Noch etwas mehr als eine Woche, dann sind sie zu Ende, die zweiten Italienischen Opernwochen an der Staatsoper Hamburg. Nunmehr, am 28.3. stand Giuseppe Verdis „Un Ballo in Maschera“ auf dem Spielplan. Ein zumindest früher, auch hier oft gespielter, „echter Verdi“, der Erinnerungen an „Die drei Tenöre“ (Domingo, Carreras,Pavarotti) aber auch große Sängerinnen wie Caballé, M.Price und Riccciarelli weckt und zu leicht zu einem verklärten „Ach ja, damals …“ verführt. (Rezension der besuchten Vorstellung am 28.3.2019)
Auch gestern standen mit Carmen Giannattasio und Ramón Vargas zwei Sänger von großem Ruhm auf der Bühne, neben dreien, die allesamt das Material dazu haben, späteren Generationen ein „ Ach ja, damals …“ zu entlocken.
Un Ballo in Maschera (Ein Maskenball) basiert auf Eugène Scribes gleichnamigen Stück, das die Ermordung des schwedischen König Gustav III auf einem Maskenball im Jahre 1792 in der Stockholmer Oper zum Thema hat. Verdis Librettist Antonio Somma übernahm mehrere, historisch belegte Details. So starb Gustav III tatsächlich durch ein Attentat an dem auch sein guter Freund, Anckarström beteiligt war. In der Oper bilden allerdings nicht allein die allzu liberalen Ansichten und Pläne des Königs den Mittelpunkt. In Drama und Oper dreht sich alles um die erfundene Liebe, die der König für Anckarströms Gattin Amelia empfindet. Obwohl diese Liebe erwidert wird, bleibt sie platonisch. Doch das wird Anckarström erst bewusst, nachdem er dem vermeidlichen Ehebrecher, den Todesstoß bereits versetzt hat.
Die Inszenierung von Alexander Schulin, die 2001 Premiere hatte, verzichtet auf eine moderne Umsetzung des Stoffes. Auch sie hält sich an das historisch Belegte und bedient sich einiger Metaphern: So berührt Gustavo schon zu beginn der Oper den Fleck, an dem er am Ende stirbt. Er hinterlegt das Kraut, das laut der Wahrsagerin Ulrica, Amelias verbotene Gefühle beendet. Er gibt Renato, Graf Anckartröm, die Mordwaffe selbst in die Hand. Subtil, durch leichte Berührungen deutet Schulin an, was vermutet wird: Gustavo und seinen Pagen (Oscar) verband mehr, als nur ein Arbeitsverhältis. Und, wie der historische Gustav, stirbt auch der fiktive, mit Verzögerung und liegt nicht sofort nach dem Stich in Agonie.
Ansonsten erlauben Schulin, Bühnenbildner Richard Peduzzi und Kostümbildnerin Moidele Bickel dem Publikum einfach in der romantisch tragischen Geschichte und Verdis Musik zu schwelgen. Peduzzis unlackierte, hölzerne in sich verschiebbare Burg und das spärliche Mobiliar würden in ihrer Schlichtheit, auch zu jener Ballo-Fassung passen, in der der Protagonist Riccardo heißt und Gouverneur im noch jungen Boston ist. Bickel verwöhnt unser Auge mit wunderschön prachtvollen Kostümen aus der damaligen Zeit.
Mag man die Produktion in ihrer Zurückhaltung auch für zu wenig aussagekräftig oder nicht innovativ genug halten, eines kann man Schulin und vor allem, dem für die Lichteffekte zuständige Heinrich Brunke, nicht absprechen: Es gelingt ihnen, Momentaufnahmen zu schaffen, die an historische Gemälde erinnern.
Un Ballo in Maschera, strotzt nicht wie zum Beispiel La Traviata oder Rigoletto vor Melodien, die sich zu Verdis Zeit, bei Straßenmusikern und heute in der Werbung erfreuen. Doch Verdis Fähigkeit durch seine Musik mitzureißen, und sei es auch auf dramatische Art, zeigt sich vom ersten bis zum letzten Ton. Zartheit und leichte Heiterkeit sind ebenso vorhanden, wie herzbewegende Liebesduette oder Arien die eine ganze Farbpalette von Emotionen widerspiegeln. Leider, so schien es, hatte Dirigent Stefano Ranzani es sich am gestrigen Abend ein wenig zu oft zur Aufgabe gesetzt, an die Verwendung von Verdis Musik durch Volksmusiker seiner Zeit zu erinnern. Kurz: Tempi und Lautstärke, waren die Punkte, die an diesem Abend Grund zu Kritik gaben, dem Philharmonischem Staatsorchester Hamburg aber nur im geringen Maße anzulasten sind.
