„Der Liebestrank“ in Wuppertal: Rosa Elefanten, Verführung und ein Liebestrank

Oper Wuppertal/Liebestrank/Simon Stricker, Sebastian Campione, Ralitsa Ralinova, Opernchor, Statisterie/Foto @ Björn Hickmann

Gaetano Donizettis Oper L’elisir d’amore hatte am 22. Februar seine Premiere in Wuppertal. Wer eine klassisch inszenierte Opera buffa erwartet, der wird zunächst irritiert sein. Die Besucher erleben eine farbenfrohe, moderne Überraschung mit viel Lokalkolorit. Stephan Prattes (zuständig für Regie und Bühnenbild), der hier sein Debüt als Opernregisseur gibt, hat sich durch Originale, berühmte Personen, Begebenheiten und Sehenswürdigkeiten aus Wuppertal inspirieren lassen und so eine frische, moderne Inszenierung auf die Bühne gebracht. Der Schwerpunkt wird auf die Verführung gelegt, was ja vielfältig ausgelegt werden kann und wird. SEDUZIONE (die Verführung) steht dann auch in großen Lettern über der Handlung. Bereits während der Ouvertüre wird der Begriff Seduzione mit einer Erklärung seiner Bedeutung via Laufband auf den eisernen Vorhang projiziert. Verführung gibt es überall, in der heutigen Zeit wird Mensch verführt und dadurch manipuliert durch Medien, so spielt auch das Handy hier eine große Rolle. Nemorino hantiert während der gesamten Oper immer wieder damit herum, liest begierig das, was er dort findet, nimmt sogar die Anleitung, wie der Liebestrank anzuwenden ist, in einem Video auf. (Bericht der Premiere v. 22.2.20

 

Die Geschichte ist die des einfachen, mittellosen, jungen Mannes Nemorino, der unsterblich verliebt ist in die reiche und gebildete Adina, die nichts von ihm wissen will. Sie liest den anwesenden Dorfbewohnern die Geschichte von Tristan und Isolde vor, in der Tristan durch einen Liebestrank Isolde ewig lieben soll. Als der sehr von sich überzeugte Sergeant Belcore auftaucht, der Adina ebenfalls heiraten will, bittet sie sich jedoch Bedenkzeit aus. Nemorino verzweifelt und gibt sein letztes Geld dem soeben eingetroffenen Quacksalber und Scharlatan Dulcamara um einen Liebestrank bei ihm zu kaufen. Dulcamara verspricht jedem alles und verkauft in erster Linie Illusionen. Der Placeboeffekt ist sein Erfolgsrezept. Da sich die Ereignisse überschlagen und der Trank nicht schnell genug wirkt, verdingt er sich beim Militär um von dem Handgeld eine weitere Flasche des Wunderelixiers zu kaufen. Adina kauft ihn frei und bittet ihn zu bleiben. Inzwischen wissen alle, außer Nemorino selbst, daß er er geerbt hat und nun ein reicher Mann ist. Wie es in einer komischen Oper eben so ist, es wird sich geziert, es wird getrotzt, aber am Schluß kriegen alle, was sie wollen, so auch Nemorino seine Adina, die nun doch erkennt, dass sie ihn liebt.

Oper Wuppertal/Liebestrank/Wendy Krikken, Opernchor, Statisterie/Foto @ Björn Hickmann

Der Chor verkörpert einerseits die Gruppe Mensch als Gesamtheit, andererseits aber auch, dass sich diese Gruppe aus sehr verschiedenen Charakteren, Religionen und Diversitäten zusammensetzt. So findet sich ein Reigen, der sich vom Biedermeier bis zur Jetztzeit zieht. Beispielweise steht neben Friedrich Engels so ganz normal der Arbeiter von Vorwerk mit seinem Staubsauger, die Muslima neben der Nonne, Else Lasker-Schüler neben einer flippigen Frau aus dem Heute. (Kostüme: Heike Seidler)

Die Wandlung und Reifung der Figuren Adina und Nemorino zeigt sich auch in der Kleidung. Beide sind zu Beginn eher kindlich gekleidet, er in kurzen Hosen, sie in einem Kleidchen, welches zwar elegant schwarz, aber doch sehr kindhaft wirkt. Im Verlauf der Handlung wandelt sich das und beide erscheinen als modern gekleidete, junge, sich liebende Menschen. Ralitsa Ralinova hier einmal von einer nicht so temperamentvollen, sondern mehr gefühlvollen Seite, Sangmin Jeon als unglücklich Verliebter, ein wunderbar harmonierendes Duo, sowohl gesanglich, als auch darstellerisch.

