Titanic - The Musical/Staatsoper Hamburg/Foto @ Scott Rylander

Staatsoper Hamburg: „Titanic – The Musical“ – Von der bewegenden Macht der Einfachheit

Titanic - The Musical/ Gastspiel an der Staatsoper Hamburg/ Foto @ Scott Rylander
Titanic – The Musical/ Gastspiel an der Staatsoper Hamburg/ Foto @ Scott Rylander

(Rezension der besuchten Vorstellung v. 8.8.2018

 „Er wollte eine Legende. Jetzt hat er eine.“ So äußert sich in dem Musical „Titanic“ Captain Edward Smith (Dudley Rogers) über J. Bruce Ismay (Simon Green) dem Eigentümer der „White Star Line“ und damit auch der „Titanic.“ Und ja, die RMS “Titanic“ ist eine Legende, die, wenn auch anders als Ismay es sich wünschte, heute noch den Wissensdurst von Historikern und Meeresforschern weckt. Auch für Buchautoren, Film- und Theaterschaffende ist die Tragödie des Schiffes, dass auf seiner Jungfernfahrt mit einem Eisberg kollidierte, ein nie versiegender Ozean der Inspiration.  So schufen Maury Yeston (Musik & Text) und Peter Stone (Buch) eine Broadway-Show, die 1997 mit 5 Tonys ausgezeichnet wurde. Fast 20 Jahre danach, nämlich 2016 erlebte das Musical in London ein Revival. Diese, von Publikum wie Presse gefeierte Produktion, ist nun noch bis einschließlich 19. August an der Staatsoper Hamburg zu Gast. An den Wochenenden sogar mit Doppelvorstellungen.

 

Im Gegensatz zum amerikanischen Vorbild, setzen die Briten auf Inhalt und auch Aufzeigen zwischen den Zeilen, statt auf technisierte, perfekte Show. Faszinierte Anfang diesen Jahrhunderts an der Neuen Flora die glamouröse Perfektion, der deutsche Fassung, so wurde doch erst gestern die Tiefe und Menschlichkeit deutlich, die in der Geschichte steckt. Die Tatsache, dass das Stück auf englisch aufgeführt wird, tut dieser Wirkung, nicht nur, dank Übertitel, keinen Abbruch.

Es gibt nur ein Bühnenbild, welches im Hintergrund den Rumpf der „Titanic“ zeigt, vor dem es auf höheren Ebene eine Art Galerie mit Reling gibt, die als Oberdeck, Brücke und Übergang zum eigentlichen Spielraum dient. Zu erreichen über eine Leiter wie man sie von Schiffen oder Flugzeugen kennt. Bei Bedarf wird sie von den Darstellern verschoben und dient auch als „Krähennest“. Ansonsten wird die Bühne durch einfache Requisiten, wie Funkerpult oder festliche Tafel zu Salon, Funkstube oder, – leer-,  zum Maschinenraum. Es ist wirklich erstaunlich, dass besonders heutzutage, Einfachheit so viel bewirken und im Innern bewegen kann.

Titanic the Musical/Staatsoper Hamburg/ Foto © Annabel Vere
Titanic the Musical/Staatsoper Hamburg/ Foto © Annabel Vere

Wie zum Beispiel, wenn während Baretts (Niall Sheehy) Lied, in dem er sich über die Ignoranz der herrschenden Klasse beschwert, die von Schiff und Mannschaft zu viel verlangt, ein Kollege zusammenbricht. Am Ende dieser Szene findet bereits der Umbau zur nächsten statt. Es hat etwas Symbolisches, ja fast Metaphorisches, dass Barrett dabei auf einem Tisch steht und dieser für das Dinner der 1. Klasse gedeckt wird. Es gibt zahlreiche solcher kleinen Momente und Szenen. So wenn, der Steward Mr. Etches (Matthew McKenna) einer Passagierin der 3. Klasse einen unrechtmäßig mitgenommen Apfel abnimmt, den ihr der Page dann wieder zuwirft.
Es fehlt aber auch nicht an Dramatik, die, wie es bei handwerklich gut gemachten (Musik)Theaterstücken sein soll, das Publikum dazu bringt den Atem anzuhalten und die Luft zum Knistern bringt. Die Szene, wenn der Architekt Thomas Andrews (Greg Castiglioni), auf dem, langsam kippenden Bug zu Tode stürzt, ist an Spannung kaum zu überbieten und lebt allein von unspektakulärer Technik und vor allem Castiglionis ausdrucksstarkes Spiel, nicht nur in dieser Szene und sein Gesang. „Gesang“. Das Stichwort auf einem Opernmagazin, der über ein modernes Musical berichtet, dass die Sommerbespielung stellt, in einem renommierten, wenn auch oft kritisierten, Opernhaus, wie der Staatsoper Hamburg.

Titanic - The Musical/ Gastspiel an der Staatsoper Hamburg/ Foto @ Scott Rylander
Titanic – The Musical/ Gastspiel an der Staatsoper Hamburg/ Foto @ Scott Rylander

Musical- und klassischer Gesang zu vergleichen, sind eine Überheblichkeit, der Opernliebhaber allzu oft erliegen. Es bedarf aber auch tatsächlich einiger Gewöhnung, dass das Orchester aus der „Konserve“ erklingt, die Lautstärke sich, dank Microports kaum ändert und stets recht intensiv ist und in Ensembleszenen fast in den Ohren dröhnt. Es geht auch der Charme des Augenblicks, der sich änderten Tagesform, die bei Opernsängern sofort hörbar wird, verloren. Und doch vermögen die Darsteller, deren Ausbildung so ganz anders ist als die von Opernsängern, zu faszinieren und in den Bann zu ziehen, ist man nur bereit, sich auf diese für unsere Ohren ungewöhnliche Art einzulassen.
Beinahe alle Darsteller dieser Tournee weisen eine beachtliche Bühnenerfahrung auf und haben in Großbritannien sicherlich einen Bekanntheitsgrad wie bei uns Alexander Klaws, Drew Sarich, Uwe Kröger und Pia Douwes.
Und das mit Fug und Recht, denn es gelingt ihnen von der ersten Minute an das Publikum auf das Luxusschiff -„die schwimmende Stadt“- Titanic zu entführen. In die Welt der eleganten Kleider, des ausgeprägten Klassenbewusstseins, der Träume, denen ein Eisberg und falscher Ehrgeiz, ein drastisches Ende setzen.

