Theater Münster: Gefeierte Premiere der Verdi-Oper Il Trovatore

Adrian Xhema, Sara Daldoss Rossi, Gregor Dalal - Foto© Oliver Berg, Theater Münster
Adrian Xhema, Sara Daldoss Rossi, Gregor Dalal-Foto© Oliver Berg, Theater Münster

 

Opernfreunde in aller Welt gedenken am 10. Oktober des 200. Geburtstags von Giuseppe Verdi . In seinen Opern verknüpft er häufig tragische Liebesgeschichten – zwei Männer (Tenor und Bariton) lieben dieselbe Frau (Sopran) –  mit politischen Intrigen oder kriegerischen Konflikten, die die Rivalitäten der beiden noch verstärken. Immer ist der Tenor der erfolgreiche Liebende!

In keiner anderen Oper hat dieses bekannte Muster zu einer derart verworrenen und unlogischen Handlung geführt wie im „Trovatore“ wo zusätzlich noch ein entscheidender Teil der Handlung vor Beginn der Oper stattfindet. Immerhin zeigt schon die Bezeichnung der für die Oper  ausgewählten tableauartigen Handlungshöhepunkte , nämlich der Zweikampf (Il duello), die Zigeunerin (la zingara), der Sohn der Zigeunerin (il figlio della zingara) und das Hochgericht (Il supplizio), daß  die eigentliche Hauptperson  nach heutigem Sprachgebrauch eine Sinti oder Roma ist, nämlich Azucena (Mezzosopran).. Dazu schuf Verdi eine begeisternde, extreme Leidenschaften der vier Hauptpersonen dramatisierende Musik, die das tragische „dramma lirico“ zu einer der populärsten Oper überhaupt werden ließ. Auch deshalb wählte das Theater Münster sie zur ersten Musiktheaterproduktion der Spielzeit. Die Premiere fand  am vergangenen Samstag  unter der musikalischen Leitung von GMD Fabrizio Ventura und in der Inszenierung von Georg Rootering statt.

Gregor Dalal, Sara Daldoss Rossi, Adrian Xhema - Foto© Oliver Berg, Theater Münster
Gregor Dalal, Sara Daldoss Rossi, Adrian Xhema – Foto© Oliver Berg, Theater Münster

Gespielt wurde in einem variablen Einheitsbühnenbild von Bernd Franke mit blutbeschmierten Säulen, im ersten Bild eng nach hinten begrenzt durch die Waffenschränke für die MP-s der Soldateska des Grafen Luna, dann im zweiten Bild erweitert zum Palastraum mit Kronleuchter und den unvermeidlichen Liegestühlen, dann mehr noch nach hinten erweitert zur Szene im Zigeunerlager und die ganze Bühne nach hinten öffnend für den Kirchenraum. Für den Kerker im IV. Akt war dann die Decke weit nach unten gesenkt. Durch Lichteffekte wie etwa dunkelrot bei der Stretta des Manrico sollte wohl zusätzlicher dramatischer Effekt erzielt werden. In den ersten beiden Akten dominierten Waffen, meistens MP-s , und Feuer, meistens  in Form von Benzinkanistern und angezündeten Streichhölzern. So packten während des Chors im II. Akt die Zigeuner wohl gestohlene MP-s aus Blechkisten aus und auch Leonore hielt zusammen mit Manrico den Grafen Luna und seine Soldateska  in der Kirche mit MP-s in Schach. Kostümbildner Götz Lancelot Fischer kleidete die Zigeuner in schwarz und die anderen, Habit der Nonnen, Fantasieuniformen des Grafen Luna und seiner Soldaten, in dunkelrot –  farblich ähnlich  dem seitlichen Rand der Homepage von opernfreund.de oder der Berufskleidung im italienischen Restaurant gegenüber. Nur Leonora und Vertraute Ines waren in grosse Abendgarderoben gekleidet, man wußte nicht warum, aber  doch besser als die heute vielfach üblichen schäbigen Alltagsklamotten! Die Regie erlaubte  Ines und Leonore im 2. Bild des I. Aktes eine  Kissenschlacht – wie witzig –  und stattete Graf Luna in der Kirche Brutalität ausdrückend mit einer Peitsche aus, mit der u.a. er das Altarkreuz auf den Boden befördern konnte, sehr dramatisch? Treffend war der Einfall, das Messbuch aus der Kirche bis zum bitteren Ende in Händen Leonoras zu belassen, die dann verzweifelt Seiten herausreissen konnte.