Oper Wuppertal/Liebstrank/Simon Stricker, Ralitsa Ralinova / Foto @ Björn Hickmann

Der „Liebestrank“, den Dulcamara verkauft, ist nichts anderes als eine Flasche Rotwein, hier nimmt Dulcamara für eine Münze diese Flasche einem Obdachlosen ab, der am Rand sitzt und gibt sie als Wundermittel an Nemorino weiter. Dulcamaras Erscheinen wird angekündigt durch etwas, was von oben wie ein Ufo herabschwebt, sich dann als eine Reihe Handys entpuppt. Im Hintergrund der ansonsten grünen Bühne ist nun ein überdimensionales Handy zu sehen, auf welchem Dulcamara werbewirksam gezeigt wird. So tritt er auch auf als eine Person, die an eine Mischung aus Astroshow und einem bekannten Modeschöpfer eines TV-Verkaufskanals erinnert. Er tänzelt affektiert und von sich selbst überzeugt über die Bühne, Sebastian Campione kann hier wieder einmal nicht nur gesanglich punkten.

Simon Stricker, ein fabelhaft besetzter Belcore, ist wie Dulcamara ein selbstgefälliger Mann, er erwartet, daß Adina seine Avancen sofort akzeptiert. Er schenkt ihr einen rosa Plüschelefanten. Auch hier wieder eine Assoziation zu Wuppertal, Tuffi dürfte über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sein. Im Zusammenhang mit seinen Soldaten wirkt das Militär wie eine Mischung aus Pappkameraden, ( es kamen tatsächlich etliche Schiessbudenfiguren von oben herab) etwas Disziplin und viel Trottelhaftigkeit. Die Uniformen im Prilblümchenlook taten ein übriges diese Instanz nicht ernst nehmen zu können. Wäre es doch im realen Leben auch so.

Giannetta, die Vertraute und Freundin Adinas, entspricht dem typischen Sekretärinnenklischee: Brille, enges Kostüm, Heels… Wendy Krikken, die dem Opernstudio NRW angehört, ist die Einzige, die nicht zum festen Ensemble gehört. Schön, wenn junge Menschen die Chance bekommen, hier Erfahrungen zu sammeln und ihr Können vor großem Publikum zu präsentieren.

Der rosa Elefant zieht sich denn auch durch den ganzen Abend, vom Plüschtier und einem überdimensionalen, aufblasbaren Elefant, bis zu einer Patrouille von rosa Elefanten., (War die Assoziation Dschungelbuch hier Absicht?) Die Farbe rosa steht ja für eine vernebelte Sichtweise = durch die rosa Brille sehen. Hier vernebeln rosa Elefanten den Blick, Kitsch und Niedlichkeit dominieren.

Warum nun die Kunde vom dem Erbe, welches Nemorino gemacht hat, sich ausgerechnet in einem Yogastudio wie ein Lauffeuer verbreitet, erschließt sich nicht wirklich, war aber witzig. Vielleicht, weil in früheren Filmen ja immer der Friseursalon der Ort war, wo sich solche Nachrichten verbreiteten. Yoga ist in und auch in Wuppertal gibt es etliche Studios. Einen Chor auf der Matte sieht man jedenfalls nicht jeden Tag.

Oper Wuppertal/Liebestrank/ Ralitsa Ralinova, Sangmin Jeon/Foto @ Björn Hickmann

Ob nun das Una furtiva lagrima von Sangmin Jeon, das Io son ricco et tu sei bella von Raltisa Ralinova und Sebastian Campione, es wäre nicht fair, eine Einzelleistung hervorzuheben, denn ausnahmslos alle Mitwirkenden boten einen Ohrenschmaus und wurden begeistert beklatscht.

Auch der Opernchor (Markus Baisch, Chorleitung), die Statisterie der Oper und das Sinfonieorchester Wuppertal erfüllten wieder einmal alle Erwartungen. Der musikalische Leiter des Abends, Johannes Pell, führte seine Musiker*innen und die auf der Bühne agierenden Künstler*innen mit gewohnt viel Engagement und Empathie durch Donizettis melodienreiche Partitur.

Es war ein großartiger Abend, der, neben Bravos, verdient viel und langanhaltenden Applaus bekam. Unverständlich und schade, dass einige wenige die Vorstellung bereits in der Pause verliessen. Ebenso bedauerlich, dass es keine ausverkaufte Vorstellung war, die Leistung hätte es mehr als verdient.

Bedanken möchte ich mich dafür, dass es vor Beginn der Vorstellung eine Ansprache gab mit der Bitte, den Opfern von Hanau in einer Schweigeminute zu gedenken. Nirgendwo ist die Vielfalt so groß wie am Theater, es finden sich auf kleinem Raum so viele Nationalitäten, Hautfarben, Religionen und Geschlechter zusammen und alle leben und arbeiten miteinander. Ein schönes Beispiel und Vorbild für uns Alle.

 

  • Rezension von Rene Isaak Laube / RED: DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Wuppertal / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Wuppertal/Liebestrank/ Ralitsa Ralinova, Sangmin Jeon/Foto @ Björn Hickmann

 

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