Gastkommentar für DAS OPERNMAGAZIN von Anna Skryleva – Generalmusikdirektorin am Theater Magdeburg
Die Musiktheater- und Orchesterlandschaft als immaterielles Weltkulturerbe! Solch ein Begriff verleiht dem Kulturschaffenden viel Motivation und gleichzeitig Respekt vor dem Schaffensprozess. Wer sind wir, Kulturschaffende? Sind wir dafür da, um das Publikum zu unterhalten und nur schöne Musik anzubieten, ohne großen Anspruch auf Mitdenken und Opernproduktionen, die politisch korrekt konzipiert sind? Oder sind wir ein Teil dieser Gesellschaft, die nicht gerade politisch korrekt ist und nicht immer eine perfekte Lösung zu allen Problemen parat hat? Wir sind eine Gesellschaft, die sich gerade jetzt in einem großen Wandel befindet. Eine Gesellschaft, die mit ihrer Jugend in einem direkten Austausch bleiben muss.
Und wir als Kulturschaffende tragen viel Verantwortung dafür, welchen Ton dieser Austausch produziert. Als Teil des Weltkulturerbes tragen wir auch direkte Botschaften mit unseren Produktionen und mit der Musik in die Gesellschaft.
Ein Austausch kann aber nur stattfinden, wenn beide Seiten sich daran beteiligen. Es wird viel darüber diskutiert und kritisiert, ob das Programmangebot bei den öffentlich getragenen Theatern und Orchestern heute fürs Publikum noch aktuell bzw. attraktiv ist. Alle Theater machen sich viel Mühe und veranstalten viele kreative Vermittlungsangebote, zusätzliche Talk-Runden, Mitmach-Projekte und vieles mehr! Viele sind auch sehr erfolgreich. Und trotzdem zeigt die neueste Theaterstatistik, dass die Zahl der Theaterbesucher sinkt. Wer ist schuld?
Ohne Schuldzuweisungen vornehmen zu wollen, kann das Stichwort nur lauten: Wir müssen wieder mehr in den Dialog kommen. Und in einem Dialog müssen mindestens zwei Seiten sprechen. Um über ein Thema sprechen zu können, muss man sich in dem Thema auskennen. Ansonsten wird einer der Beteiligten zu einem Monolog provoziert.
Damit unser Weltkulturerbe nicht in einen Monolog mit sich selbst gerät, ist es lebensnotwendig, die Gesellschaft der Zukunft, unsere Jugend für einen solchen Dialog vorzubereiten. Hier ist das Kulturangebot in den Schulen sehr gefragt. Und nicht als eine AG zur freien Auswahl. Ohne ein Pflichtfach »Literatur« wird unsere Gesellschaft in 20 Jahren keine Bücher mehr lesen und sogar solche Produktionen wie „Hänsel und Gretel“ werden kein Publikum mehr finden, weil die zukünftigen Eltern diese Märchen selber nicht mehr kennen. Wenn im Musikunterricht über Mozart, Beethoven und Wagner nicht mehr erzählt wird, werden diese Namen in 20 Jahren auf dem Konzertprogramm genauso unbekannt sein, wie ein Komponist der Gegenwart. Am Theater Magdeburg gibt es ein theaterpädagogisch hervorragend betreutes und breit gefächertes Angebot, die Sparte »Junges Theater«, das natürlich immer noch mehr und besser angenommen werden könnte. Online finden Sie es unter:
https://www.theater-magdeburg.de/spielplan/junges-theater/
https://www.theater-magdeburg.de/spielplan/extras/sz-20192020/inszenierungen-im-gespraech/
In großen Weltmetropolen werden Musiktheater und Orchester immer gefragt, weil das Publikum zum großen Teil aus Touristen besteht. Viel wichtiger ist dieser Dialog in mittleren und kleinen Städten und Gemeinden. Ein Musiktheater in einer Stadt mit ca. 250.000 Einwohnern sollte ein Mittelpunkt zu einem direkten Austausch dieser Gesellschaft sein. Gerade hier kann man viele ungelöste Probleme in einem kulturellen Dialog ansprechen. Gerade hier kann das Theater als eine Begegnungsstätte mehrerer Nationen sein. Und wir als Kulturschaffende sind bereit mit jedem einen Dialog, gerade auch mit der Kultur-und Bildungspolitik zu führen. Nur brauchen wir auch Ihre Dialogbereitschaft, Ihre Zeit, Ihr Interesse, Fragen und Anregungen an uns dazu: Was fehlt Ihnen, was wünschen Sie sich, was können wir gemeinsam verbessern – alles das wäre uns wichtig!
- Gastkommentar von Anna Skryleva – GMD am Theater Magdeburg
- Titelfoto: Anna Skryleva u. Orchester/ GMD Theater Magdeburg/ Foto (c) Nilz Böhme