Jakub Józef Orliński im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN

Jakub Józef Orliński als Cyrus (Oper Belshazzar)/ Opernhaus Zürich/ Foto @ Herwig Prammer

(DAS OPERNMAGAZIN-OM) Herr Orliński, wir haben das Glück, Sie erstmals im Opernhaus Zürich in der Partie des Cyrus im Oratorium BELSHAZZAR von G.F. Händel zu hören. Sie befinden sich mitten in den Proben dieser Produktion, welche am 3. November 2019 Premiere feiern wird. Wie erleben Sie die Arbeit am Opernhaus Zürich und Ihren Aufenthalt in der Schweiz?

(Jakub Józef Orliński-JJO) Dies ist mein erster Aufenthalt in der Schweiz. Abgesehen von einem Recital, welches ich in Verbier in diesem Sommer zusammen mit meinem Freund und Pianisten Michal Biel gegeben habe. Verbier war sehr schön. Hier in Zürich ist es das erste Mal dass ich in einer Produktion am Opernhaus mitmache und es ist einfach herrlich. Ich freue mich hier zu sein. Meine Kollegen haben mich gewarnt, wie teuer hier alles sei, doch wenn man sich einmal damit abgefunden hat, dann ist Zürich einfach nur grossartig und wunderschön. Und die Arbeit am Opernhaus mit all den guten Kollegen, sowie die freundliche Stimmung im Haus ist sehr angenehm. Ich habe ziemlich viele Freunde hier. Es hat im Ensemble, im Haus und im Opernstudio auch einige Personen aus Polen. Und der Operndirektor Michael Fichtenholz, welcher mich schon in Karlsruhe für die Oper «Tolomeo Re D’Egitto» an den Händel Festspielen eingeladen hatte, wo ich im Februar 2020 die Titelrolle singen werde, hat nun dieses Engagement hier möglich gemacht. Ich geniesse es, hier zu sein. Ich habe ein schönes Appartement und ein Fahrrad. Wenn immer möglich, organisiere ich ein Fahrrad an meinen Aufenthaltsorten und erkunde die Städte auf diese Weise. Ich habe einen Ausflug an den Oeschinensee gemacht und war total fasziniert von der Schönheit dieser Gegend. Einer der schönsten Plätze die ich bisher gesehen habe. 

 

(OM) In Polen geboren, haben Sie in Warschau Ihr Studium abgeschlossen und dort erste Bühnenerfahrungen sammeln können. Wie haben Sie Ihr Talent entdeckt?

(JJO) Ich sang in einem Chor und dann in einem Vokalensemble. Es fehlte immer an hohen Knabenstimmen und so habe ich zusammen mit einem Freund diese Partien gesungen. Unser Chorleiter hat uns sehr unterstützt, damit wir dies so gut wie es damals möglich war erreicht haben.

Dann bin ich zur Musikakademie gegangen, um weiter an der Stimme zu arbeiten. Ich kam ja von der Strasse, während die anderen Kollegen teilweise bereits lange Erfahrung durch das musizieren seit frühester Kindheit hatten. Da ich dies ja nicht mitbrachte, musste ich selbst für die ersten drei Jahre meines Studiums aufkommen und konnte nicht von einem Stipendium profitieren. Ich habe viel gearbeitet und war eigentlich ein eher schlechter Sänger. Ich hatte aber immer den Ehrgeiz, mich mit viel Einsatz ständig zu verbessern. Wenn dann wieder eine Stufe erreicht war, motivierte mich das erst recht. Ich war zufrieden mit der Aufgabe, mich der Musik widmen zu können. Es war ein langer Weg. Heute meint man, ich sein immer ein ganz grosses Talent gewesen. Das war jedoch keineswegs so. Wenn ich meine ersten Aufnahmen von der Musikuniversität anhöre, so sind diese wirklich ungenügend.

(OM) Sie haben an vielen Wettbewerben teilgenommen und Preise gewonnen. Wie erlebten Sie diese ersten Teilnahmen an solchen Wettbewerben?