Auf der Bühne selbst herrschte im Spiel, wie im Gesang, Harmonie und Spielfreude. Das gilt für den Chor der Hamburgischen Staatsoper ebenso, wie für die Sänger der kleineren Partien. Allen voran Jóhann Kristinsson als lebenslustig authentischer und stimmschöner Christiano, wie auch Denis Velev und Bruno Vargas, als die beiden historischen Verschwörer, Il Conte di Ribbing und Il Conte di Horn, die durch spielerische Verschlagenheit ebenso überzeugten wie durch Gesang.
Historisch belegt ist auch die Figur der Wahrsagerin Ulrica, die hier Gustavo den Tod durch einen Freund voraussagt. Die rumänische Mezzosopranistin Judit Kutasi begeistert durch eine intensive Darstellung, die sich auch in kleinen Gesten zeigt und durch eine Stimme, die sicher und makellos aus den Tiefen der Mystik aufsteigt, zur Klarheit der Gewissheit und des Mitgefühls. Sie ist die erste der oben erwähnten drei, von denen wir sicher noch viel hören werden!
Die zweite der drei und eine absolut angenehme Überraschung und Augen- wie „Ohrenweide“ ist die junge Sopranistin Katharina Konradi als Oscar. Sie machte bereits in der Sendung „Stars von morgen“ von sich reden und bezauberte gestern durch ihren federleicht geführten glockenhellen Sopran und ihr völlig natürlich wirkendes Spiel. Möge sie noch lange hier an der Staatsoper Hamburg bleiben und gleichzeitig viele Möglichkeiten erhalten, auch andere Häuser weiter auf sich aufmerksam zu machen
Der Dritte im Bunde deren, denen die schwer zu erobernde Welt der Oper sicher noch offen steht, ist der türkische Bariton Kartal Karagedik als Il Conte Renato di Anckarström. Er ist seit der Spielzeit 15/16 eine der Stützen des hiesigen Ensembles. Und zeigte mit seiner gestrigen Leistung einmal mehr, das wirklich gute Qualität nicht nur von Gästen zu bekommen ist. Sein Renato ist jeder Zoll der aufrichtige, loyale Freund, in noch seiner Wut, der zu sein scheint, der am meisten unter ihr leidet. Sein facettenreicher und flexibler Bariton lässt uns alle Tonlagen genießen. Wie schön, dass das Hamburger Publikum noch weitere Möglichkeiten hat seine Vielseitigkeit zu entdecken.
Carmen Giannattasio ( Amelia ) ist ein dramatischer Sopran, wie ihn sich das Opernliebhaberherz nur wünschen kann. Voll und dunkel gefärbt in der Mittellage, gleicht ihr Sopran in den Höhen einer Glocke, die aus schweren,statt leicht springenden Kristall geformt ist oder einer kleiner aus edlem, sicher schwingendem Metall. Ihre Galgenszene, die bei Schulin leider mitten auf einer hell erleuchteten Straße stattfindet, rührt zu Tränen des Mitgefühls, ebenso wie ihre Bitte an den Gatten, vor ihrem Tod den Sohn noch ein Mal sehen zu dürfen. Sie ist einfach eine Darstellersängerin, deren Besuche hier, auch in anderen Rollen mehr als willkommen wären
Ramón Vargas überzeugte vor zwei Jahren neben Katerina Tretyakova in Donizettis Lucia di Lammermoor in der Rolle des Edgardo. Gestern, wie auch schon am vergangenen Sonntag, bewies er etwas, das nicht anders als wie künstlerische Größe bezeichnet werden kann. Sonntag ließ Vargas in der Pause um Verständnis bitten, da er erkältet sei. Dass diese Erkältung auch gestern noch nicht auskuriert war, wurde an einigen Tönen und Anzeichen von Anstrengung deutlich. Doch immer wieder gab es auch Momente, die zeigten, was sonst an Können und Strahlkraft in ihm steckt. Darstellerisch wusste er den lebensfreudigen, leidenschaftlichen Mann ebenso gut zu porträtieren, wie den sich letztlich dem Pflichtgefühl hingebenden Herrscher. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er wirklich alles gab um, trotz Indisposition sein Publikum zu begeistern.
Fazit: Auch Künstler mit großen Namen müssen mehr als hart arbeiten, legen sie Wert darauf, dass es ihre Leistung, und nicht allein ihr Name ist, der zählt. Und: Junge Sänger von heute, können durchaus schon längst auf dem Weg zu Stars von morgen sein.
- Rezension der besuchten Vorstellung von Birgit Kleinfeld/RED. DAS OPERNMAGAZIN
- Homepage der Staatsoper Hamburg
- Titelfoto: Staatsoper Hamburg/ BALLO IN MASCHERA/ Foto @ Hans Jörg Michel