Rossana Rinaldi, Adrian Xhema - Foto© Oliver Berg, Theater Münster
Rossana Rinaldi, Adrian Xhema – Foto© Oliver Berg, Theater Münster

Aber der „trovatore“ lebt durch die Musik und da hatte Münster grosses Glück. Eine Entdeckung des Abends war die Leonore von Sara Daldoss Rossi, einem neuen jungen Ensemblemitglied mit zierlicher Figur und bestens geführter Stimme. Schon ihre erste Kavatine „Tacea la notte“ beeindruckte trotz langsamen vorgegebenen Tempos durch Crescendi und decrescendi bei langen Legatobögen, alle Triller und die Koloratur zum Schluß gelangen ohne Fehl. Gesteigert wurde dieser Eindruck dann durch das Miserere im IV. Akt, das sie ganz innig wirklich „pp con espressione“ begann und dann  mit furiosen Spitzentönen „agitato“ abschloss, auch die tiefen Töne des grossen Tonumfangs ihrer Partie traf sie großartig! Fast noch mehr beeindruckte als Gast Rossana Rinaldi in der Partie der Azucena, ein wirklicher Mezzo mit sehr solider Tiefe, kein verhinderter Sopran! Schon in der Auftrittscanzone „Stride la vampa“ sang sie rhytmisch exakt die punktierten  16-tel mit vorangegangenem Triller. Weiterer Höhepunkt war dann der mezza-voce Teil – andatino- im IV. Akt.. Den grossen Tonumfang ihrer Partie meisterte sie bravourös. Mit grossen Legatobögen und  unforcierten Spitzentönen gestaltete Adrian Xhema die Titelpartie des Manrico. Mit der gefürchteten und vom Publikum ersehnten Stretta „Di quella pira“ entfesselte er auch dank des kurzen hohen C grossen Zwischenapplaus. Das Schlußterzett der drei wurde zum musikalischen Höhepunkt des Abends. Für den Grafen Luna hatte Gregor Dalal die notwendige grosse Stimme, der herrische und gewalttätige Ausdruck lagen ihm,  auch gefordert durch die Regie, besser als etwa das kantable pp-Largo des „Il balen del suo sorriso“ im II. Akt.

Adrian Xhema, Lukas Schmid, Gregor Dalal, Herrenchor - Foto © Oliver Berg, Theater Münster
Adrian Xhema, Lukas Schmid, Gregor Dalal, Herrenchor – Foto © Oliver Berg, Theater Münster

Die durch die Erzählung über die Vorgeschichte des Dramas so wichtige Kavatine des Ferrando sang Lukas Schmid mit mächtigem aber doch beweglichem Baß, was er im weiteren Verlauf bestätigte. Die Rollen der „comprimarii“ waren passend besetzt, Aufhorchen ließ Ana Kirova als Leonoras Vertraute Ines. Grossen Eindruck hinterliess der Chor, hier ja vor allem der Herrenchor, in der Einstudierung von Inna Batyuk. Insbesondere das schnelle staccato der Soldaten von Luna im II. Akt wie auch dessen ganzes grosses Finale gelangen exakt, was für eine Premiere nicht selbstverständlich ist.

Was wäre der ganze „trovatore“ ohne  Anfeuerung durch Orchester und Dirigenten – hier war GMD Fabrizio Ventura in seinem Element! Er nahm teils sehr zügige Tempi, zeigte durch kleine Temporückungen und Herausarbeiten instrumentaler Feinheiten,welche kompositorische Meisterschaft auch  in der geschmähten „Leierkasten – Begleitung“ steckt. Grossen lautmalerischen Eindruck hinterliessen die Hörner zu Beginn des I. und zur Adagio-Orchestereinleitung des IV.Aktes, hier besonders Fagott und Klarinetten.
Trotz gleichzeitiger Kinoüberetragung aus der MET mit Netrebko war das Haus fast ausverkauft. Das Publikum applaudierte begeistert, auch im Stehen, mit vielen verdienten Bravos für die Sänger der Hauptpartien, besonders der Damen, dies solange, bis der Vorhang dem ein Ende machte

Premierenkritik  v. 5.10.13. von Sigi Brockmann – Redaktion Der Opernfreund

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