«EIN FEST DES SPIELS» – Hoffmanns Erzählungen im Festspielhaus Baden-Baden

Festspielhaus Baden-Baden/Hoffmanns Erzählungen/ Foto copyright Andrea Kremper

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN / Les Contes d’Hoffmann

Fantastische Oper in fünf Akten von Jacques Offenbach

Libretto: Jules Barbier

Festspielhaus Baden-Baden

Konzertante Aufführung vom 25. November 2018

Das Festspielhaus Baden-Baden schafft es immer wieder, hervorragende Besetzungen für die Aufführungen konzertanter Opern zu gewinnen. 

 

Gerade ein Werk wie Hoffmanns Erzählungen, welches durch seine vielseitige Handlung eigentlich nach einer Bühnenversion verlangt, ist eine Herausforderung an alle Mitwirkenden, gilt es doch, die verschiedensten Stimmungen alleine durch die persönliche Interpretation zu vermitteln.

Die Oper von Jacques Offenbach hat eine dramatische Vorgeschichte. Es war Offenbach nicht vergönnt, die Uraufführung am 10. Februar 1881 in Paris zu erleben. Sein Tod einige Monate zuvor hat der Nachwelt ermöglicht, mit dem Werk sehr freizügig umzugehen. Es wurden immer wieder Nummern und ganze Akte weggelassen. Der 4. Akt des Originalmaterials blieb verschollen und ein Feuer 1887 in der Opéra Comique de Paris zerstörte Aufführungsmaterial und einen Teil der Partitur.

Festspielhaus Baden-Baden/Hoffmanns Erzählungen/ Foto copyright Andrea Kremper

Die Musik dieser Oper ist sehr vielseitig, was sich dadurch erklärt, dass es sich dabei um eine Opéra-comique handelt, welche nebst gesprochenen Dialogen viele Arien in Strophenform mit Refrain und parodistischem Einschlag enthält. Es müssen schon sehr talentierte Sänger zusammenwirken, um dem fast vierstündigenWerk Leben zu verleihen und es nicht bloß als Konzert aufzuführen.

Dass dies perfekt gelingen kann, hat der gestrige Abend im Festspielhaus Baden-Baden bewiesen. Dank der Dramaturgischen Einrichtung von ROMAIN GILBERT und dem vollen Einsatz aller Beteiligten, hat man keinen Moment ein Bühnenbild vermisst. Es ist nicht möglich, die vielen Ideen und köstlichen Szenen hier zu beschreiben. Als Beispiel seien nur die kokette Olympia, die herrliche Muse und die Kabinettszene von Spalanzani zu erwähnen. Dass hier ein Team zusammenwirkt, welches sich auch untereinander bestens versteht, war während der ganzen Aufführung spürbar.

Charles Castronovo debütierte an diesem Abend als Hoffmann und gestaltete den nach Liebe suchenden, hin- und hergerissenen jungen Mann mit viel Temperament. Seine Stimme ist dieser großen Partie durchaus gewachsen und zeigt sehr viele Nuancen. Weil er jedoch während der ganzen Aufführung auf die Notenblätter angewiesen war, konnte er seinem Spiel nur begrenzt Ausdruck verleihen. Nach einigen Aufführungen wird sich die natürliche Anspannung bei einem Debüt legen und ein charismatischer und gutaussehender Hoffmann die Opernbühne betreten.

Eine Entdeckung war Aude Extremo als Muse/Niklaus. Was die französische Mezzosopranistin in den beiden Rollen leistete, kann nur als hervorragend bezeichnet werden. Ihre Stimme zeichnet sich durch grosse Vielfalt aus und von ihrem Spieltalent war man von Anfang an eingenommen.

Festspielhaus Baden-Baden/Hoffmanns Erzählungen/ Foto copyright Andrea Kremper

Die wohl grandioseste Leistung des Abends erbrachte Olga Peretyatko mit den vier Frauenrollen. Die elegante Stella, die sehr kokette Olympia, die leidende Antonia und als Kurtisane Giulietta wurden in allen Facetten mit einem Feuerwerk an wunderbaren Tönen, viel Ausdruck und perfektem Gesang dargeboten. Frau Peretyatko besticht auch mit ihrer wunderschönen Erscheinung, welche durch die herrlichen Kleider und ihre Ausstrahlung ein zusätzlicher Genuss waren.

Ebenfalls debütiert hat auch Luca Pisaroni. Der weltbekannte Bassbariton bot mit seiner großen Stimme ein ganz hervorragendes Rollenporträt. Er sang alle vier Bösewichte mit vielen Nuancen und einer diabolischen Grandezza.

Besonders erwähnen muss man Mathias Vidal. Der junge Tenor überzeugte mit einer flexiblen Stimme und einem umwerfenden Spielwitz in seinen Rollen als Andrès, Cochenille, Frantz und Pitichinaccio. Großartig!

Christophe Mortagne gefiel durch sein großes Schauspieltalent gepaart mit einer hellen Tenorstimme. Köstlich die Darstellung des Spalanzani, welcher seine Puppe Olympia präsentierte. Als Crespel und Maitre Luther war der französische Bass Jean-Vincent Blot zu erleben. Eine flexible und kräftige Stimme, welche diesen Partien viel Ausdruck verlieh. Aurélia Legay als Stimme der Mutter, welche von der Galerie erklang und Marc Mauillon ergänzten das Ensemble aufs Beste.

Festspielhaus Baden-Baden/Hoffmanns Erzählungen/ Foto copyright Andrea Kremper

Der Philharmonia Chor Wien unter der Leitung von Walter Zeh, erklang mit wunderbarem und facettenreichem Gesang in den vielen verschiedenen Szenen. Einmal mehr bewies dieser Chor, weshalb er überall so gefragt ist. Das Orchester des Abends Les Musiciens du Louvre unter der Leitung des sehr erfahrenden Dirigenten Marc Minkowski überzeugte mit seinem herrlichen Klang und den vielen Nuancen, welche diese Partitur verlangt.

Es wurde die Fassung nach neuesten Erkenntnissen der Forschung von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck aufgeführt, welche zum Beispiel das neu gefundene Finale des IV. Aktes beinhaltet, aber auch einige von Minkowski gemachte Einschübe, welche dem Stück dramaturgische Vorteile verliehen. Am Ende der Oper vereinte sich das ganze Ensemble zu der mitreißenden Apotheose, welche diesen einmaligen Abend sehr eindrücklich beschloss.

Die Begeisterung des Publikums war der wohlverdiente Lohn für eine phantastische Ensembleleistung. Dank an das Festspielhaus Baden-Baden für dieses Erlebnis.

 

  • Rezension der besuchten Vorstellung von Marco Stücklin-Redaktion DAS OPERNMAGAZIN
  • Homepage des Festspielhauses Baden-Baden
  • Alle Fotos mit frdl. Genehmigung des Festspielhauses Baden-Baden / @ Fotografin Andrea Kremper
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