Einmal mehr hat sich das Ballett Zürich mit einer ganz außergewöhnlichen Produktion präsentiert. Dennoch kann man nicht von einem Ballettabend im herkömmlichen Sinne sprechen. Treffender ist der Begriff Musiktheater, wie ihn auch der Choreograph Christian Spuck für seine letzte große Produktion als Zürcher Ballettchef verwendet. Als Grundlage wählte er Monteverdi‘s Musik aus dem 7. und 8. Madrigalbuch, wo Sehnsucht, Verzweiflung, Kampf und Liebesschmerz auf emotionale Weise zum Ausdruck kommen. Monteverdi gilt als Wegbereiter für die Oper. Die hier aufgeführten Szenen widerspiegeln den Anfang des Musiktheaters. (Rezension der Uraufführung vom 15. Januar 2022)
In einem großen Bühnenraum mit nur wenigen Requisiten von Bühnenbildner Rufus Didwiszus und mit den schlichten Kostümen von Emma Ryott, sowie der interessanten Lichtgestaltung von Martin Gebhardt, erlebt man fein choreographierte Szenen, welche mit dem Gesang der sieben Solisten eine gefühlvolle Stimmung hervorrufen. Es entstehen kurze Bilder mit Solotänzen, sowie eindrücklichen Gruppenchoreographien.
Überraschenderweise ertönt zu Beginn der Aufführung der italienische Schlager „Reginella“ von Roberto Murolo, choreographiert als intimer Pas de Deux für zwei Tänzer. Die Inszenierung des ganzen Werkes lebt von den musikalischen Kontrasten. Man ist verblüfft, wie gut sich die beiden so unterschiedlichen Musikstile miteinander verbinden lassen, geht es doch da wie dort um das klassische Thema Sehnsucht nach Liebe. Diese Kombination verleiht nach den oft dramatischen Texten der Madrigalbücher eine unerwartete Leichtigkeit. Christian Spuck hat den einzelnen Musikstücken mit seiner Choreographie viel Ausdruck und Anmut verliehen und auch Humor durchscheinen lassen.
In der großen Szene des „Il combattimento di Tancredi e Clorinda“, wo ein Kampf geschildert wird, gelingt es durch die Figur des „Erzählers“ (Tenor Edgaras Montvidas, großartig), die beiden Tänzer Michelle Willems und Lucas Valente, sowie die beiden Sängern Anthony Gregory und Lauren Fagan, ohne viele Effekte diesen Kampf sichtbar zu machen. Zusammen mit der Musik entsteht so eine spannungsgeladene Atmosphäre, welche das ganze Ballett kennzeichnet.
Das Ensemble des Zürcher Balletts als Ganzes bot einmal mehr eine hervorragende Leistung. Auch die Tänzer des Junior Balletts überzeugten. Angesichts der Vielfalt von Rollen und Tänzern würde es zu weit führen, an dieser Stelle einzelne Tänzer besonders hervorzuheben. In einer solchen Aufführung sind natürlich die Gesangsolisten und die Musiker von Zentraler Bedeutung. Und was hier geboten wurde, ist eines großen Lobes wert.
Unter der Leitung von Riccardo Minasi, welcher auch die Solo-Violine spielte, boten das in kleiner Besetzung spielende Orchestra La Scintilla eine Leistung auf höchstem Niveau. Was für ein Glück, ein solches Ensemble am Opernhaus Zürich zu haben. Die Sopranistinnen Lauren Fagan, Louise Kemény, die Mezzosopranistin Siena Licht Miller, der Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen, der Bass Brent Michael Smith, sowie die beiden Tenöre Edgaras Montvidas und Anthony Gregory überzeugten auf der ganze Linie.
Auch wenn man sich im ersten Teil des Abends an diese Aufführung gewöhnen muss, so überzeugt spätestens im zweiten Teil dieses Musiktheater. Das Ballett, die Solisten und das Orchester und sein Dirigent wurden vom Publikum mit viel Applaus bedacht.
MONTEVERDI
Musiktheater von Christian Spuck
Uraufführung
Ballett Zürich
Junior Ballett
Orchestra La Scintilla
Riccardo Minasi, Leitung/Solo-Violine
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Ballett Zürich / Stückeseite
- Titelfoto: Ballett Zürich/ Monteverdi/Foto © Gregory Batardon