt loswerden. In Mortimer, des Königs Gegenspielers, findet sie einen Verbündeten, dem jegliches Mittel recht ist, um an die Macht zu kommen. Mortimer zeigt bereits im ersten Bild die Ungerechtigkeit zwischen dem maßlosen Leben des Königs und seines hungernden Volkes auf. Das missfällt dem König, worauf er Mortimer degradiert, enteignet und ihn damit zu einem Niemand macht. Mortimer kehrt jedoch zurück und fordert seinen Besitz und lässt Gaveston abführen. Als der König befiehlt, Mortimer festzunehmen und Gaveston zu verschonen, hört keiner hin. Gaveston wird auf brutale Weise ermordet und der König kündigt Rache an Mortimer an.

Opernhaus Zürich/Lessons in Love and Violence/Foto @ Herwig Prammer

Die Königin beschliesst, ihren Sohn, den Thronfolger, zu Mortimer zu bringen. Mortimer und Isabel wollen die Macht auf den Königssohn übertragen. Mortimer gelingt es schliesslich, den halluzinierenden König, welcher unter dem Verlust seines Liebhabers leidet, zu entmachten. Der junge König ladet seine Mutter zu einer Theatervorstellung ein. Als die Königin sich nach der Handlung erkundigt, antwortet er, es handle sich um eine Frau und einen Mann, die einen König ermorden liessen und dessen Sohn auf den Thron gesetzt hätten. Man könne jedoch aus der Tiefe der Erde sein Klagen hören. Da wird Isabel bewusst, was hier gespielt wird und sie fragt nach Mortimer, ihr Sohn jedoch kennt keine Gnade und Mortimer muss grausam sterben.

Die Musik von George Benjamin ist von einer beeindruckenden Klarheit und die einzelnen Rollen sind von grosser Textverständlichkeit geprägt. Man erlebt immer wieder neue Höreindrücke und kann dank der feinst ausgearbeiteten Komposition in diese Musik eintauchen. Besonders raffiniert ist die Harmonik, welche immer wieder überrascht. Die Zwischenspiele geben dem Orchester Gelegenheit, mit dramatischem und teils höchst filigranem Spiel zu brillieren. Die Philharmonia Zürich unter der Leitung von Ilan Volkov leistet hier ganze Arbeit und man kann dem Orchester einmal mehr zu einer herausragenden Leistung gratulieren.

In den sieben Szenen erlebt man in eindrücklichen Bildern die ganze Bandbreite des Kampfes um Macht und Gier, um  grenzenlose Leidenschaft und um politische Intrigen. Die Inszenierung von Evgeny Titov, welcher mit dieser Aufführung seine vierte Opernarbeit vorstellt und zusammen mit dem Bühnenbildner Rufus Didwiszus unglaublich intensive Bilder geschaffen hat, ist ein Wurf. Jede der Szenen ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und lässt einen die Geschichte berührt mitverfolgen.

Die einzelnen Personen, vor allem die vier Hauptpartien, aber auch der Statistenverein, überzeugen in dieser Regiearbeit vollends und lassen alle Stimmungen von Liebe und Gewalt, Rache und Verzweiflung beeindruckend plausibel aufscheinen. Dazu tragen die Kostüme von Falk Bauer und die Lichtgestaltung von Martin Gebhardt einen großen Teil bei.

Opernhaus Zürich/Lessons in Love and Violence/Foto @ Herwig Prammer

Die Sängerinnen und Sänger dieser Produktion leisten wahrlich Großartiges. Allen voran muss die Partie des Königs genannt werden. Wenige Tage vor der Aufführung musste der dafür vorgesehene Sänger der Hauptpartie wegen Erkrankung absagen. Für ihn konnte der englische Bariton Ivan Ludlow gewonnen werden, welcher diese Partie in kürzester Zeit einstudiert hat. Er verkörperte die Rolle des leidenschaftlichen und leidenden Königs mit eindrücklicher Stimme und derart überzeugendem Spiel, dass man von einer perfekten Besetzung berichten kann.

Sein Liebhaber Gaveston wurde von Björn Bürger in jeder Hinsicht ideal verkörpert. Man kann den König verstehen, dass er diesem attraktiven Mann verfallen ist. Mit seinem hellen Bariton, vereint mit grosser Textverständlichkeit und seinem verführerischem Spiel, ist auch er eine Idealbesetzung. Der Gegenspieler Mortimer, welcher in dieser Aufführung als biederer Politiker und nüchterner Machthungriger dargestellt wird, findet mit dem englischen Tenor Mark Milhofer die Ideale Verkörperung. Hier erlebt man einen berechnenden, von Falschheit getriebenen Mann. Großartig auch hier die gesangliche Leistung und das intensive Spiel.

Opernhaus Zürich/Lessons in Love and Violence/Foto @ Herwig Prammer

Zum ersten Mal auf der Opernhaus Bühne war die Sopranistin Jeanine De Bique zu erleben. Stimmlich wie darstellerisch eine wahrlich königliche Erscheinung, welche mit beeindruckender Stimme alle Facetten dieser Partie auslotet und gerade in ihrer Szene im zweiten Bild, ihr Machtbewusstsein sehr eindringlich zur Geltung bringt. Bei Sunnyboy Dladla ist die Partie des Jungen, späteren König Edward III, bestens aufgehoben. Vom anfänglich naiven zum mehr und mehr grausam werdenden Menschen, gelingt es ihm, dies auch stimmlich nuanciert darzustellen. Andrew Moore überzeugt als Zeuge 3 und als Verrückter genauso wie die beiden Sängerinnen Isabelle Haile und Josy Santos, welche in jeweils drei Rollen, das Ensemble aufs beste ergänzten. Als Mädchen war Nini Vlatković in stummer Rolle zu erleben.

Für alle Beteiligten war diese Produktion ein Rollendebut und man kann hier von einer sehr überzeugenden Ensembleleistung sprechen. Der Statistenverein am Opernhaus Zürich hatte ebenfalls starke Auftritte.

Ensemble/Applaus/Foto @ Rolf Rebsamen

Das Publikum spendete am Ende dem ganze Ensemble und dem anwesenden Komponisten viel Applaus. An der Premierenfeier bedankte sich George Benjamin für die ihn tief berührende Umsetzung seines Werkes.

Nicht verpassen!

 

 

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/Lessons in Love and Violence/Foto @ Herwig Prammer 

 

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