Jakub Józef Orliński / Foto @ Michael Sharkey

(JJO) Ich habe an einigen Wettbewerben in Warschau und an diversen Orten im Ausland teilgenommen. Dies gab mir jeweils einen Motivationsschub. Ich liebe das Reisen und so konnte ich einige Castingdirektoren und viele andere einflussreiche Personen kennenlernen. Ich arbeitete in einer Streetwork Company und als Model. Ich war dann eine Weile in Deutschland an verschiedenen Häusern tätig, erst nachher bin ich nach New York gegangen wo ich einige Preise gewinnen konnte.

Wettbewerbe sind nach meiner Meinung kein «Must». Wettbewerb ist Wettbewerb und es hat so viele Sänger die an solchen teilnehmen. Zum Beispiel der Cesti-Wettbewerb in Innsbruck. Dort habe ich mich dreimal beworben. Zweimal wurde ich nicht angenommen und das dritte Mal erreichte ich leider die zweite Runde nicht. Ein Jahr darauf bot man mir eine Hauptrolle am Festival der Alten Musik an. Ich war jedoch bereits verplant.

Man braucht also keinen Wettbewerb zu gewinnen, um eine Karriere zu machen. Trotzdem ist es natürlich wichtig, sich während einer gewissen Zeit darauf vorzubereiten, um dann das Allerbeste zu leisten.

(OM) Sie sind ein sehr vielseitiger Mann und auch als Breakdancer aktiv. Das ist eher ungewöhnlich, aber faszinierend. Sie sprechen damit auch eine ganz neue Generation von Musikfreunden an und leisten einen grossen Beitrag, um die Neugier auf die Klassische Musik zu wecken. Wie verbinden Sie diese beiden unterschiedlichen Aktivitäten?

(JJO) Ich denke, es ist nicht mein Breakdance, welcher die jüngere Generation veranlasst, ins Theater zu kommen. Es sind vor allem die SOCIAL MEDIA, welche dazu beitragen. Ich mache viel auf Instagram mit Stories. Ich möchte damit den Leuten zeigen, was es bedeutet ein freiberuflicher Sänger zu sein. Man ist zwei Monate für die Proben und die Aufführungen an einem Ort. Dazwischen aber stets unterwegs nach anderen Städten. Also zwei Tage in Zürich, dann nach Paris, wieder zwei Tage in Zürich, dann nach Warschau etc. Die Leute können mitverfolgen, was ich mache und miterleben, wie die Probenarbeit stattfindet und wie mein Alltag aussieht.

Schöne Orte, nette Leute, interessante Produktionen. Meine Freunde sagten immer: Du reist soviel und man sieht sich kaum. Dass war mitunter ein Grund, mit diesen Stories zu beginnen. Ich hatte ein grosses Feedback, was für mich der Anlass war, dies so regelmässig zu machen. So kommen viele junge Followers auch in meine Konzerte und machen Ihre ersten Erfahrungen mit der klassischen Musik. Ich hatte eine besondere Freude in Frankfurt, wo ich ein Rezital mit Klavier gegeben hatte. Vor dem Konzert kam der Intendant zu mir und sagte, es sei erst das dritte Mal in der Geschichte des grossen Hauses mit 1500 Plätzen dass ein Rezital ausverkauft sei. Nach dem Konzert waren viele junge Leute am Bühneneingang. Ich bin immer dort für meine Fans und liebe es, mich mit den Leuten zu unterhalten und zu erfahren, wie sie es empfunden haben. Es gab begeisterte Reaktionen. Gerade in einem Rezital mit Klavier, was für den Künstler wie auch das Publikum sehr anspruchsvoll ist, war ich besonders überrascht vom Feedback der jungen Besucher.

Jakub Józef Orliński u. Michal Biel – Cracow Concert

Gerade weil in einem Rezital der Fokus total auf den Sänger gerichtet ist, muss man auch darauf bedacht sein, die Körpersprache richtig einzusetzen. Jede Bewegung eines Fingers kann etwas ausdrücken. Für einen Sänger mitunter etwas vom schwierigsten. Ich freue mich die Gelegenheit zu haben, mit Michal Biel diese Konzerte zu machen. Als Countertenor bedient man ja nicht eine der Stimmlagen, welche normalerweise ein ganzes Auditorium füllt. Dennoch haben wir nun Angebote aus der ganzen Welt.

