Wagner und Leipzig sind untrennbar miteinander verbunden. Daher hat sich das Opernhaus der Geburtsstadt des „Meisters“ auf die Fahne geschrieben, bis 2022 alle 13 Wagner-Opern im Repertoire zu führen und diese im Rahmen eines Festivals („Wagner 22“) innerhalb von drei Wochen aufzuführen. Um den hartgesottenen Wagnerianern die Wartezeit zu verkürzen finden jede Spielzeit zyklische Aufführungen des „Ring des Nibelungen“ statt. DAS OPERNMAGAZIN-Autor Phillip Richter berichtete bereits vom „Siegfried“. Am Sonntag neigte sich der Zyklus mit der „Götterdämmerung“ wieder einmal seinem Ende zu. (Rezension der Vorstellung vom 19.1.2020)
Über Wagners Ring, seinem Opus Magnum, wurde zahlreiche Literatur verfasst, unzählige Bücher geschrieben und mit mindestens ebenso vielen Deutungsansätzen auf die Bühne gebracht. Über den Ring und seinen tieferen Sinn lässt sich durchaus streiten. Dieser Streitbarkeit entzieht sich Rosamund Gilmores Inszenierung jedoch komplett. Satt offenbarungsvoller Interpretationen gibt es lasches Tanztheater mit wenig inspirierter Personenregie. In Form von Tänzern treten nicht nur sog. Wasserelemente auf, sondern auch Grane, Brünnhildes Pferd, und Wotans Raben bekommen die Möglichkeit, sich choreografisch zu entfalten.
Resultat dieser tänzerischen Darbietung sind leider weniger eindringliche Bilder, als ablenkende Spielereien, ganz zum Nachteil der musikalischen Leistung. Das Gewandhausorchester unter Leitung Ulf Schirmers spielte durchweg präzise und differenziert. Als eines der Toporchester des Landes, vermisste man jedoch etwas Esprit und Wagemut in der musikalischen Ausgestaltung. Es wurden keine großen dramatischen Bögen gespannt, keine ungewöhnlichen Akzente gesetzt. Es war ein mehr als solides Dirigat, aber der Funke wollte nicht überspringen. Dennoch versuchte Schirmer mit Betonung auf Expressivität vereinzelt Stellen hervorzuheben, um so die Spannung zu schaffen, die der Regie mangelte.
Während der Leipziger Ring stets Gelegenheit bietet, unterschiedlichste Sänger – von bekannten Größen wie Stefan Vinke bis hin zu Newcomern wie Daniela Köhler (siehe „Siegfried“) – zu erleben, kehrten mit Christiane Libor als Brünnhilde und Thomas Mohr als Siegfried die Sänger der Hauptrollen aus der Premierenbesetzung zurück.
Thomas Mohr, Ensemblemitglied der Oper Leipzig, besaß die nötige Kondition, einen durchweg unerschöpflichen Helden zu singen. Mit viriler, auch in den Höhen fester und nicht flackernder Stimme wurde er den Ansprüchen an diese Rolle gerecht. Er gab den naiven aber sympathischen Helden und war damit in seiner Darstellung durchaus überzeugend. Ein Glück für die Oper Leipzig, dass Thomas Mohr stets aufs Neue bei konstant hoher Leistung die Heldentenorrollen verkörpert.
Die Rolle der Brünnhilde in der „Götterdämmerung“ gehört zu dem wohl anspruchsvollsten für eine Wagner-Sopranistin. Christiane Libor meisterte diese weitestgehend souverän. In den Tiefen und Mitten schien sie sich am wohlsten zu fühlen, merkte man ihr in der Höhe an, dass sie mit der Rolle der Brünnhilde an ihre Grenzen ging. Ihre glühende, charismatische Stimme mutete recht lyrisch an und ließ mitunter eine dramatischere Färbung vermissen. Dennoch interpretierte sie ihre Rolle auf mitreißende Art und Weise.
Zu den musikalisch eindrücklichsten Passagen dieser „Götterdämmerung“ gehörte die Waltraute-Erzählung. Kathrin Göring sang deklamatorisch einwandfrei, variationsreich und mit mühelosen Höhen. Sie führte diesen Teil des Abends durch ihre darstellerisch eindringliche und gleichsam mitreißende Erzählweise auf seinen Höhepunkt.
Der finnische Bassbariton Tuomas Pursio mit rauer, kraftvoll-voluminöser Stimme sang einen überaus präsenten Gunther. Sebastian Pilgrim als Hagen war darstellerisch ein Glücksfall, jedoch klang seine kraftvolle Bassstimme wenig verfeinert und ließ eine klare Artikulation missen.
Die nächste zyklische Aufführung des Rings findet im Mai 2020 statt und spätestens 2022 wird Leipzig endgültig zum Mekka für Wagnerianer – mit allen 13 Opern einschließlich der Frühwerke – übertrifft die Oper Leipzig damit sogar die Bayreuther Festspiele. Schon jetzt steigt die Spannung auf „Wagner 22“ und man fragt sich: „Weißt du, wie das wird?“
- Rezension von Alexandra Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Leipzig /Stückeseite
- Titelfoto: Oper Leipzig/Götterdämmerung/Foto ©Tom Schulze (alle Fotos von der Premiere aus 2016)
Ein Gedanke zu „Der Tragödie letzter Teil – Wagners „Götterdämmerung“ in der Oper Leipzig“