Anders als in James Camerons berühmtem Film,gibt es im Musical keine offensichtliche Trennung in Haupt- und Nebendarsteller, sondern es ist ein wahres Ensemblestück, bei dem sich das Publikum, die bevorzugten Charaktere selbst suchen kann.
Es ist ein Stück, in dem jeder einzelne Stewart, jede Zofe, eine namentliche Erwähnung verdiente, scheint eine Beschränkung auf einige bestimmte Rollen auch notwendig..

Titanic - The Musical/Staatsoper Hamburg/Foto @ Scott Rylander
Titanic – The Musical/Staatsoper Hamburg/Foto @ Scott Rylander

Niall Sheehy überzeugt als Fred Barrett, Heizer und liebenswerter Junge aus dem Volk. Er verströmt schüchternen Charme und in seinem „Barretts Song“ genannten Lied, wie auch in der Szene „The proposal/ Der Heiratsantrag“, beweist er, dass er zu recht bereits Finalist bei „Superstar“ auf ITV war und macht neugierig ihn einmal in einem Konzert zu erleben. „Der Heiratsantrag“ ist ein Duett zwischen Barrett und dem zweiten Funker Harold Bride, dem Oliver Marshall Stimme und zurückhaltend verträumte Ausstrahlung verleiht. In knapp drei Minuten gelingt es dem Komponisten und Texter Yeston mithilfe dieser beiden jungen Darsteller, dem Publikum zwei Charaktere nahezubringen, deren historische Vorbilder, im Gegensatz zu den Rollen auf der Bühne, das Unglück, überlebten.

Ähnlich überzeugend sind auch Claire Marlowe als Lady Caroline Neville und Stephen Webb als ihr nicht standesgemäßer Geliebter Charles Clarke. Auch bei Ihnen handelt es sich um Passagiere der wahren Titanic. Sie überlebte, er nicht. Marlowe und Webb schaffen es, in jeder gemeinsamen Szene und auch im Spiel mit anderen Lady Caroline und Charles Carke wieder zum Leben zu erwecken, in diesen knapp drei Stunden Aufführungsdauer.
Doch dies ist etwas, das auch auf die anderen Darsteller zutrifft.
Matthew McKenna ist von Kopf bis Fuß beherrschter Steward, ein Meister der kleinen Gesten mit großer Wirkung. Seine Stimme wie auch seine Ausstrahlung, lassen wünschen ihn einmal in einer anderen Rolle zu sehen. Vielleicht als Fred in Cole Porters „Kiss me Kate“ oder als Frank’N Furter in O’Brien’s „Rocky Horror“. Beides Rollen, die er schon erfolgreich verkörperte. Kieran Brown gelingt es mühelos, die Gewissensbisse des 1.Offiziers William Murdoch glaubhaft darzustellen und dessen Selbstmord, geht, da er nicht selbstmitleidige Flucht, sondern sachlich kalkulierte Konsequenz ist, unter die Haut.

Hamburger Staatsoper / Foto @ Westermann
Hamburger Staatsoper / Foto @ Westermann

Das in diesem Bericht, die musikalischen Highlights, wie „Goodspeed Titanic“ (Lebwohl, Titanic), der Reggae, das melancholische Duett „Still“ (Wie vor aller Zeit) des alten Ehepaar Straus (Judith Street, Dudley Rogers), oder das Lied des Wachtmanns Frederick Fleet (Joel Parnis) „No Moon“ (Kein Mond) und all die anderen Melodien mit Ohrwurmpotential nur kurz erwähnt werden, liegt weder daran, dass sie schlecht gesungen wurden, was nicht der Fall war. Und auch nicht an der schon erwähnten Arroganz eines bekennenden Opernfans, unter dessen Würde die Melodien sind. Denn auch wenn, wie bereits erwähnt, ein Orchester und nur mit eigener Kraft dargebotener Gesang einwenig fehlten, so war es ein schöner Abend, bei dem Musik und Handlung gleichberechtigte Partner waren, die nicht nur gute Unterhaltung bieten wollten, sondern auch erinnern, an jenes Ereignis, das als Traum begann und als Alptraum endete.

Puristische Anhänger der ernsten Oper und des klassischen Gesangs oder auch jene, für die, Glamour und Show à la „Stage Entertainment“ wichtig sind, werden vielleicht Mängel finden. Allen anderen kann ich diese Produktion jedoch ans Herz legen, wenn sie einen unterhaltsamen Abend haben möchten, der mit seiner Botschaft, so wie hier dargestellt, nicht komplett an der Oberfläche des seichten Entertainments bleibt.

 

  • Rezension der Aufführung vom 8.8.2018 in der Hamburger Staatsoper von Birgit Kleinfeld
  • Weitere Termine, Infos und Kartenvorverkauf unter diesem LINK
  • Titelfoto: Titanic – The Musical/Staatsoper Hamburg/Foto @ Scott Rylander

 

 * Video Titanic – The Musical (@Youtube by BB Promotion GmbH)

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