(OM) Es ist auch eher ungewöhnlich für einen so jungen Sänger Rezitals zu geben, dies ist oft den älteren Kollegen vorbehalten

(JJO) Mir ist es wichtig, die Mauer zwischen Sänger und Publikum zu durchbrechen. In meinen Rezitals rede ich jeweils mit dem Publikum von der Bühne aus und kann so näher bei den Leuten sein. Dies ist ausser an gewissen traditionellen Orten, immer gut zu machen und kommt beim Publikum gut an.

In Moskau hatten wir ein Konzert mit Orchester vor 4000 Besuchern. Zu wissen, dass so viele Leute wegen meiner Person in ein Konzert kommen, ist einfach ein ganz tolles Gefühl. Ich arbeite sehr hart und geniesse es dann dem Publikum Freude zu bereiten.

(OM) Gerade der Tanz kommt Ihnen sicher entgegen bei den verschiedenen Regievorstellungen, welche ja heute die Opernszene verändern und von den Sängern auch schauspielerische Leistungen auf der Bühne erfordern. Wie erleben Sie diese Anforderungen als junger Mann?

(JJO) Die heutigen Regisseure wollen mehr als nur auf der Bühne stehende Sänger, was früher öfters der Fall war. Ich und meine jungen Kollegen freuen uns über solche Herausforderungen. Natürlich ist die Stimme das Wichtigste, aber ich liebe es zu spielen und nicht nur meine Arie zu singen und dann wieder abzutreten. Ich bevorzuge das spielen, jedoch muss es auch zum Stück passen und nachvollziehbar sein und vor allem im Sinne der Musik.

Ich mag den Streetdance, jedoch wenn man wünscht, dies auf der Bühne zu tun, in einer Inszenierung, so muss es schon einen ganz wichtigen Grund geben und zur Inszenierung passen. Es darf nicht einfach nur dazu benutzt werden einen Showeffekt einzubauen.

(OM) Sie haben auch auf YouTube eine unglaubliche Zahl an Followers. Einige Videos sind von mehreren Millionen Menschen angesehen worden. Das liegt aber auch daran, weil Sie so authentisch sind.

(JJO) Das Video aus Aix-en-Provence, wo ich geglaubt hatte, dies sei eine Aufnahme für das Radio und ich wegen der Hitze ganz leger erschienen war, erwies sich dann als eine Veranstaltung vor Publikum welche aufgenommen wurde. Aber ich denke solche unerwartete, authentische Situationen vermitteln genau dieses Bild von mir, welches meinen Charakter zeigt. So kam ich unerwartet zu einem von bisher 4,2 Millionen Menschen angeschauten Video. Ich bin aber auch überzeugt, dass man nicht unbedingt in der heutigen Zeit mit YouTube etc. arbeiten muss. Ich habe viele Kollegen, welche eine Weltkarriere gemacht haben, aber nicht mit den Social Media arbeiten. In meinem Fall hat sich das einfach so ergeben durch meinen Lebenslauf und meine Tätigkeiten. Es entwickelte sich weiter und weiter und so mache ich das heute eben, um meinen Freunden und Followers einen Einblick in meine vielseitigen Beschäftigungen zu gewähren.

Durch diese Popularität ist natürlich die Nachfrage nach Porträts und Interviews enorm und wichtig für die Theater wie auch für mich. Aber dieses Interview zeigt etwas von meinem Alltag. Was ich tue ist einzig für meine Passion: Die Musik. Ich mache das nicht aus egoistischen Gründen, sondern wegen der Begeisterung für das Singen. Ich kann meine eigenen Projekte gestalten und als mein eigener Chef meine Wünsche erfüllen. Es ist mir wichtig, diese Passion mit dem Publikum zu teilen.

Jakub Józef Orliński/ Foto @ Jiyang Chen

(OM) Wenn Sie einmal nicht reisen, tanzen oder singen…. wie erholt sich Jakub Orliński von all den vielen Proben und Aufführungen?

(JJO) Natürlich brauche auch ich Auszeiten. Meditation und Klavierspiel entspannen mich. Aber ich kann auch nur auf dem Sofa liegen und lesen. Ich liebe es, im Freien zu sein. Ich bin ein aktiver Mann und kann nicht nur zuhause sein und relaxen. Nach einer anstrengenden Woche treffe ich Freunde zum Sport und dann fahren wir einfach raus in die Natur. Wenn ich dann die herrliche Natur sehe, kann ich meine Energie wieder aufladen.

