NABUCCO von Giuseppe Verdi, Deutsche Oper Berlin, Premiere am 8. September 2013, FOTO-copyright: Bernd Uhlig

Deutsche Oper Berlin: Ein ›NABUCCO‹ zum geniessen

Anna Pirozzi und A. Enkhbat / nach NABUCCO am 21.12.2019-Deutsche Oper Berlin

Am 21.Dezember 2019 fand die mittlerweile 39. Vorstellung – seit der Premiere am 8.9.2013 – von Giuseppe Verdis Oper NABUCCO in der Deutschen Oper Berlin statt. Ohne eigene Kenntnis, wie die Begeisterung des Publikums die vorherigen 38 Male war, so stellte ich für das 39. Mal einen Jubel fest, wie er einer Premiere wohl kaum nachsteht. Allerdings wartete die Deutsche Oper auch mit einem Gesangsensemble von großer internationaler Klasse auf. Allen voran Anna Pirozzi als großartige Abigaille und Amartuvshin Enkhbat bei seinem umjubelten Hausdebüt in der Titelpartie des Nabucco. Aber das waren nicht die einzigen Glanzpunkte eines Opernabends, der selbst in diesem renommierten Haus, nicht alltäglich sein dürfte. Eben ein NABUCCO für Operngenießer! (Rezension der Vorstellung vom 21.12.2019)

 

 

Da es sich nicht um eine Premiere oder eine Wiederaufnahme dieser Inszenierung handelt, möchte ich nur einen kurzen Umriss zur Inszenierung geben und mich im weiteren Verlauf dieser Rezension auf die musikalische Umsetzung der Oper konzentrieren. Denn die ist es wert, ausführlicher gewürdigt zu werden.

NABUCCO, Deutsche Oper Berlin/Foto @ Bernd Uhlig

Regisseur Keith Warner verlegte das Drama in die Zeit der Entstehung der Oper. Das unterjochte jüdische Volk in Kostümen, die an die Viktorianische Zeit erinnern, ist auf der großen Drehbühne damit beschäftigt, Fahndungsfotos von Fenena zu drucken und sie unters Volk zu bringen. In der Mitte der Bühne befindet sich ein bis unter die Decke ansteigender und rundförmiger Treppenaufgang, der an ein Gasometer erinnert und der immer wieder Gelegenheit zu Auftritten und Abgängen der Protagonisten bietet. Warners Interpretation der Oper liegt, wie er im Interview zum Programmheft selbst ausführt, die besondere Energie des Stückes zugrunde. Fast wie die Energie und die Kraft, wie sie in einem Atomreaktor zu finden sei, so Warner weiter. Und das ihn das Spiel mit der unbändigen, ja fast unbeherrschbaren, Energie von Menschen, die Macht erhalten und erreichen wollen, umtreibt, spiegelt sich dann auch in den teils starken zwischenmenschlichen Szenen dieser Inszenierung wieder. Zu Beginn ist eine meterhohe kreisrunde Mauer sichtbar, die von einer stummen Person auseinander geschoben wird, als die Ouvertüre ihren Höhepunkt erreicht hat. Diese gleiche stumme Person, ein langhaariger alter Mann (Gott?, Verdi?), ist es dann auch, die einen zackenförmigen, an Blitze erinnernden, Zaun zwischen Nabucco und das Volk zieht. Gerade in dem Moment, als sich Nabuccos geistiger Zustand vernebelt. Wenn sich am Ende der Oper diese rote Mauer wieder schliesst, sind in ihrem Innern Nabucco, sein Volk, seine Tochter Fenena und die Hebräer hinter ihr in Frieden vereint. Einzig Abigaille bleibt allein vor der Mauer zurück. Ein starkes Bild, dass in Erinnerung bleibt.

Warners Regiearbeit bietet insbesondere den Sängerinnen und Sängern auf der Bühne viel Raum und Gelegenheit zur Entfaltung. Und das wussten diese auch am vergangenen Samstag auf besondere Weise zu nutzen!

