
Die Sinfonie C-Dur KV 200, die leider selten auf der Bühne zu erleben ist, wurde von Wolfgang Amadeus Mozart zwischen 1773 und 1775 in Salzburg komponiert. Eine genauere Datierung ist nicht möglich, da Constanze Mozart das Datum auf dem Manuskriptpapier nach dem Tod ihres Mannes durchgestrichen hat, um das Werk als ein neueres an den Wiener Musikverleger Johann Traeg zu verkaufen. Eine mögliche Lösung dieses Rätsels konnte durch den Einsatz derselben Röntgentechnologie gefunden werden, die Wissenschaftler an der Universität Manchester vor über einem Jahrzehnt verwendet haben, um die Schlussszene von Luigi Cherubinis dreiaktigen Opéra-comique Médée wiederherzustellen (siehe LINK). (Konzert v. 22.10.22)
Das Konzert am 22. Oktober 2022 im Großen Saal der Stiftung Mozarteum im Rahmen des Mozart+Festes hat die Gelegenheit geboten, diese viersätzige frühe Sinfonie zu hören. Das Werk beweist, dass Mozart die damals junge Gattung der Sinfonie zu einer Zeit beherrschte, in der sie sich von ihrem ursprünglichen Zweck als Ouvertüre zu einer Oper unabhängig machte, auch dank Komponisten unter anderem Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Christian Bach und Franz Joseph Haydn. Anders als das etwa zeitgleiche dunkel untermalte A-Dur KV 201 oder das tragisch anmutende g-Moll KV 183 ist diese Symphonie weit weniger berühmt, doch das thematische und melodische Material ist ebenso einprägsam und wertvoll als Teil von Mozarts kompositorischem Schaffen.
Dieses Jahr hatte ich das große Glück, zwei Aufführungen des A-Dur Violinkonzerts KV 219, das Mozart am 20. Dezember 1775 in Salzburg fertigstellte, im Mozarteum zu genießen. Trotz der ähnlichen Orchesterbesetzung waren die beiden Aufführungen recht unterschiedlich. Als ich die Mozart-Matinee am 14. August mit Augustin Hadelich als Solist und Joana Mallwitz als Dirigentin des Mozarteumorchesters rezensierte, bemerkte ich den Einfluss der historischen Aufführungspraxis. Die Besetzung war dieses Mal das Ehepaar Lisa Batiashvili als Geigerin und François Leleux als Leiter des Chamber Orchestra of Europe. Die Herangehensweise dieses Mal könnte man als romantischer bezeichnen, was die Flexibilität des Tempos angeht. Batiashvili spielte ihre eigenen Eingänge und Kadenzen, die von denen von Joseph Joachim und Robert Levin inspiriert waren. Obwohl ich einen deutlichen stilistischen Unterschied gehört habe, sind Batiashvilis und Hadelichs Ansätze gleichwertig, und es fällt mir schwer, einen Liebling zwischen den beiden im Kontext von Live-Konzerten zu wählen, da die Erinnerung die einzige Vergleichsgrundlage ist.

Nach der Pause spielte Leleux das Oboen-Solo und leitete das Chamber Orchestra of Europe in dem kurzen, selten gespielten (und für mich völlig neuen) Oboenkonzert von Vincenzo Bellini, der heute vor allem als Opernkomponist, insbesondere von Norma, in Erinnerung geblieben ist. Dieses melodische, heitere Werk aus dem Jahr 1823 deutet nicht auf Bellinis Opernerfolge hin, sondern klingt eher wie eine Mischung aus einem weniger bekannten Werk aus dem späten achtzehnten Jahrhundert und einer Vorahnung des 1945 entstandenen Konzerts für Oboe und kleines Orchester D-Dur (1945) von Richard Strauss.
Am Ende des Programms führte Leleux eine der berühmtesten aller Sinfonien auf, die in g-Moll KV 550, der Mittelteil eines symphonischen Triptychons, das Mozart im Sommer 1788 schrieb. Die Ausführung aller von Mozart vorgeschriebenen Wiederholungen förderte die innere Struktur jedes Satzes und steigerte die emotionale Intensität der Musik. Mäßige Tempi und ein Kammerorchester mit geteilten Violinen machten jede instrumentale Linie deutlich hörbar. In der zweiten Fassung mit Klarinetten hat diese Sinfonie eine Textur, die die Orchestrierung von Werken derselben Gattung in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts vorwegnimmt. Während des gesamten Abends spielten die Musiker nicht nur mit der Transparenz und Präzision, für die dieses Ensemble bekannt ist, sondern auch mit einem Maß an Leidenschaft, das sehr gute Leistungen zu großartigen erhebt und das Publikum wünschen lässt, die Musik möge niemals enden. Die begeisterten Ovationen nach jedem Stück zeigten, dass auch die anderen Zuschauer die Aufführungen zu schätzen wussten.
- Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Mozarteum Salzburg
- Titelfoto: Mozart+Fest/Mozarteum/Konzert 22.10.22/Foto @ Wolfgang Lienbacher