(OM) Gerade wurde Ihnen der OPUS Klassik für Ihr Album «ANIMA SACRA» verliehen und vor ein paar Tagen die Auszeichnung als «Young Artist of the Year». Ein unglaublicher Erfolg und natürlich auch eine Motivation für weitere Projekte. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?

(JJO) Es ist unglaublich. In Polen habe ich die Auszeichnung «Personality of the Year» erhalten. Der OPUS Preis war schon zwei Monate vorher bekannt, doch die anderen beiden Auszeichnungen kamen für mich überraschend und sind für mich eine ganz grosse Motivation. Speziell der polnische Preis ist natürlich etwas ganz besonderes. Es ist eine grosse Freude, diese Ehrungen erhalten zu haben, weil ich das nie erwartet habe und meine ganze Arbeit im Dienste der Musik ausübe. Ich will stets alles auf höchstmöglichem Niveau machen. Dies entspricht auch meinem Anspruch an den Cyrus, den ich nun am Opernhaus Zürich singe. Egal ob ich in einem Opernhaus, einer Kirche oder einem Konzertsaal auftrete, diesem Anspruch will ich stets gerecht werden. Jeder Platz hat seinen eigenen Reiz und verdient meinen ganzen Einsatz. Mit unserem «Instrument», der Stimme, welches ja stets von der Tagesverfassung abhängig ist, müssen wir immer sehr respektvoll umgehen.

Es ist wichtig dem Publikum zu zeigen, wie wir an einer Produktion arbeiten. Deshalb fände ich es gut, wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, Proben zu besuchen. Da kann man am besten nachvollziehen, wie Detailgenau und konzentriert gearbeitet wird.

Jakub Józef Orliński/ Facce d’amore/CD-Cover

(OM) Am 8. November wird das mit Spannung erwartete neue Album «FACCE D’AMORE» erscheinen. Nach Ihrem Debut Album «ANIMA SACRA», in welchem Sie Sakralwerke aufgenommen und schon damals einige Weltersteinspielungen präsentiert haben, widmet sich Ihr neuestes Album dem Opernrepertoire der berühmten Kastraten mit herrlichen Barockarien. Wie haben Sie dieses Programm ausgewählt und zusammengestellt?

(JJO) Ich bin wirklich aufgeregt und glücklich, dass nun dieses Album erscheint. Das Album «ANIMA SACRA» war ja ganz der Sakralmusik gewidmet und war mein Debut Soloalbum. Man hat nur eine Chance ein erstes Album zu veröffentlichen, deshalb war es mir besonders wichtig, wie ich mich präsentiere. Das gelingt nur mit einem guten Dirigenten und einem passenden Orchester und dem ganzen Team beim Label.

Mit dem neuen Album «FACCE D’AMORE» wollte ich einen Kontrast aufzeigen. Ich liebe Kontraste. Die Barockzeit war voll von Kontrasten, nicht nur in der Musik, auch in der Architektur und dem Lebensstil. Ich wollte alle Facetten der Liebe zeigen. Wir haben alle grossen Komponisten und Sänger jener Zeit studiert und einen grossen Überblick über die Gefühle eines Liebenden zu dieser Zeit gewonnen.

Wenn ich ein Programm zusammenstelle, arbeite ich zusammen mit meinem geschätzten Freund Yannis Francois, welcher mir schon bei der Stückauswahl von «ANIMA SACRA» viel geholfen hat. Ich entscheide gerne selbst und finde Leute, welche mir bei den Videoclips, dem Booklet und den Photos helfen. Ich kenne das Team und kümmere mich um alle Einzelheiten. Es gibt so viele wichtige Details zu entdecken. Diese zu vermitteln ist ganz wichtig. Ich bin auch glücklich, dass mein Label diese Vorschläge jeweils annimmt und wir eine tolle Zusammenarbeit haben.

(OM) Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und Begeisterung für die Musik und freuen uns auf Ihr Debut in Zürich.

 

 

  • Das Interview mit Jakub Józef Orliński führte Marco Stücklin /RED. DAS OPERNMAGAZIN D/CH

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