Anna Pirozzi und A. Enkhbat / nach NABUCCO am 21.12.2019-Deutsche Oper Berlin

Mit der Titelpartie des Nabucco feierte der junge mongolische Bariton Amartuvshin Enkhbat sein glänzendes Hausdebüt an der Deutschen Oper Berlin. Es wurde ein Einstand nach Maß! Die Szenen mit seiner vermeintlichen Tochter Abigaille sprühten gesanglich Funken, sein „Dio di Giuda!“ im vierten Akt war von so viel Gefühl und gesanglicher Schönheit, wie es nicht oft zu hören ist und er verfügt auch über die nötige Kraft und auch die erforderlichen Höhen, um diese anspruchsvolle Partie so überzeugend darbieten zu können. Großer Jubel und viele Bravorufe des Publikums für Amartuvshin Enkhbat!

Dem Ismaele – einer eher kleineren Verdi-Tenorrolle – verlieh Attilio Glaser starkes Profil, sowohl darstellerisch, wie sängerisch. Mika Kares als  Oberpriester Zaccaria – der finnische Bass hatte an diesem Abend ebenfalls sein Hausdebüt an der DOB – gefiel durch seine voluminös und volltönende Stimme. Seine große Szene („Tu sul labbro de‘ veggenti“) aus dem dritten Akt geriet auch zu einem der Höhepunkte dieses besonderen Opernabends.

Padraic Rowan, Stipendiat des Förderkreises der Deutschen Oper Berlin e.V., lieferte eine überzeugende Leistung in der Rolle des Oberpriesters des Baal ab, wie es auch Gideon Poppe als Abdallo tat. Mit Flurina Stucki als Anna war auch die kleinere Sopranpartie der Oper hervorragend besetzt.

Kommen wir nun zu den beiden weiblichen Hauptpartien dieser frühen Verdioper: Fenena und Abigaille, vermeintliche Schwestern im Kampf um die Liebe zum Vater Nabucco, zum geliebten Ismaele und letztlich auch um die Macht. Diese beiden Rollen waren in Berlin hochkarätig besetzt.

Jana Kurucová überzeugte als Fenena auf ganzer Linie! Die slowakische Mezzosopranistin verlieh der Königstochter sehr viel Gefühl im gesanglichen als auch im darstellerischen Ausdruck. Ihre ungemein angenehm und warm klingende Stimme formte Fenenas Gebet (Oh dischiuso è il firmamento) aus dem vierten Akt zu einem wahren und zutiefst berührenden Gesangsjuwel. Natürlich auch Jubel für diese großartige Künstlerin, die ab der Saison 2019/20 Mitglied des Ensembles der Hamburger Staatsoper ist und dort auch schon begeistern konnte.

Die Abigaille gilt zu Recht als eine der anspruchsvollsten Sopranpartien, die Verdi geschaffen hat. Zum einen verlangt sie nach zart gesungenen, fast gehauchten, Piani und dann wieder auch nach Spitzentönen oder Variationen, wie in der Cabaletta „Salgo già del trono aurato„. Mit Anna Pirozzi stand am vergangenen Samstag eine der wohl weltbesten Rolleninterpretinnen der Abigaille unserer Zeit auf der Bühne der Deutschen Oper Berlin. Schon vom ersten Auftritt an wurde klar, dass sich da ein großartiger Opernmoment anbahnte. Zart und berührend das Rezitativ und die Arie aus dem zweiten Akt „Ben io t’invenni – Anch’io dischiuso un giorno„, geradezu machtvoll dann die abschliessende bereits erwähnte Cabaletta mit einem lang gehaltenen Spitzenton. In ihrem Duett mit Nabucco zeigte sie mit ihren stimmlichen Mitteln die ganze Skrupellosigkeit Abigailles, wenn sie ihm ihr „Io schiava? Io schiava?“ entgegenschleudert. Im Finale der Oper findet Anna Pirozzi dann wieder zu sehr berührenden Tönen, als sie um Vergebung bittet („…non maledire a me„). Das war unter die Haut gehend! Das war große Oper! BRAVO! Für mich war das eine der besten Abigaille-Interpretationen, die ich in nunmehr fast 40 Jahren erleben durfte. Das Publikum sah es wohl auch so. Denn Anna Pirozzi wurde für diesen großartigen Auftritt vom Berliner Publikum mit großem Applaus und vielen Bravorufen gefeiert.

