Die tiefe Dunkelheit der Seele – “Dido und Aeneas” im Stadttheater Solothurn

TOBS/Dido and Aeneas/Foto: Marshall Light Studio

Dido und Aeneas”, der Mythos der Königin von Karthago und dem Prinzen von Troja, zählt zweifellos zu den bekanntesten und tragischsten Liebesgeschichten aller Zeiten. Einst vom römischen Dichter Vergil in seinem Versepos „Aeneis“ verewigt, inspirierte die Geschichte zahllose Künstler, Schriftsteller und Komponisten, darunter auch Henry Purcell, welcher die wohl bekannteste Opernadaption des Stoffs komponierte. 

 

Im Stadttheater Solothurn wird der Mythos in der Inszenierung von Anna Drescher ganz aus weiblicher Sicht erzählt. Sie schafft mit einfacher Bühnenausstattung und einer klaren Personenregie einen zeitlosen Dido-Kosmos, in dem sich alles um sie selbst dreht und sich nach ihr richtet. Retrospektiv wird erzählt, wie Dido, betrübt über ihre Liebe zu Aeneas, ihm schlussendlich nachgibt, von ihm verlassen wird und sich über diesen Verlust das Leben nimmt. Didos Lamento „Whem I am laid in earth“ eröffnet die Inszenierung. Einsam singt sie „Remember me, but ah! Forget my fate.“ Geradezu wissend um ihr Schicksal singt sie um sich ihrer Vorsehung hinzugeben.

TOBS/Dido and Aeneas/Foto: Marshall Light Studio

Um die intime Atmosphäre des Stadttheaters Solothurn, das nur knapp 260 Sitze beherbergt, nicht zu stören, sind die handelnden Personen auf ein Minimum reduziert. Neben Dido und Aeneas sind nur noch der Seemann und zwei weitere Sängerinnen auf der Bühne. Belinda und die erste Hexe werden zu einer Person, wie die zweite Frau und zweite Hexe. Beide werden zum Spiegelbild Didos. Nicht sie treiben Dido in den Suizid, sondern sie ist es selbst, die diese Wahl triff. Alles scheint sich nur in ihrem Kopf abzuspielen. Der Raum, die Bühne, wird zum inneren ihrer Gedanken. Und in diesem Raum ist alles dunkel und schwarz. An den Wänden verästeln sich die Gesichter ihrer Ahnen zu einem Stammbaum. Als Chor agierend reden sie auf Dido ein, was sie zu tun hat.

Das Bühnenbild und die Kostüme von Hudda Chukri lassen eine düstere, abgeschiedene Fantasiewelt vermuten. Kein Tageslicht trifft auf die Bühne; die schwarzen, einengenden Wände scheinen ein Eigenleben zu führen. Die Frauen sind in pastellfarbene, plissierte Organza-Gewänder gehüllt. Die Handlung unterstützen subtile Gesten dreier Tänzerinnern, die den Konflikt zwischen Liebe und Gefühlskälte darstellen und stets vorantreiben.

Carine Séchaye glänzte als Dido durch differenziertes Spiel und einer kraftvollen, leicht scharfen, aber zur Rolle durchaus passenden, Mezzostimme. Sowohl die starke Kriegerin, als auch die verletzliche, Liebe begehrende Frau, wusste sie überzeugend und eindringlich darzustellen. Stellenweise mangelte es ihr an deutlicher Artikulation der englischen Sprache.

TOBS/Dido and Aeneas/ Foto: Marshall Light Studio

Xiang Ting Teng sang Belinda mit spritzigem Charme und jugendlichem Esprit. Ihre Stimme versprühte mit „Pursue thy conquest, love“ sogleich Optimismus und stellte damit einen Gegensatz zu Didos Klagelied dar. Der Bariton Jonathan Sells folgte mit seiner hellen Stimme, einem klarem Legato und durch behutsames Spiel als Aeneas dem durchweg hohen Niveau dieses Abends.

In dem kleinen Theater schuf Dirigent Andreas Reize mit dem Sinfonie Orchester Biel Solothurn einen satten, dichten Klang. Das Orchester offerierte viel Spielfreude und Elan, wodurch man das nicht immer saubere Spiel verzeihen mag. Einige Musiker spielten auf authentischen Instrumenten des 17. Jahrhundert, was mit Zuhilfenahme einer neu arrangierten Schlagwerkstimme die Barockoper Purcells erstaunlich modern klingen ließ.

Das Theater Solothurn, ein Kleinod dieser reichhaltigen Schweizer Kulturlandschaft beweist, dass aus „Dido und Aeneas“ kein Doppelopernabend gemacht werden muss. Das Werk steht für sich alleine und bedarf keiner weiteren Ergänzung. Egal wohin, zu welcher Zeit oder an welchen Handlungsort die Oper verlagert wird, sie bleibt in ihrer Essenz zutiefst berührend und ist in sich absolut. Die Tragik der Liebe zwischen Dido und Aeneas ist stets universell und zeitlos. Zum Schluss stirbt Dido erneut, stimmt wieder ihr Lamento an und der Kreis schließt sich.

 

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