
Kommentar zum Vorstellungsausfall am Staatstheater Wiesbaden
von Ursula Hartlapp-Lindemeyer, Rezensentin bei DAS OPERNMAGAZIN
„Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass die für Samstag, 13. Januar 2024 um 19:30 Uhr geplante Wiederaufnahme von „Otello“ leider nicht stattfinden kann. Wir bitten um Ihr Verständnis. Bereits erworbene Karten können umgebucht oder erstattet werden. Wenn Sie eine Erstattung wünschen, teilen Sie uns bitte Ihre Bankverbindung mit. – Mit freundlichen Grüßen / Ihre Theaterkasse Staatstheater Wiesbaden“
Das war der dürre Text, den ich am 11.1.2024 von der Theaterkasse Wiesbaden bekam. Wir hatten lange im Voraus Karten für Verdis Otello bestellt, ein Hotel gebucht und uns auf die Vorstellung gefreut. Es war das Rollendebut Andreas Schagers als Otello angekündigt, auf das ich sehr neugierig war. Als drei Wochen vor der geplanten Wiederaufnahme Andreas Schager aus gesundheitlichen Gründen absagte, habe ich mir nichts dabei gedacht; das kann passieren, und gegen die geplante Besetzung mit Aaron Cawley in der Titelrolle war nichts einzuwenden.
Das Hotel konnte ich rechtzeitig stornieren, aber dann wollte ich wissen, was da los ist in Wiesbaden, zumal sowohl Marcus Carl als Castingdirektor als auch Christopher Jähnig, ein junger Bass, von Wiesbaden nach Bonn gewechselt sind.
Fakt ist, dass der 2021 von Bayreuth nach Wiesbaden als geschäftsführender Direktor gegangene Holger von Berg seit Monaten erkrankt ist. „(Es) greift eine auf zwei Personen verteilte, dysfunktionale Vertretungsregelung, die in einen völligen Stillstand geführt hat“, wie das Staatstheater in einer Presseerklärung vom 10.1.2024 formuliert.
Dem vorausgegangen war am 9.1.2024 eine Presseerklärung der Kulturstaatssekretärin Ayse Asar (Grüne) und Kulturdezernent Hendrik Schmehl (SPD), in der diese eine wirtschaftliche Betriebsführung anmahnen: „…künstlerische Gestaltungsfreiheiten rechtfertigen nicht die Überschreitung des Haushaltsplans.“ Anscheinend hat der Geschäftsführende Direktor Holger von Berg im Oktober 2023 acht geplante Produktionen für 2024 mit einer dienstlichen Anweisung gestrichen, um das Defizit des Staatstheaters Wiesbaden zu reduzieren. Der Intendant hat nach Auffassung des Trägers des Staatstheaters keine formal korrekten Gegenargumente vorgelegt und die Produktionen weiter betrieben, und jetzt hat man die Wiederaufnahme von „Otello“ abgesagt. Der Träger des Staatstheaters bemängelt zu Recht, dass mit der Weiterführung der Proben Kosten produziert wurden, die man ohne die Produktionen nicht gehabt hätte, die künstlerische Leitung führt zu Recht an, dass man dem Staatstheater durch die Absage von Vorstellungen, die bereits in Abonnements und im Vorverkauf verkauft worden seien, erheblichen Schaden zugefügt habe.

Als der 1960 in Köln geborene Uwe Eric Laufenberg in der Spielzeit 2009/10 in Köln als Intendant antrat, dachte ich aufgrund des Interviews mit ihm im Bonner Generalanzeiger: „Entweder das ist ein Maulheld, oder es gibt demnächst in Köln wieder große Oper“. Letzteres war der Fall, und ich habe seit 2010 fast alle Neuinszenierungen in Köln gesehen. Die Leistungen seiner Intendanz, vor allem seine Inspiration, alternative Spielstätten für die in Renovierung befindliche Oper am Offenbachplatz zu finden, wurden 2012 mit der Nominierung der Kölner Oper als „Oper des Jahres“ gewürdigt. Exemplarisch ist die Produktion von Mozarts „La Clemenza di Tito“ im Treppenhaus des Kölner Oberlandesgerichts. Aber es gab einen Eklat zwischen der Stadt Köln und Laufenberg, bei dem es im Kern darum ging, Laufenberg habe zu viel Geld ausgegeben. Das Vertragsverhältnis wurde 2012 im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben.
Im Rahmen der Intendanz Laufenbergs in Wiesbaden ab 2014 bin ich mehrmals, auch zwecks Berichterstattung für DAS OPERNMAGAZIN, in Wiesbaden gewesen, um interessante Inszenierungen und berühmte Sängerinnen und Sänger zu sehen. Die künstlerische Qualität war für ein Theater dieser Größenordnung erstaunlich. Anscheinend haben auch hier die Kosten für attraktives Operntheater den Rahmen des vom Träger zugestandenen Etats überschritten. Dazu muss man wissen, dass die Einnahmen, die man mit einer Opernproduktion erzielen kann, in der Regel bei weitem nicht reichen, um die Kosten zu decken.
Dazu kam die Uraufführung des Theaterstücks “Ministerium“ von Christoph Bechtel, die, ständig ausverkauft, sehr kritisch mit fiktiven machthabenden Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern umging. (Hier der Trailer).
Für mich als Opernfreundin war Laufenbergs Intendanz in Köln und später in Wiesbaden, die übrigens 2024 endet, eine willkommene Gelegenheit, sehr gute Produktionen zu absolut fairen Preisen zu erleben. Anscheinend ist die Bereitschaft der Politik, Kosten von Kunst und Kultur zu tragen, längst nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor 20 Jahren.
- Kommentar von Ursula Hartlapp-Lindemeyer
- Titelfoto: Hess. Staatstheater Wiesbaden/Großes Haus © Sven-Helge Czichy
Wenn Herr Laufenberg sich auf seine künstlerische Freiheit beruft, muss er sich trotzdem nach den vorgegebenen finanziellen Möglichkeiten richten!!!!!! ( da wäre doch viel künstlerisches Potential einzusetzen) Sollte der Regisseur (oder seine Mitarbeiter) unbedingt mehr mehr ausgeben wollen, ja dann sollten Sie das selbst bezahlen!!!! Aber denken tun sie immer (und das sicher schon seit Jahrzehnten): „Der Staat wird schon nachschiessen“ Ja verdammt, warum setzen Sie nicht ihren künstlerischen Grips ein???????