Kein Wald im Revier…
Das sei „Der Stoff aus dem die Träume sind“, so sagte ein Premierenbesucher anläßlich Kathrin-Susann Broses Bühnenbild zu Benjamin Brittens Shakespeare-Oper „Ein Sommernachtstraum“ am MiR. Denn dieses wunderschöne „Set“ ist ganz maßgeblich am Erfolg von Michaels Schulz` Inszenierung beteiligt. Da findet sich kein Zauberwald, sondern das Reich der Träume wieder, in dem das Unterbewußtsein die Menschen zu Kindern werden läßt.
Die Stringenz der Handlung wird abgelöst von der Irrealität des menschlichen Denkens, oder vielmehr Wollen und Strebens. Selbst die Elfen finden sich mehr oder weniger beherrscht innerhalb des wilden Treibens. Die szenische Lösung dazu ist so schlicht , wie genial: ein riesiges, weißes Tuch wird durch die grandiose Technik des Hauses (dafür gibt es ach berechtigt einen Soloapplaus) immer wieder zu neuen Traumlandschaften gefaltet, von Patrick Fuchs in immer wieder andere, zauberhafte Lichtstimmungen getaucht, da braucht es so gut wie keine Requisiten. Intendant Schulz läßt dabei die „Kirche im Dorf“ und inszeniert ideenreich durch das Stück, da mag man vielleicht nicht mit jeder Idee übereinstimmen, doch der Regisseur nutzt das hohe Spielpotential der Darsteller weidlich aus, so kommt keine Langeweile auf, was bei dieser Oper schnell mal passieren kann, denn die Musik läßt der Szene viel Freiraum,mit der man etwas anzufangen wissen muß. Renèe Listerdal entwarf dazu schöne Kostüme die die Welt der Elfen bis ins „Punkige“ führt, den Menschen eher konventionelle Kleidung überzieht.
Vielleicht ist der schwierige, technische Ablauf daran Schuld, daß Julia Jones am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen, nicht die von ihr gewohnte, akkurate Umsetzung gelingt, da wirkt zwischen Bühne und im Graben immer mal wieder etwas verwackelt. Trotzdem hat die Dirigentin schnell wieder alles im Griff und sorgt für einen lebendigen Fluss, der manchmal sehr verträumten Partitur. Das Ensemble sorgt im Großen und Ganzen für ein befruchtendes Zusammenspiel. Besonders die zwei Liebespaare erfreuen mit großer Bühnenpräsenz und schönem Gesang, die herrlichen Zickereien zwischen Hermia , Anke Sieloff als Hochschultussi mit hellem Mezzosopran und der robusteren Helena von Alfia Kamalova mit klangvollem Sopran, sowie der hilflose Schönling Lysander mit tenoralem Aplomb von Cornel Frey gegeben und dem samtigen Macho-Bariton von Michael Dahmen als Demetrius. Klaus Brantzen als robuster, wie nachdenklicher Puck treibt sie trefflich in die hormonellen Wirrungen, angeleitet von Matthias Rexroths Oberon, der mit starkem Countertenor, wie dominanter Präsenz punktete. Bele Kumbergers Titania hatte doch leichte Schwierigkeiten in den gewagten Höhenlagen der Partie und war durch die Regie allzu brav angelegt.
Das Handwerkersextett wurde prominent angeführt durch Urban Malmberg als Bottom, der menschlich glaubhaft ohne großes Outrieren seinen satten Bassbariton ins Spiel führte. Joachim G. Maaß als sonorer Quince, E. Mark Murphy mit komödiantischem Tenor als Flute/ Tisbe, Jacoub Eisa als sympathisch einfacher Snug gab seinen erfolgreichen Einstand als Mitglied des jungen Opernstudios, wie William Saetre den Snout als humoristischen Naivling nutzte, „last not least“ Piotr Prochera als Starveling. Dong-Won Seo und Almuth Herbst als heroisches Hochzeitspaar, Theseus und Hippolyta, versahen ihre Partien mit lustiger Sonorität. Sina Jacka, Katrin Stösel, Lisa Maria Laccisaglia und Sion Choi (mit letzterem besitzt das Opernstudio seinen ersten Countertenor) komplettierten als Elfen mit großer Spielfreude. Ebenso natürlich wie der wunderbare Damenchor und der diesmal richtig große Kinder- und Jugendchor des MiR. Da scheint sich die sehr engagierte Jugendarbeit des Musiktheaters deutlich auszuzahlen. Denn Singen und Theaterspielen macht ja auch Spaß !
Das Musiktheater legt mit seiner ersten Opernpremiere dieser Saison zwar keine perfekte Aufführung hin, doch wird gezeigt, wie lebendiges Musiktheater aussehen kann. Wer Lust hat auf Brittens grandiose Shakespeare-Vertonung hat, wieder einmal eines der schönsten Opernhäuser Deutschlands erleben möchte oder einfach gute Oper sehen und hören will: die Fahrt nach Gelsenkirchen wird ihn nicht enttäuschen.
*Rezension von Martin Freitag/Redaktion Der Opernfreund v. 7.10.15
*Fotos von Karl und Monika Forster
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