Deutsche Oper Berlin, copyright: Leo Seidel
Deutsche Oper Berlin, copyright: Leo Seidel

Was wäre NABUCCO ohne Chor? Und auch da gab es eine Berliner Sternstunde. Der hochgelobte Chor der Deutschen Oper Berlin, durch seinen Chorchef Jeremy Bines hervorragend einstudiert, bot wieder einmal eine hochklassige Vorstellung und zeigte nicht nur im berühmten Chorklassiker „Va, pensiero, sull’ali dorate“ das er zu den weltbesten Opernchören gehört. Zudem waren die Damen und Herren des Chores stark in die Inszenierung eingebunden und stellten somit eine tragende Säule dieser Aufführung dar. Großes Kompliment an den Chor der Deutschen Oper Berlin!

Am Pult des glänzend aufspielenden Orchesters der Deutschen Oper Berlin stand der musikalische Leiter des Abends, der italienische Dirigent Carlo Montanaro. Der weltweit gefragte und gefeierte Dirigent, der vorzugsweise im Fach der italienischen Oper vom Belcanto bis zum Verismo tätig ist, leitete einen NABUCCO voller Leidenschaft und dabei so mitreißend, wie es eine Verdioper nur sein kann. Keine Frage, dass auch er und das Orchester gebührend vom begeisterten Publikum gefeiert wurden.

Als Fazit verlasse ich ein wenig die eher sachliche Ebene: Dieser NABUCCO war meine letzte Rezension für das laufende Jahr für mein DAS OPERNMAGAZIN, bevor es dann im Januar, wie gewohnt, weitergeht. Und es ist schon wie ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für mich gewesen, gerade diesen Berliner NABUCCO als letzte Oper in diesem Jahr miterlebt zu haben. Wie schön ist es doch, voller Freude und auch Dankbarkeit, von solchen Opernerlebnissen schreiben zu dürfen. Anfang der 1980er Jahre sah ich diese Oper das erste Mal. Es war in der Arena di Verona. Die Besetzung legendär: Ghena Dimitrova als Abigaill und Renato Bruson als Nabucco. Für die Opernfans bedarf es dazu keiner erklärenden Worte. Am Samstag in Berlin dachte ich während der Vorstellung oft an frühere Nabucco-Vorstellungen. Auch an diese aus Verona. Und ich bin mir sicher, dass ich auch noch in den kommenden Jahren an diesen Berliner NABUCCO denken werde. Für mich eine vorweihnachtliche Opern-Sternstunde! Danke, Deutsche Oper Berlin!

 

  • Rezension von Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN
  • Deutsche Oper Berlin / Stückeseite
  • Titelfoto: NABUCCO , Deutsche Oper Berlin, Premiere am 8. September 2013, FOTO-copyright: Bernd Uhlig
  • Besonderen Dank an Anna Pirozzi für die Fotos mit ihr und ihrem Bühnenpartner Amartuvshin Enkhbat
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Ein Gedanke zu „Deutsche Oper Berlin: Ein ›NABUCCO‹ zum geniessen

  1. Guten Tag,
    immer noch unter starkem Eindruck stehend teile ich als totaler Laie die Begeisterung über diese Oper!
    Wissen würde ich gern, was auf den verschiedenen Spruchbändern und Plakaten stand, außerdem aus wieviel Sängern der grandiose Chor bestand.
    Vielen Dank, mit freundlichen Grüß en
    Ingeborg Buske

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