– Premiere 29. April 2017 – In einem Interview mit einer überregionalen Tageszeitung äußerte sich der Regisseur des Gelsenkirchener DON GIOVANNI, Ben Baur, dahingehend, dass ihm die Zeichnung der einzelnen handelnden Personen des Stückes als besonders wichtig erscheint und das die verschiedenen Gefühlsregungen vom Publikum auch als solche zu erkennen sind. Diesem selbst formulierten Anspruch an sich ist Baur in großen Teilen gerecht geworden. Das Publikum im voll besetzen Haus am Kennedyplatz feierte die Premiere einhellig und schloss in den Applaus auch Ben Baur und sein Regieteam mit ein.
In dunklen Farben, Kostümen und Dekoration entwirft Ben Baur (Inszenierung und Bühnenbild) einen düsteren Handlungsverlauf, der sich, immer wieder unterbrochen von gleißendem Licht, erst am Ende, nach Giovannis Tanz in die Hölle erhellt und selbst dann noch die Protagonisten weiter im Dunkeln lässt. Eine Inszenierung, die endlich mal wieder aus dem vollem schöpft, was Ausstattung, Kostüme und die hervorragende Lichtgestaltung (extra Lob an Mariella von Vequel-Westernach) betrifft. Dazu eine Personenregie wie man sie nicht alle Tage zu sehen bekommt. Viele Einfälle, viele logische Feinheiten und feine Anspielungen und dann der Höhepunkt, wenn Don Giovanni im Brautkleid auf dem festlichen gedeckten Tisch mit seinem Gast aus dem Totenreich den finalen Tanz tanzt. Mich hat Ben Baur überzeugt!
Stilvolle Kulissen in denen die Darsteller in ebenso adäquaten Kostümen (Uta Meenen) ihre jeweiligen individuellen Schicksale durchleben, sich treffen, sich verlieren und sich immer wieder finden. Wie Trabanten kreisen sie um einen sonnenlosen, dunklen Planeten herum. Und dieser Planet ist Don Giovanni.
Regisseur Baur lässt seinen Giovanni einen beeindruckend fiesen und charakterlosen Frauenheld sein, mit großem Ego und wenig Skrupel und sehr viel Machogehabe. Das Donna Elvira da ab und an wankelmütig wird, ist fast nachzuvollziehen.
Musikalisch ist dem MiR ein großer Wurf gelungen. Sämtliche Partien dieser Mozartoper sind mit Sängerinnen und Sängern des Gelsenkirchener Ensemble besetzt. Und wie!
Piotr Prochera ist ein Don Giovanni wie ihn sich viele Häuser nur wünschen können. Gelsenkirchen hat ihn. Er spielt einen außerordentlich männlichen Herzensbrecher, meistens ohne Hemd und dazu noch sehr attraktiv. Und er singt diese Baritonpartie kräftig angelegt, mit viel stimmlicher Kraft, und setzt seine Glanzpunkte insbesondere im zweiten Akt. Und da vor allem im großartig gesungenen und vor allem gespielten Finale. Für mich ist Prochera derzeit der Don Giovanni des Reviers.
Den Don Ottavio sang Gelsenkirchens junger Tenor Ibrahim Yesilay. Auch er begeisterte auf ganzer Linie. Während schon die im ersten Akt gesungene Arie „Dalla sua pace la mia dipende“ das Publikum berührte, wusste Yesilay dann im zweiten Akt mit der großen Arie „Il mio tesoro intanto“ restlos zu überzeugen. Mit Yesilay hat das Musiktheater im Revier einen ganz besonders talentierten Sänger in seinen Reihen, der dies gestern wieder einmal überzeugend unter Beweis stellen konnte.
Petra Schmidt als Donna Elvira ist einfach ein Opernerlebnis. Wie sie die ständig weinende und klagende Verzweifelte spielt und wie sie ihr Stimme verleiht ist großartig. Ihre große Arie im zweiten Akt „Mi tradi quell’alma ingrata“ wird zu einem der Höhepunkte der gesamten Aufführung. Das gilt auch in ähnlicher Weise für die Donna Anna der wieder einmal glänzenden Alfia Kamalova, deren beseeltes und innig vorgetragenes „Non mi dir“ in ganz besonderer Erinnerung bleibt.
Urban Malmberg gab dem Diener Don Giovannis, Leporello, komödiantisches und ironisches Profil ohne dabei zu überziehen. Herrlich seine Registerarie mit der Aufzählung der vielen Amouren des Don Giovanni. Dem Komtur verlieh der Bassist Dong-Won Seo mit tiefer Grabesstimmer dämonische Kraft und überzeugendes Profil. Darstellerisch dem Teufel ähnelnd, der seine zum Tode Auserwählten selbst „tänzerisch“ in Empfang nimmt.
Bele Kumberger ist eine zauberhafte Zerlina. Stimmlich wie darstellerisch eine fast schon ideale Besetzung für diese Partie. Die Rolle des Masetto, dem so rasend eifersüchtigen Bräutigam der Zerlina, ist mit dem Bariton Michael Dahmen besetzt. Und der macht daraus ein ganz besonderes Glanzstück. Sängerisch wie schauspielerisch. Das geht einfach nicht besser – chapéu!
Die musikalische Leitung des Abends lag in den Händen des Gelsenkirchener GMD Rasmus Baumann. Er führte die Neue Philharmonie Westfalen souverän, gefühlvoll und stellenweise packend durch die Mozartpartitur. Großer Applaus des Publikums für das Orchester und seinen Dirigenten.
Applaus ebenso auch für Chor und Statisterie des MiR.
Sehenswert, musikalisch hochklassig und packend, erotisch und sinnlich. Das ist der DON GIOVANNI im Musiktheater im Revier.
*© 30.04.17/Detlef Obens/Das Opernmagazin
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*Alle Fotos MiR DON GIOVANNI @ Pedro Malinowski