Man darf diesen Abend im Theater Basel wohl als ganz besonderes Erlebnis beschreiben. Seit vielen Monaten konnten die vielen Beteiligten im Hause nicht mehr vor einem Publikum auftreten und es musste stets von einem Termin zum anderen umdisponiert werden. Am vergangenen Donnerstag war es aber endlich soweit und der Vorhang hob sich im mit nur 50 zugelassenen Personen besetzten Saal. Aber die gleiche Freude und Erwartung war zu verspüren, wie wenn das Haus voll besetzt gewesen wäre. (Rezension der Premiere vom 22. April 2021)
Wie der Theaterdirektor vor Beginn der Aufführung erklärt hatte, passt die Oper von Richard Strauss bestens in die jetzige „verrückte“ Zeit, wo viele Menschen sich öfters gemeinsam Zuhause befinden. Die Handlung dieser „Bürgerlichen Komödie mit sinfonischen Zwischenspielen“, zu welcher Richard Strauss selbst das Libretto verfasst hatte, verrät seine eigene Erfahrungen mit der Ehe. Die Handlung ist stark autobiographisch geprägt und die Figuren des Stücks sind leicht als der Komponist und seine Frau, sowie Bekannte des Ehepaars
erkennbar.
Hofkapellmeister Storch ist auf dem Weg zu einem zweimonatigen Engagement in Wien. Seine Frau ist übervorsorglich, was zu vielen Reibereien führt, denn Sie fühlt sich vernachlässigt. Als sie bei einem Rodelzusammenstoß den jungen Baron Lummer kennenlernt, entwickelt sich daraus eine Freundschaft, welche vom mittellosen Baron ausgenutzt wird, um an ihr Geld zu gelangen. Die Bitte um Geld lehnt sie jedoch verärgert ab. Da trifft bei der Gattin ein Brief von einer „Mieze Meier“ ein, welcher an den Hofkapellmeister gerichtet ist und dessen Inhalt unverkennbar auf ein Verhältnis hindeutet. Diese Nachricht löst bei ihr Schock und Wut aus und umgehend schickt sie ein Telegramm mit den Worten „Wir sind für immer geschieden“ an Ihren Gatten.
Im zweiten Akt treffen wir den Ehemann in Wien bei einer Herrenrunde, wo Skat gespielt wird. Nun trifft das Telegramm mit der Nachricht seiner Ehefrau ein. Storch kann die Reaktion nicht verstehen, denn er kennt diese „Mieze“ ja gar nicht. Anfangs wird der Hofkapellmeister von den Herren verlacht, bis später der Kapellmeister Stroh, an welchen der Brief eigentlich gerichtet war, den Irrtum aufklärt. So löst sich nach einigem Hin und Her dieses Missverständnis auf und die beiden Eheleute erfreuen sich weiter ihrer „vorbildlichen Ehe“.
Diese burleske Handlung, welche 1924 im Schauspielhaus Dresden uraufgeführt wurde und ein großer Erfolg wurde, verlangt von den Sängern abgesehen von der gesanglichen Leistung auch schauspielerisches Talent. In der Basler Inszenierung wird diese Herausforderung an die Darsteller noch erhöht, denn außer einem Klavier und einem gigantischen Lampenschirm befinden sich keine weiteren Requisiten auf der Bühne. Dieser Lampenschirm als zentrales Element bewegt sich dauernd über die Szenen und gibt dem Geschehen quasi einen Rahmen.
Regisseur und Bühnenausstatter HERBERT FRITSCH, bekannt für seine farbenfrohen Arbeiten, gelingt es, diese Komödie unterhaltend zu gestalten. Mit immer wieder wechselnden Beleuchtungen und dem spartanischen Bühnenraum sind die Sängern stark gefordert.
Die überzeichneten Figuren verlangen ungewohnte Beweglichkeit. Zuerst muss die junge Schweizer Sopranistin FLURINA STUCKI als ganz große Entdeckung genannt werden. Scheinbar mühelos bewältigte sie mit facettenreicher und zur Rolle der Gattin Christine bestens passender Stimme ihre Aufgabe. Auch schauspielerisch gestaltete sie ihre Partie sehr überzeugend. GÜNTER PAPENDELL sang und spielte mit seinem flexiblen Bariton den nervösen und total der Musik verschriebenen Hofkapellmeister. Ein herrliches Paar.
Die Partie des Baron Lummer sang der Tenor MICHAEL LAURENZ. Mit seiner ausgeprägten Spielfreude gestaltete er unterhaltend die Figur des Barons. KALI HARDWICK als die Kammerjungfer Anna, überraschte das Publikum mit ihrer Stimme und ihrem Spiel. RAPHAEL CLAMER verkörperte die Rolle des Dieners. Bei der Gestaltung seines Parts kam ihm seine auffallende Beweglichkeit zugute. JASMIN ETEZADZADEH als Frau des Notars, ENA PONGRAC als Resi, HUBERT WILD als Notar, ANDREW MURPHY als Kommerzienrat, KARL-HEINZ BRANDT als Kapellmeister Stroh und MKHANYISELI MLOMBI als Kammersänger, bildeten ein herrlich singendes und spielendes Ensemble. Nicht zu vergessen ist der kleine Sohn, gespielt von MORITZ EMIL REHLEN. Köstlich. Eine wirklich hervorragende Ensembleleistung.
Ein Highlight des Abends war das SINFONIEORCHESTER BASEL unter der Leitung von CLEMENS HEIL. Die Freude, endlich wieder spielen und diese wunderbare Musik von Richard Strauss erklingen lassen zu können, wirkte auch auf das Publikum ansteckend. Was für ein Schwelgen in Melodien und humoristischen Einsätzen. Ein Genuss.
Das Publikum spendete langen und herzlichen Applaus, begleitet von vielen Bravorufen auch für den Regisseur. Wer immer Gelegenheit hat, dieses Stück zu erleben, sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Theater Basel / Stückeseite
- Titelfoto: Theater Basel/“Intermezzo“ / Foto @ Thomas Aurin