Echnaton (im Original „Akhnaten“) ist Philip Glass‘ dritte Oper über historische Persönlichkeiten, die ihre jeweilige Zeit und auch die folgenden Epochen geprägt haben. Mit der für Glass so typischen musikalischen Vertonung, und dadurch umso mehr eindringlicher Wirkung, hat auch dieses Werk Einzug in die Spielpläne der Opernwelt gehalten.
Nun auch in Dortmund. Am vergangenen Freitag hatte die beeindruckende Inszenierung von Giuseppe Spota im Opernhaus Premiere. Er verzauberte das Publikum mit bildgewaltigen Szenen, eindrucksvollen Choreografien des NRW Juniorballetts und setzte auch ganz besonders den Opernchor aktiv in seine Regie ein. Am Ende jubelte das Publikum im gut besuchten, aber leider nicht ausverkauften, Haus über eine Ensembleleistung, die einmal mehr die künstlerische Leistungskraft der Oper Dortmund unter Beweis stellte. (Rezension der besuchten Premiere vom 24.5.2019)
ECHNATON hat keine durchgängige Handlung, sondern ist vielmehr ein symbolisches Portrait, das Ideen und Wirken dieses Herrschers in einzelnen Episoden darstellt. Das Libretto verwendet hierfür unter anderem Pyramidentexte aus dem Alten Reich sowie Texte der Amarnazeit, die vom Chronisten rezitiert (eindrucksvoll als Sprecher: Schauspieler Claus Dieter Clausnitzer) und vom Chor gesungen werden. Da dies in teils historischer Originalsprache geschieht, unterstreicht es die düstere Grundstimmung der Oper, die auch musikalisch eher dunkel, fast mystisch wirkt. Eine Musik, die wenige Höhepunkte im klassischen Sinne hat, aber durchaus Steigerungen beinhaltet. Philip Glass Oper ECHNATON zeichnet sich aus durch eine fast endlos scheinende, in sich ruhende, Musik, die aber an keiner Stelle Langeweile aufkommen lässt. Immer ist eine Spannung zu spüren, im Orchestergraben ebenso wie auf der Bühne bei den Solisten und beim Chor, die durch die Dortmunder Inszenierung noch deutlich an Intensität zunimmt.
Regie und Choreografie ist in der Dortmunder Inszenierung in der Hand von Giuseppe Spota. Dem Tänzer, Choreograf und Regisseur und jetzigem Direktor des Gelsenkirchener Balletts, gelang eine unter die Haut gehende Umsetzung dieses Werkes. Er liess die Solisten, wie auch den Chor, in statisch anmutenden Bewegungen auf der Bühne agieren und zeigte in seinen Choreografien für das NRW Juniorballett eine ganz besondere Sprache, mit tänzerischen Mitteln Texte und Situationen der Oper in größter Emotionalität umzusetzen. Zusammen mit seinem Co-Regisseur Pasquale Plastino schuf er körpersprachliche Bewegungen, die einerseits den jungen Tänzerinnen und Tänzern viel ihres Könnens abverlangten, aber deren visuelle Wirkung teilweise immens war. Das Bühnenbild und vor allem die Kostüme, ganz klassisch der Zeit Echnatons nachempfunden, (für beides war Tatyana van Walsum zuständig) nutzte die gesamte Größe der Dortmunder Opernbühne ideal aus und bezog auch die vorhandene Hebetechnik mit in die Regie ein. Den statischen Bewegungen der Solisten auf der Bühne stand oftmals die fast wellenmäßig wirkend eingesetzte Hebetechnik der Bühne kontrastreich gegenüber. Besonderes Lob auch an die Lichttechnik (Bonnie Beecher u. Stefan Schmidt), die in dieser Inszenierung von ganz besonderer Bedeutung war. Das bei der Sequenz über die Bauwerke im gut gemachten Video (Allessandro Grisendi) auch neben all den für die Zeit epochalen architektonischen Errungenschaften auch das Dortmunder BVB-Stadion so en passant mit erschien, sorgte für Heiterkeit, war aber sicher als kleine Hommage an die Stadt zu werten.
Alles in allem eine bemerkenswert gut gemachte Inszenierung und eine höchst beeindruckende und sehenswerte Kombination aus Oper und Ballett.
Dem NRW Juniorballett, die bereits schon ab dem ersten Ton der Oper auf der Bühne agierten, gebührt größtes Lob. Die jungen Tänzerinnen und Tänzer begeisterten das Publikum durch beeindruckende tänzerische Bewegungen mit großer Ausdruckskraft und wurden damit zu einem zentralen Bestandteil dieser Operninszenierung.
Der Opernchor des Theater Dortmund hat in dieser Oper eine besonders zentrale Rolle. Sängerisch, wie auch darstellerisch, war der Dortmunder Opernchor wieder eine feste Säule dieser Aufführung. Bestens einstudiert von seinem Chorleiter Fabio Mancini.
Aber auch an die Solisten stellt diese Oper hohe Anforderungen. Spota lässt auch hier die Solisten mit minimalistischen Gesten agieren und unterstreicht dadurch eindrucksvoll die jeweiligen Rollen.
In der Titelpartie des Echnaton der Countertenor David DQ Lee mit höhensicherer Stimme und großartigem Ausdruck in Gesang und Darstellung dieser anspruchsvollen Partie. Sein Monolog, aber auch, und vor allem, sein Duett mit Nofretete waren von ganz besonderer sängerischer Schönheit.
Aytaj Shikhalizada gab der Nofretete ein beeindruckendes Profil und zeigte mit dieser Partie ein weiteres mal ihre starke gesangliche Vielseitigkeit auf. Das gilt auch für Anna Sohn, die als Königin Teje die Mutter des Herrschers darstellte und mit ihrem raumfüllenden Sopran der Partie großes Format verlieh.
Die weiteren männlichen Partien waren mit Mandla Mndebele als Haremhab, Fritz Steinbacher als Hoher Priester und Denis Velev als Aye vorzüglich besetzt. Tief beeindruckend bereits ihr erster gemeinsamer Auftritt. Stark im Gesang – minimalistisch in der Gestik – und dadurch groß in der emotionalen Wirkung. Bravo!
Große Anerkennung auch wieder für die Dortmunder Philharmoniker, die Glass‘ Partitur auf so ruhige und eindrucksvolle Weise interpretierten und die vorhandene Klangschönheit dieser Oper auf dezente Art herausarbeiteten. In diesem Zusammenhang ist natürlich Motonori Kobayashi, der musikalische Leiter des Abends, zu nennen. An keiner Stelle der Oper liess er so etwas wie Langatmigkeit oder gar Monotonie aufkeimen. Dem gesamten Werk lag vielmehr vom ersten bis zum letzten Ton eine nicht fassbare Spannung inne, die Kobayashi stets aufrecht erhielt und an den dafür entsprechenden Stellen sogar noch auflodernd zu steigern wusste. Großes Kompliment und Anerkennung für die Dortmunder Philharmoniker und ihren Dirigenten Motonori Kobayashi.
- Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN
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- Titelfoto: Echnaton | Oper Dortmund | David DQ Lee (Echnaton)
© Björn Hickmann, Stage Picture