Mit spektakulären Bauzeitüberschreitungen kam die Sanierung des Ensembles „Kölner Oper und Schauspiel“ in die Ausstellung. Dort ist die geplante Sanierungsdauer von drei Jahren mittlerweile um zehn weitere überschritten, und Inflation und Baukostensteigerung haben für einen explosionsartigen Anstieg der Kosten gesorgt, die bis 2024 mit 798 Millionen Euro angegeben wurden, ganz abgesehen von den Mietkosten für Ersatzspielstätten. Dagegen war die Sanierung und Aufstockung der Opéra Lyon 1993 mit einem modernen Tonnengewölbe mit 138 Millionen Euro (in Preisen von 2024) eher preiswert.
Die Ausstellung widmet jedem der Projekte eine Stellwand, auf der ein Bild und eine Beschreibung des Bauwerks zu sehen sind. Visualisierungen der Planungs- und Bauzeiten einerseits und der Baukosten für Theaterbau und Werkstätten andererseits, sind auf gemeinsamen Tafeln gegenübergestellt, und es fällt auf, wie unterschiedlich diese ausgefallen sind. Die Oper Bonn wird mit Grundrissen von Erdgeschoss und 1. Stock und Fotos des Gebäudes von 1965 und heute, etwas breiter dokumentiert. Die Abwägung zwischen Sanierung und Neubau müsse politisch mühsam ausgehandelt werden, betonte Frau Jürges.
Düsseldorf und Köln hatten nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs bereits 1953 bzw. 1955 ein Opernhaus und ein Theater errichtet, Bochum immerhin ein Schauspielhaus, das 1953 wieder eröffnet wurde. Der Bonner Republik, 1949 als Provisorium in Bonn eingerichtet, fehlte in der Blütezeit des Wirtschaftswunders, gleichzeitig Hoch-Zeit des „Kalten Krieges“ eine repräsentative Spielstätte. Man wollte um jeden Preis vermeiden, in Bonn eine „Deutsche Oper“ zu bauen, die wurde 1961 in West-Berlin eröffnet. Bund und Land NRW sagten der Stadt Bonn je ein Drittel der Baukosten als Zuschüsse zu, und so wurde in Bonn für 23 Millionen DM direkt am Rhein neben der Kennedybrücke ein Drei-Sparten-Haus gebaut. Der Boesalagerhof, ein barockes Stadtpalais, an den noch die Adresse der Oper „Am Boeselagerhof“ erinnert, war 1943/44 im zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört worden. Am 5. Mai 1965 eröffnete das Theater Bonn mit der „Orestie des Aischylos“, als erste Oper folgte „Don Giovanni“ in italienischer Sprache. Das Haus öffnet eine Terrasse direkt zum Rheinufer. Es ist, anders als viele andere Theater, von allen vier Seiten sichtbar und ragt wie eine abstrakte Skulptur, mit silbernen Aluminiumplatten verkleidet, über den Rhein.
Der Architekturhistoriker Prof. Dr. Frank Schmitz von der Universität Hamburg öffnete den Bonnern, die ihre Oper als selbstverständlich nehmen, die Augen. Zunächst lobte er das Eingangsfoyer, in dem die Ausstellung gezeigt wird, als Ort der Begegnung. Es werde immer den Bedarf an Live-Events geben, bei denen Zuschauende und Besuchende kulturelle Veranstaltungen gemeinsam wahrnehmen. Dazu benötige man Spielstätten. Das Bonner Haus, preisgekrönter Entwurf der damals jungen Stuttgarter Architekten Klaus Gessler und Wilfried Beck-Erlang, drücke durch den asymmetrischen Übergang des Parketts in den ersten Rang den klassenlosen Anspruch der Bonner Republik aus. Das habe dazu geführt, dass in der Zeit, als noch Staatsgäste in der Bonner Oper empfangen wurden, in der Mitte des ersten Rangs die ersten beiden Reihen ausgebaut wurden, um mit besonders großen Sesseln eine herausgehobene Stellung der Staatsgäste auszudrücken. In fast allen Opernhäusern gibt es eine ehemalige „Kaiserloge“, in der NS-Zeit: „Führerloge“ in der Mitte des ersten Rangs, die im Bedarfsfall prominenten Gästen vorbehalten ist. Die großen Sessel, auf denen damals Bundespräsident Heinrich Lübke mit Staatsgästen Platz nahm, können bei Bedarf wieder eingebaut werden.
Die „Kunst am Bau“ spiegelt mit der abstrakten Stahlplastik von Erich Hauser („Bonner BH“) im Eingangsfoyer, den unzähligen schwebenden Deckenleuchten im Zuschauerraum und den „Volvox“-Kugellampen von Otto Pieno im Foyer sowie dem Holzrelief im ehemaligen Raucherfoyer von HAP Grieshaber in der Bar 65 die Kunst der Zeit, denn die ausführenden Künstler waren Preisträger der Kasseler Documenta. Man sei sogar in Korrespondenz mit dem französischen Künstler Jean Cocteau gewesen, der sei aber vor Vertragsabschluss gestorben. Schmitz bezeichnete das Bonner Opernhaus als „eine gebaute Manifestation, dass erstens eine demokratische staatliche Repräsentation möglich ist, und dass zweitens diese auf dem Wege von Aushandlungsprozessen erreichbar ist und dass diese Aushandlungsprozesse drittens mühsam sind, aber jeder Mühe wert.“
Am 5. Mai 2025 hat das Opernhaus Bonn sein 60-jähriges Bestehen in einem Festakt gefeiert. Die Ausstellung im Eingangsfoyer der Bonner Oper wird noch bis zum Ende der Spielzeit 2024/25 jeweils eine Stunde vor Beginn der Vorstellungen gezeigt.
- Artikel von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Titelfoto: Opernhaus Bonn / Foto © Thilo Beu