Cristian Mǎcelaru dirigiert das erste Konzert mit Publikum nach dem Lockdown mit dem WDR-Sinfonieorchester und Igor Levit

Cristian Măcelaru (Foto @ WDR/ Thomas Brill

„Liebe Mitglieder unserer WDR-Musikfamilie, wir freuen uns sehr, Sie für dieses Konzert wieder bei uns zu haben. Musik lebt im Austausch zwischen uns, den Musikerinnen und Musikern, und Ihnen, unserem Publikum. Wir wollen Ihnen unsere Freundschaft und gegenseitige Bewunderung widmen. Bitte genießen Sie unser Geschenk an Sie“, mit diesen Worten leitet Chefdirigent Cristian Măcelaru  sein erstes Konzert mit Publikum seit dem Lockdown ein.

Eigentlich wollte er mit dem WDR-Sinfonieorchester am 19 Juni 2020 Beethovens Chorfantasie und das 80 Minuten lange Klavierkonzert von Ferrucio Busoni mit dem großen Abschlusschor mit dem Starpianisten Igor Levit aufführen. Doch die Corona-Pandemie machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.(Konzert vom 19.6.2020)

 

Bedingt durch die Hygiene-Vorschriften der Berufsgenossenschaft aufgrund der Corona-Pandemie müssen die Musiker beim Auftritt alle zwei Meter Abstand voneinander halten. Das bedeutet, dass Formate wie große Sinfonien oder Chorwerke nicht gespielt werden können. Auf die Bühne der Kölner Philharmonie passen unter diesen Bedingungen etwa 25 Musiker*innen. Beim letzten Konzert zum World Pastoral Day am Freitag, dem 5. Juni 2020 bedeutete das, dass man Beethovens 6. Sinfonie als Streichsextett in der Bearbeitung von Michael Gotthard Fischer, einem Zeitgenossen Beethovens, vor dem leeren Saal gespielt hat.

Diesmal, beim letzten Konzert vor der Sommerpause, hat Cristian Măcelaru  Zuschauer eingeladen. Die Eintrittskarten wurden unter den Abonnenten und den Freunden und Förderern des WDR-Sinfonieorchesters verlost, das Konzert wurde zweigeteilt. Der erste Teil „Von Respighi bis Ibert“ wurde von 18.00 Uhr bis 19.15 Uhr aufgezeichnet und im Live-Stream gesendet, der zweite Teil mit Igor Levit als Solist wurde live übertragen.

Respighis „Trittico Bottecelliano“ versetzt den Zuhörer in die Toscana. Es beginnt mit „La Primavera“ – der Frühling.

Das sommerliche „Siegfried-Idyll“, das Richard Wagner Heiligabend 1870 zum 33. Geburtstag seiner Frau Cosima komponierte und das als „Siegfrieds Rheinfahrt“ die Keimzelle des „Rings“ werden sollte, wird hier zu einer Manifestation des Glücks über die Geburt des Sohnes Siegfried im von Konzertmeister José Maria Blumenschein angeführten Kammerorchester. Die exquisiten Blasinstrumente, vor allem die Hörner (Pȓemysl Vojta) und die Oboe (Manuel Bilz) tragen zu einer friedlichen Atmosphäre bei.

Der Rumäne George Enescu wird von seinem Landsmann Măcelaru  mit dem „Prélude à l´unisson“ aus seiner Suite für Orchester op. 9 gewürdigt. Hier mündet ein sieben Minuten langes Streicher-Unisono in eine gewaltige Schlagzeugorgie.

Höhepunkt des Konzerts ist das Divertissement von Jacques Ibert für Kammerorchester. Hier geht in jeder Hinsicht die Post ab, es ist frech, frivol und sehr französisch. Es wird zitiert, karikiert, die kecke Trompete (Martin Griebl), die pfiffige Flöte (Michael Faust), das groß besetzte Schlagwerk (Johannes Steinbauer mit Trillerpfeife) geben sich bei diesem musikalischen Zirkus die Starposition in die Hand.

Um 21.00 Uhr geht es weiter vor anderem Publikum, ich streame das zweite Konzert mit Mozarts 12. Klavierkonzert mit dem Starpianisten Igor Levit. Es ist pures Konzertglück, aber live ist durch nichts zu ersetzen. Levit spielt als Zugabe den Choralsatz „Komm der Heiden Heiland“ von Johann Sebastian Bach in der Bearbeitung von Ferrucio Busoni. Zum Abschluss gibt es Schuberts 5. Sinfonie, die ich später im Konzertplayer abrufe.

Das Konzert ist bis zum 12.7.2020 beim WDR3-Konzertplayer verfügbar. Dabei steht Iberts „Divertissement“ zu Recht am Schluss. Damit entlässt uns Măcelaru in die Sommerpause.

Im Saal durften von 2.000 Plätzen nur 440 besetzt werden. Jede zweite Reihe und zwischen je zwei fremden Personen drei Plätze mussten frei bleiben. Alle Besucher*innen mussten sich mit ihren Kontaktdaten registrieren, im Gebäude mussten Masken getragen werden, und es gab keine Bewirtung im Foyer. Man riet den Besuchern, sich warm anzuziehen, denn die Klimaanlage werde auf Hochtouren laufen.

Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Foto @ Thilo Beu

Die Abonnenten und die Mitglieder des Fördervereins des WDR-Sinfonieorchesters wurden eine Woche vor dem Konzert angeschrieben und durften sich für eins der beiden Konzerte bewerben. Man bekam zwei Tage vorher per Mail den Bescheid, man sei eingeladen, aber es wurden keine festen Plätze zugesagt. Die Konsequenz war, dass sich um 17.15 Uhr, bei Beginn des Einlasses, eine beträchtliche Anzahl Konzertbesucher vor der Philharmonie eingefunden hatte, die mit Mundschutz und Abstand auf Einlass warteten.

Alle mussten zunächst ihre Registrierungen abgeben und wurden dann vom sehr freundlichen Foyerpersonal auf die Plätze geleitet. Man füllte die Reihen einfach von unten nach oben auf, und niemand konnte seinen „regulären“ Platz einnehmen. Wir saßen ganz rechts außen hinter einem Kameramann des WDR, der Einzelaufnahmen von Solisten machte, was den Konzertgenuss keinesfalls beeinträchtigte.

Wir sind Cristian Măcelaru  sehr dankbar, dass er uns Abonnenten dieses Geschenk gemacht hat. Ich habe das große Abo mit 13 Konzerten an Freitagen jetzt schon seit 2005 und kann es guten Gewissens empfehlen. Es ist immer ein besonderes Erlebnis, wenn man dabei ist, wenn das Konzert live gesendet oder aufgezeichnet wird. Das WDR-Sinfonieorchester wird offensichtlich auch bei kleineren Formaten seinem Anspruch, „Spitzenklassik“ zu bieten, gerecht, wie das erlebte Konzert beweist.

 

  • Artikel von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / RED: DAS OPERNMAGAZIN
  • Titelfoto: Blick in den Saal der Kölner Philharmonie / Foto © KölnMusik/Guido Erbring
 

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