Opernhaus Zürich: LUCIA DI LAMMERMOOR / Premierenbericht

Oper Zürich/LUCIA DI LAMMERMOOR/ I. Lungu/ Foto @ Herwig Prammer

Mit großer Erwartung hatte man sich auf die Premiere von LUCIA DI LAMMERMOOR im Opernhaus Zürich gefreut und war gespannt, ob diese überhaupt stattfinden kann. Nun hat sich also der Vorhang gehoben und man wurde Zeuge einer leider nicht überzeugenden Inszenierung. Waren im vorangegangenen Interview mit der Regisseurin TATJANA GÜRBACA durchaus interessante Einsichten in die Gefühlswelt der Lucia zu lesen, so war die Umsetzung auf der Bühne wenig beeindruckend. (Rezension der Premiere v. 20. Juni 2021

 

Jedem Opernliebhaber ist bekannt, welches Schicksal Lucia erleidet und wie sie dem Zwang der Familie nicht entrinnen kann. Dass dieses Drama seinen Ausdruck in Mord und Wahnsinn findet, ist schon in vielen Varianten auf der Bühne gezeigt worden.

In dieser Aufführung erlebt man auf einer Drehbühne einen ständigen Wechsel der Räume (Bühne: Klaus Grünberg, Kostüme: Silke Willrett) und ein endloses Hin und Her der Statisten in verschiedensten Kombinationen. Hier zeigt sich auch die Problematik, dass der Chor nicht auf der Bühne sein kann. Es wirkt alles zu choreographiert und steril. Dies ist allerdings auf die Umstände wegen der Pandemie zurückzuführen. Sind zwar im ersten Teil durchaus Ansätze zur Handlung erkennbar, so driftet im zweiten Teil ab der Gewitterszene die Umsetzung ins Banale ab.

Oper Zürich/LUCIA DI LAMMERMOOR/ I. Lungu, A. Owens, I. Milne/ Foto @ Herwig Prammer

Auch die Idee, den erstochenen und noch keuchenden Arturo auf die Bühne zu schleppen, ist wenig hilfreich. Nach kurzer Zeit hat sich das Potenzial der Effekte erschöpft und man konzentrierte sich mehr auf den musikalischen Teil.

Das Orchester befand sich, wie bereits in früheren Aufführungen in dieser außergewöhnlichen Saison, nicht im Opernhaus selbst, sondern im einen Kilometer entfernten Proberaum und wurde via ein geniales Übertragungskonzept in den Zuschauerraum übermittelt. Dies gelingt auf sehr eindrückliche Weise, kann jedoch den persönlichen Kontakt mit den Sängern im Hause nicht ganz ersetzen.

So kam es zu ein paar Unsicherheiten zwischen den Sängern und dem Orchester. Dies ist aber ebenfalls der außerordentlichen Situation geschuldet und wird sich in den kommenden Aufführungen sicher noch besser einspielen.  SPERANZA SCAPPUCCI leitete die PHILHARMONIA ZÜRICH mit viel Energie und erwies sich einmal mehr als sehr kompetente Dirigentin, welche die Feinheiten der Partitur sehr schön herausgearbeitet hat. JANKO KASTELIC hat den Chor wieder bestens einstudiert.

Auf der sängerischen Seite gab es einiges zu erleben. IRINA LUNGU meisterte die schwierige Partie der Lucia mit großem Einsatz und konnte mit kräftiger Stimme und Koloraturen glänzen. Die Wahnsinnsarie, begleitet von der Glasharmonika (Thomas Bloch), hatte eine ganz besondere Wirkung. Genauso wichtig ist auch die Begleitung der Harfe (Una Prelle), welche die Sängerin in den feinsten Passagen wirkungsvoll unterstützt. Die Darstellung der jungen Lucia und deren Leiden konnte die Sopranistin sehr gut umsetzen. Aufhorchen lies ROSWITHA CHRISTINA MÜLLER als Alisa, die Kammerdame von Lucia.

Oper Zürich/LUCIA DI LAMMERMOOR/ P. Beczała, M.Cavalletti/ Foto @ Herwig Prammer

PIOTR BECZAŁA, ein immer äusserst gern gesehener Gast am Opernhaus Zürich, war für die Rolle des Edgardo eine wunderbare Besetzung. Die feinen Nuancen jeder Aria, genauso wie die emotionalen Höhen, alles scheint dem großartigen Sänger leicht zu gelingen. Dies war die letzte Gelegenheit, ihn in dieser Partie zu erleben, da andere Aufgaben auf diesen außergewöhnlichen Sänger warten.

In der Rolle des Bruders von Lucia, Enrico, war der italienische Bariton MASSIMO CAVALETTI zu hören. Hin- und hergerissen zwischen Wut, Mitleid und Dominanz, fordert diese Partie eine starke Stimme. Die besitzt der Sänger und lässt eine fast den Rahmen des Hauses sprengende Energie ertönen.

OLEG TSIBULKO als Raimondo und IAIN MILNE als Normanno konnten mit Stimme und Spiel überzeugen. ANDREW OWENS als Arturo, in der undankbaren Partie des unerwünschten Ehemanns, liess seinen angenehmen Tenor erklingen.

Oper Zürich/LUCIA DI LAMMERMOOR/ Statistenverein/ Foto @ Herwig Prammer

Der Statistenverein des Opernhauses war in dieser Inszenierung sehr gefordert. Man muss dieser Leistung Respekt zollen, auch wenn die Aufführung als Ganzes leider nicht zu überzeugen vermochte.

Das Publikum verteilte seinen Applaus sehr differenziert und lies das Regieteam nicht ohne einige Missfallensäusserungen die Bühne betreten.

Ab 27. Juni 2021 kann diese Aufführung auf ARTE. TV als kostenloser Stream angesehen werden und auch auf der Website des Opernhauses www.opernhaus.ch. Dann kann man sich ein eigenes Bild von diesem Abend machen.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Zürich/LUCIA DI LAMMERMOOR/ P. Beczała, I. Lungu/ Foto @ Herwig Prammer

 

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2 Gedanken zu „Opernhaus Zürich: LUCIA DI LAMMERMOOR / Premierenbericht&8220;

  1. Endlich wieder mal „Operngucken“ im TV – Freude und dann die Enttäuschung über diese Inszenierung: Herr Stücklin hat vollkommen recht! Etwas minimalistischer in allem wäre bei dieser wunderschönen Belcantomusik angebracht gewesen (für mich). So hatte ich auf dem Sofa einen Kunstgenuss mit geschlossenen Augen.

  2. Danke für diese wunderbare Beschreibung der Lucia lieber Marco Stücklin!
    Es ist sicher in dieser Zeit durch die Pandemie geprägt, schwer alles auf einen Nenner zu bringen-
    Ich bin auf die Übertragung von ARTE am 27.06.2021 gespannt.
    Herzlichen Dank nochmals!

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