LIEDBasel 2019 / Internationales Festival – 23.-26. Mai 2019
Die erste Ausgabe dieses neuen Festivals bot ein überzeugendes und reichhaltiges Programm rund um das Thema Lied und das Motto «Die Gedanken sind frei»
Nach verschiedenen Einladungen in Basler Privathäuser zu Hauskonzerten, welche hier eine große Tradition haben, ist Festivalgründerin SILKE GÄNG die Idee, die Liedinteressierten Gastgeber zusammenzuführen, nicht mehr aus dem Kopf gegangen und daraus entstand die Gründung des Freundeskreises LIEDBasel.
Wer sich in einer von Festivals geprägten Zeit an ein neues Projekt wagt, muss eine klare Vision haben, wie eine solche Veranstaltung aussehen soll. Für Silke Gäng war sofort klar, dass man sich von allen Seiten dem Thema Lied annähern muss, was bedeutet, dass man nicht nur den klassischen Liederabend, sondern auch einen modernen Zugang zu dieser Kunstform aufzeigen und fördern muss.
Dass ein solches Festival nur Chancen hat, wenn man erstklassige Solisten und Musiker für die Idee begeistern kann, war eine weitere Herausforderung. Es gelang auf Anhieb, die beiden bedeutenden Künstler Graham Johnson, einer der ganz großen Pianisten und Liedbegleiter unserer Zeit und den herausragenden Bariton Benjamin Appl für dieses Projekt zu gewinnen. Zudem erklärte sich auch Michael Haeflinger, Intendant des Lucerne Festivals bereit, als Ehrenpatron mitzuwirken.
So entstand aus der Idee ein Festivalprogramm, welches sich sehen lassen kann.
In fünf verschiedenen Formaten, LIEDSalon, LIEDRezital, LIEDAcademy, LIEDOnDemand und LIEDLabor konnte man sich während vier Tagen intensiv mit dem Thema LIED auseinandersetzen und spannende Begegnungen erleben.
Sechs sorgfältig ausgewählte Duos aus allen Stimmlagen hatten die Gelegenheit an den Meisterkursen im Rahmen der LIEDAcademy zusammen mit Graham Johnson und Benjamin Appl an zwei Tagen zu arbeiten. Diese Meisterkurse waren öffentlich und boten auch dem interessierten Liederfreund die Möglichkeit, vom Wissen dieser beiden Experten zu profitieren.
Es war sehr spannend, die verschiedenen Sänger mit Ihren Begleitern zu erleben. Die jungen Musiker aus über zehn Ländern, welche bereits über Konzerterfahrungen verfügten und schon viele Auftritte hatten, konnten sich mit ausgewählten Liedern präsentieren und an deren Interpretation arbeiten.
Graham Johnson, welcher schon unzählige berühmte Sänger in seiner grossen Karriere begleitete, verfügt über ein Wissen, welches unerschöpflich scheint. Was für ein Glück für die Teilnehmenden von dieser Erfahrung lernen zu dürfen. Graham Johnson setzt sich dafür ein, dass die Sänger sich an die Vorgaben der Komponisten halten und vor allem wissen, was genau der Text aussagt und warum man als Begleiter genauso wichtig ist wie der Sänger. Nur so kann man die Seele eines Liedes ausdeuten und überzeugend an das Publikum vermitteln. Gerade bei fremdsprachigen Solisten ist dies eine besonders hohe Herausforderung. Man war beeindruckt von den vielen wertvollen Tipps und Anekdoten, welche dieser Experte den Kursteilnehmern vermittelte.
Benjamin Appl, einer der gefragtesten Sänger im Liedfach, zeigte den Stipendiaten, dass man in der heutigen Zeit nur mit einer überzeugenden, fesselnden Interpretation ein Publikum 90 Minuten halten kann. Wie Benjamin Appl mittels Übungen mit den Sängern arbeitete, war ein Erlebnis – nicht nur für die Musiker, sondern auch für das anwesende Publikum.
Im dritten Meisterkurs mit dem Schauspieler Klaus Brömmelmeier wurde eine ganz andere Seite der Interpretation aufgezeigt. Wie bewege ich mich auf der Bühne, wie wirke ich beim Auftritt? Eine wertvolle Ergänzung für die jungen Talente.
Bereits an der Eröffnung am ersten Abend konnten sich dann die einzelnen Duos mit je einer Darbietung und kurzen Interviews präsentieren. Alain Claude Sulzer, Vizepräsident von LIEDBasel und Silke Gäng führten ein Gespräch mit Intendant Michael Haefliger, welcher sich freute, dass sich ein Festival ausschliesslich mit dem Thema Lied auseinandersetzt. Als Sohn des berühmten Tenors Ernst Haefligers liegt ihm diese Kunstform natürlich besonders am Herzen.
