Vor einigen Tagen erhielt ich die CD „SONGS OF THE NIGHT“ des Baritons Christian Miedl. Schon beim ersten kurzen Hineinhören war mir klar, dass dies eine CD ist, für die sich Zeit zu nehmen lohnt. Und diese Zeit nahm ich mir dann auch zu einem späteren und passenderen Moment. Und das war absolut richtig so. Denn die 20 Lieder, die sich Christian Miedl für seine CD zusammengestellt hat, berühren ein jedes auf eigene Weise und erhalten über die gesamte Abspielzeit einen Spannungsbogen, der sich mit dem letzten Lied der CD, „Maskenball im Hochgebirge„, nur annähernd auflöst. Dazu interpretiert Miedl jedes der einzelnen Stücke auf sehr persönliche Weise und hält dabei die musikalische Stimmung und Wirkung der doch teilweise recht unterschiedlichen Lieder immer bei. Die 20 Lieder verschiedener Komponisten der Romantik, bis hin zur Moderne, der Zeitgenössischen Musik und der Avantgarde vereint der Überbegriff „Nacht“. Nacht im Sinne von Tageszeit aber auch als Metapher für die Tiefen der Seele. Christian Miedl singt diese Lieder mit sehr viel Gefühl, oft mit Wärme, aber auch mit eben diesem Touch von Nacht, den die Lieder vermitteln. Und dazu mit einer wandlungsfähigen Stimme, wie dies wohl bei dieser Auswahl vonnöten sein muss. Ein absoluter CD-Tipp für alle, die Liedgesang mögen und lieben. Auch schon wegen der musikalischen Vielfältigkeit, die hier allerdings auf besondere Weise wirkt, als wäre alles aus einem Guss.
Das Label NAXOS/CAPRICCIO hat Christian Miedl bei der Programmauswahl zu seiner CD alle Freiräume gegeben, die er sich gewünscht hatte, wie er berichtet. Einige seiner langjährigen Wunschlieder der Romantik verbindet er mit ihm naheliegenden und geschätzten Liedern der Moderne, der Zeitgenössischen Kunst und der Avantgarde.
Christian Miedl schreibt über seine CD selbst folgendes: „Ich habe absichtlich keine chronologische Programmfolge gewählt. Statt einer zeitlichen Aufreihung sollen die Lieder über ihre endenden / neu beginnenden Harmonien miteinander kommunizieren, mit geschmeidigen und ganz selbstverständlich wirkenden Übergängen zwischen tonalen und atonalen Werken. Atonalität und Tradition sollten sich nicht ausschließen oder nur nebeneinander stehen, sondern vielmehr gleichwertig gegenseitig im Hören inspirieren“.
Und das ist im gelungen! Das Programm erhält Lieder von HansPfitzner, Christophe Sirodeau, Carl Loewe, Wolfgang Rihm, Franz Liszt, Richard Strauss, Salvatore Sciarrino, Viktor Ullmann und Hans Jelinek.
Jedes einzelne aufgenommene Lied ist es wert hier erwähnt zu werden. Aber ich möchte mich auf auf einige beschränken, die aber wohl exemplarisch für die gesamt CD stehen können.
Pfitzners „Nachts“ (Nr. 3 der CD) trägt Miedl sehr gefühlvoll vor und die musikalische Stimmung und Atmosphäre setzt sich im Lied „l’Etoile“ von Sirodou (Nr. 4) fort. Das „Hochzeitslied“ von Loewe (Nr. 7) ist in seiner Heiterkeit nach den eher stillen voran gesungenen sechs Liedern der Aufnahme schon allein den Kauf dieser CD wert. Hier erweist sich Christian Miedl einmal mehr als Interpret von großer Gestaltungskraft. Nach diesem „Hochzeitslied“ erfolgt wieder ein Stimmungswechsel und Miedl trägt die Lieder von Rihm vor.
Liszt „Oh, quand je dors“ (Nr. 11) wundervoll ruhig, elegisch vorgetragen. Da wirkt das „Ständchen“ von Strauss (Nr. 14) dann schon nahezu arienhaft und „groß“ gesungen. Aber auch hier: absolute Wirkung durch den Gesang des Künstlers. Mit Jelineks „Maskenball im Hochgebirge“ endet diese „Liedhafte Nachtwanderung“ auf sehr besondere Weise. Und Miedl macht uns auch mit diesem letzten Lied auf seiner CD ein Geschenk. Stimmlich, wie auch im Ausdruck!
Es war mir eine Freude, diese CD anzuhören und besprechen zu dürfen. Sicher auch eine Lied-CD für Einsteiger im Liedgesang, da sie vieles von dem, was diese Genre ausmacht, auf besondere Weise präsentiert und dazu Lust auf mehr macht.
Doch ohne Klavierbegleitung geht es natürlich auch hier nicht: Mit dem international erfahrenen Pianisten und Liedbegleiter Jendrik Springer stand Miedl ein kongenialer Partner für diese Aufnahme an seiner Seite. Das perfekte und harmonische Zusammenspiel dieser beiden Künstler ist hör- und nahezu spürbar.
Christian Miedls „Songs of the Night“-CD ist HIER erhältlich.
- Artikel von Detlef Obens – DAS OPERNMAGAZIN
- Homepage Christian Miedl
- Titelfoto: Christian Miedl – Foto @ Heike Steuer