Eine ganz andere Seite des Festivalmottos «Die Gedanken sind frei « konnte man am ersten «Liederabend» mit dem Schriftsteller und Performancekünster Jürg Halter erleben. Zusammen mit dem Musiker und DJ Janiv Oron wurde innerhalb einer Stunde mittels sehr eindrücklicher Texte vorgeführt, was die Digitalisierung in der heutigen Zeit mit uns anstellt. Die Frage wurde aufgeworfen, wie frei unsere Gedanken überhaupt sind. War man am Anfang irritiert von dieser Art der Performance, musste man am Ende feststellen, wie viel Sinn und Wahrheit in diesen Gedanken des Künstlers steckt. Eindrücklich!
Der Höhepunkt des Festivals war der extra für diesen Anlass zusammenstellte Liederabend «Einsiedlertum-Sehnsucht nach innerer und äusserer Freiheit» welcher im Ballsaal des Hotel LES TROIS ROIS stattfand.
Benjamin Appl und Graham Johnson boten eine Sternstunde des Gesangs. Was für ein Glück diese beiden phantastischen Künstler in einem so intimen Rahmen erleben zu dürfen. Jedes der ausgesuchten Lieder von Schubert, Schumann, Mahler, Grieg, Wolf, Duparc und Chabrier wurde zu einem Genuss. Hier konnte man bestens erleben, was die beiden im Meisterkurs vermittelten.
Am darauffolgenden Tag wurde ein weiterer Liederabend unter dem Titel «SchweizSchweizSchweiz» gegeben. Die Komponistin Annette Schmucki hat ein Auftragswerk für das Festival geschaffen. «rewriting müllerin» welches seine Uraufführung erlebte. Hier wurde man Zeuge eines total anderen Zugangs zum Lied. Die 24 teils nur aus ganz wenigen Tönen bestehenden Teile forderten von den beiden Ausführenden Sylvia Nopper, Sopran und Till Alexander Körber, Klavier ein Höchstmass an Konzentration. Das Publikum muss sich allerdings sehr öffnen um dieser Komposition folgen zu können. Vor der Uraufführung wurden noch Kompositionen von Jürg Wyttenbach, Alfred Zimmerlin, Matthias Arter und Iris Szeghy aufgeführt, welche bekannte Schweizer Lieder in ganz neuer Form erscheinen lassen.
Das Festival bot auch Gelegenheit zu Begegnungen mit Wissenschaftlern, Forschern und Professoren aus unterschiedlichsten Fachgebieten, welche Ihre Sicht zum Festivalthema in Gesprächen und Vorträgen äusserten. Für die Erstausgabe dieser Reihe konnten Prof. Dr. Elisabeth Bronfen, Prof. Dr. Roberto Simanowski, Prof. Torsten Kratz und Dr. Georg Keller gewonnen werden.
Vor dem Schlusskonzert hatte man Gelegenheit einem Gespräch zwischen dem Sänger und Gesangspädagogen Kurt Widmer und Tobias Schabenberger beizuwohnen. Interessante Begebenheiten aus diesem erfolgreichen Musikerleben und viele Anekdoten waren zu vernehmen und man hätte noch lange zuhören können.
Auch am Konzertmorgen wurde noch intensiv an den Programmen gearbeitet. Dann war der große Moment für die Stipendiaten gekommen, welche jeweils während 15 Minuten Ihr eigenes Programm zum Motto des Festivals präsentierten.
Sarah Baxter, Sopran, Ioana Ilie, Klavier
Kimon Barakos, Bariton, Laura Chihaia, Klavier
Esther Valentin, Mezzosopran, Anastasia Grishuntina, Klavier
Jeejoung Lim, Bass-Bariton, Eleonora Pertz, Klavier
Maximilian Vogler, Tenor, Sebastian Issler, Klavier
Stefanie Knorr, Sopran, Aimi Sugo, Klavier
Beeindruckend die Leistungen dieser jungen Talente! Wenn man die Meisterkurse besucht hatte, spürte man bereits nach so kurzer Zeit wie die Stipendiatinnen und Stipendiaten die Erfahrungen der Experten umzusetzen in der Lage waren.
Mit dem gemeinsamen Singen des Volksliedes und Themas der Veranstaltung «Die Gedanken sind frei» endete dieses hervorragend geplante und durchgeführte Festival. Die Organisation einer solchen Veranstaltungsreihe erfordert einen enormen Einsatz aller Beteiligten. Der Enthusiasmus und die Liebe zum Lied, hat in der ersten Ausgabe dieses neuen Festivals seine erfolgreiche Premiere erlebt. Besonders erwähnen darf man auch die informativen Unterlagen und Programme.
Im kommenden Jahr findet das Festival u.a. mit Daniel Behle, Elisabeth Kulman, Oliver Schnyder und Jan Philip Schulze statt.
- Eindrücke von LIEDBASEL 2019 von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH.
- Alle Informationen über die Mitgliedschaft im Freundeskreis, die kommenden Veranstaltungen etc. findet man auf der Website www.liedbasel.ch.
- Titelfoto: LiedBasel 2019 / Foto @ Benno Hunziker